Tafeln droht die totale Leere
Autor: Steffen Standke, Angelika Despang
LKR Bad Kissingen, Mittwoch, 06. April 2022
Der plötzliche Zustrom von ukrainischen Flüchtlingen hat die Ehrenamtlichen in ihren Ausgabestellen für Lebensmittel überrascht. Über Reserven verfügen sie kaum. Deswegen senden sie einen Hilferuf.
Leere Regale, leere Körbe, leere Kühlschränke - die Auswahl bei der Tafel Bad Kissingen ist sehr übersichtlich. "Die Engpässe an Lebensmitteln, die die Tafeln in Deutschland sowieso schon haben, werden nun durch den Krieg in der Ukraine noch verstärkt", sagt Dagmar Ziegler, stellvertretende Vorsitzende des Tafelvereins in Bad Kissingen und zeigt in einen Lagerraum, der normalerweise knackig voll ist.
Immer weniger Lebensmittel für immer mehr Bedürftige
Die vorhandenen Vorräte gehen zu Neige, zu wenige Geschäfte spenden ihre übrig gebliebenen Lebensmittel, für Geldspenden gibt es weniger Lebensmittel wegen steigender Preise - und die Anzahl an bedürftigen Menschen steigt und steigt. "Die Zahlen der Abholer sind seit Anfang März deutlich hochgegangen. Momentan versorgen wir ca. 740 Personen, davon sind ungefähr 180 Personen in den letzten vier Wochen dazu gekommen. Das sind vor allem ukrainische Familien und Frauen mit Kindern", erklärt Dagmar Ziegler, "Wir brauchen dringend Hilfe von Spendern, sonst können wir die Menschen nicht mehr versorgen", appelliert die Vorsitzende.
Was hilft?
Die einfachste Art zu helfen seien Gutscheine von Supermärkten und Lebensmittelgeschäften zu besorgen und bei der Tafel einzuwerfen. Natürlich können auch Lebensmittel abgegeben werden und Geld gespendet werden. Die Tafel Bad Kissingen kann aber noch eine andere Hilfe gut gebrauchen: Dolmetscher. Momentan vor allem mit ukrainischen Sprachkenntnissen: "Am Samstag stand plötzlich ein junger Mann vor der Tür und meinte, er möchte beim Übersetzen helfen. Das war super, denn viele Abholer haben den Sinn der Tafel noch nicht verstanden", berichtet Dagmar Ziegler begeistert, "Zum Beispiel kann nicht jeder Wunsch erfüllt werden bei den unterschiedlichen Essgewohnheiten."
Auch in Bad Brückenau angespannte Lage
Beim Bad Brückenauer Tafelverein, der den Altlandkreis Brückenau ohne Wildflecken betreut, sieht es ähnlich aus. "Auch bei uns ist die Situation schon angespannt durch die ukrainischen Familien, die kommen", sagt der stellvertretende Vorsitzende Klaus Hartmann.
In den vergangenen drei Wochen seien 16 Familien zu den bisherigen 60 dazugestoßen. Das sind 47 Menschen mehr als in "normalen Zeiten" (Vorher waren es 170). Für diese Woche hätten sich sieben zusätzliche Familien angemeldet. Und Hartmann rechnet bis zur Jahresmitte mit weiteren 40 bis 45 weiteren Familien aus der Ukraine, die potenziell zu den Tafelterminen kommen. Dabei sieht Hartmann schon jetzt kaum noch Spielraum, mehr Lebensmittel von den Supermärkten zu organisieren. Durch die gestiegenen Preise verkauften diese eh schon weniger als üblich, würden daher weniger nachbestellen. So bleibe tendenziell weniger unverkaufte Ware für die Tafeln übrig.
Das Vorhandene auf das Mehr an Bedürftigen und damit den bisherigen "Stammkunden" weniger geben möchte Klaus Hartmann auch nicht dauerhaft tun. Das stifte Unruhe. "Viele Rentner krebsen eh am Existenzminimum herum." Der Tafel-Vize ist sich sicher: "Mit normalen Mitteln ist die Flut kurzfristig nicht zu bewältigen."
Hammelburg noch nicht dramatisch
Noch nicht so dramatisch stellt sich augenscheinlich die Lage im Gebiet der Hammelburger Tafel dar. Laut der in der Ausgabe tätigen Ramona Lell kommen "im Moment noch nicht so viele ukrainische Abholer". Es seien bei jedem Termin zwischen zwei und vier Familien.