Stresstest für Grabsteine: "Wir suchen uns nicht diese Arbeit, es ist eine Verpflichtung"
Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz
LKR Bad Kissingen, Sonntag, 09. Januar 2022
Am Heiligabend verletzte sich eine Frau schwer, als ein Grabstein auf sie kippte. Wie oft werden Grabsteine auf ihre Standfestigkeit geprüft? Die Redaktion hat bei den Gemeinden nachgefragt.
An Heiligabend klemmte ein umfallender Grabstein auf dem Friedhof im Hammelburger Stadtteil Gauaschach das Bein einer 34-Jährigen so unglücklich ein, dass sie sich nicht selbst befreien konnte und mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen wurde. Diesen Vorfall nahm die Redaktion als Anlass beim Verband Deutscher Steinmetze und den Gemeinden nachzufragen, wie solche Situationen zu verhindern sind.
Grabsteine lockern sich aus mehreren Gründen. Ein Einflussfaktor kann etwa sein, ob das Friedhofsgelände eben oder am Hang gelegen ist. Auch Erschütterungen, die Beschaffenheit des Bodens oder die Witterung spielen eine Rolle. Das Überflutungsgebiet im Ahrtal sei da ein Extrembeispiel, wo nach den Starkregenereignissen und Überflutungen kaum noch ein Grabstein stehe, sagt Raphael Holzer, Leiter der technischen Beratung beim Bundesverband Deutscher Steinmetze.
Wenn sich der Boden nach einer Beerdigung setze oder ein Grab ausgehoben werde, könne dies die Standfestigkeit der Grabsteine beeinflussen. Auch könne es passieren, dass sich eine Wurzel von einem umliegenden Baum untergrabe und einen Grabstein lockere. Grundsätzlich spiele der Bewuchs, beim Thema Standfestigkeit aber keine Rolle, hier gehe es vor allem um die Optik.
27 lockere Steine in Hammelburg
Einmal im Jahr prüft das Friedhofspersonal der Stadt Hammelburg, ob die Grabsteine sicher stehen. Das ist eine übliche Praxis in den Gemeinden im Landkreis. Gewöhnlich geschehe das meist immer nach der Frostperiode, meist im Mai eines jeden Jahres, berichtet Hammelburgs Bürgermeister Armin Warmuth. Die letzte Standsicherheitsüberprüfung auf den Friedhöfen sei in den Hammelburger Stadtteilen und im Hammelburger Friedhof an zwei Tagen Anfang Mai 2021 geschehen. Die Überprüfung sei nach den Vorgaben des Verbandes Deutscher Steinmetze durch Sicht- und Druckprobe erfolgt. Grabsteine müssten einem Druck von 30 kg an der Grabsteinoberkante standhalten. Dies bestätigt der Steinmetzverband.
Im vergangenen Mai stellte laut dem Hammelburger Bürgermeister das Friedhofspersonal 16 lockere Grabsteine auf den Friedhöfen in den Stadtteilen der Stadt Hammelburg und elf auf dem Hammelburger Friedhof fest. Die lockeren Grabsteine seien mit einem Aufkleber "Vorsicht - lockerer Grabstein, Unfallgefahr" versehen worden. Die "Grabnutzungsberechtigten" - das ist ein etwas umständlich klingender Terminus, der in der Verwaltungssprache meist die Personen meint, die das Grab gepachtet haben - seien unverzüglich schriftlich aufgefordert worden, innerhalb eines Monats das Grabmal fachgerecht befestigen zu lassen. Die Nachprüfung sei dann an zwei Tagen Mitte Juni 2021 geschehen, teilt der Bürgermeister mit. "Es wurden zu diesem Zeitpunkt keine Beanstandungen mehr festgestellt." Die nächste Prüfung sei für Mai diesen Jahres geplant.
Einmal im Jahr werden Steine geprüft
Vergangenes Jahr begleitete unser Mitarbeiter Sigismund von Dobschütz den Bad Kissinger Friedhofsverwalter Stefan Krieg bei einer solchen Grabsteinprüfung. Damals berichtete er, dass kleinere Grabsteinen nur mit der Hand auf mögliche Lockerung geprüft würden. Bei allen größeren Grabmälern, die über 70 Zentimeter hoch sind,musste der Friedhofsverwalter gemäß der seit 2010 geltenden Unfallverhütungsvorschrift der Gartenbau-Berufsgenossenschaft die Druckprobe mit einem Kipp-Tester durchführen.
Der "Kipp-Tester" wird an die Oberkante des Grabsteins angesetzt und löst einen Druck von 500 Newton aus, entsprechend 50 Kilogramm. Sollte der Stein dem Druck nicht standhalten, wird der Stein mit einem roten Warnaufkleber versehen.