Druckartikel: Strategien gegen Pflege-Notstand

Strategien gegen Pflege-Notstand


Autor: Dieter Britz

Bad Kissingen, Sonntag, 28. Februar 2016

Das Berufliche Fortbildungszentrum bildet in ihrer Berufsfachschule Altenpfleger und Altenpflegehelfer aus.
Informationen aus erster Hand gab es beim Tag der offenen Tür in der bfz-Schule in der Columbiastraße. Auf dem Foto zu sehen sind (von links) Lehrerin Sandra Müller, die Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar, der Chef der Arbeitsagentur in Bad Kissingen, Marco Beier, der Vorstand der Carl von Heß'schen Stiftung, Marko Schäfer, und Peter-Wolfgang Großmann, bfz-Koordinator in Bad Kissingen.  Foto: Dieter Britz


"Herausforderungen in der Pflege" standen im Mittelpunkt des Tages der offenen Türe der Schule der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) in der Columbiastraße. In der dortigen Berufsfachschule für Altenpflege werden zurzeit über 70 Frauen und Männer, unter ihnen auch Migranten und Asylbewerber, in ein oder drei Jahren zum Altenpflegehelfer oder Altenpfleger ausgebildet.
Nach Schätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes

(DGB) fehlen zurzeit 130 000 Pflege-Vollzeitkräfte, darunter 40 000 Fachkräfte, Tendenz steigend. "Wir haben Pflegenotstand", betonte Stephan Zeller, der Leiter des bfz Schweinfurt, zu dem die Einrichtung in Bad Kissingen gehört. Es gelte, den Menschen in diesem Sektor einen Beruf zu bieten, der Berufung sei, sie aber auch ernähren könne. Dies gelte auch für Menschen, die eine Flucht hinter sich haben, die deutsche Sprache lernen und sich integrieren.


Andere Ausbildung in Südeuropa

Informationen aus erster Hand gab es von der SPD-Bundestagsabgeordneten Sabine Dittmar, die sich als Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestages intensiv mit dem Thema Pflege beschäftigt. Speziell ging die Ärztin auf die geplante Vereinheitlichung der Ausbildung in der Kranken- und Altenpflege ("Generalistik") ein. Damit seien die so ausgebildeten Frauen und Männer fähig, in Krankenhäusern ebenso wie in Seniorenheimen oder bei ambulanten Kranken- und Altenpflegediensten zu arbeiten.
Der entsprechende Gesetzentwurf kommt am 18. März in den Bundestag. Bei dieser Ausbildung müssten Seniorenheime, Krankenhäuser und ambulante Pflegeeinrichtungen mit den Schulen, die auch weiterhin die theoretische Ausbildung durchführen, kooperieren. Die Ausbildung müsse für die Auszubildenden in allen Bundesländern kostenfrei sein und über einen Fonds finanziert werden, in denen die Länder, die Krankenkassen und alle Einrichtungen einbezahlen, auch diejenigen, die sich bisher die Kosten für die Ausbildung sparen und deshalb günstigere Pflegesätze anbieten könnten. Um den Schulen und den Einrichtungen die Umstellung der Ausbildung zu erleichtern, soll diese erst 2019 abgeschlossen sein. Die jetzt ausgebildeten Fachkräfte bräuchten sich keine Sorgen zu machen, ihre Ausbildung werde anerkannt.
Die Pflegepädagogin Katrin Pfister, Lehrerin am bfz Bad Kissingen, betonte, dass über die Hälfte der Pflegeeinrichtungen einen Fachkräftemangel beklage. Dieser Pflegenotstand könne nicht mehr aus eigener Kraft gedeckt werden. Man habe versucht, Fachkräfte in Spanien, Griechenland, Italien oder Portugal anzuwerben. Sie hätten dort jedoch eine andere Ausbildung absolviert und seien oft nach kurzer Zeit in die Heimat zurückgekehrt.


Gute Erfahrung mit Philippinen

Sie wies darauf hin, dass für Flüchtlinge mit einer Bleibe-Perspektive im April ein Grundkurs beginnt, in dem sie auch die nötigen Sprachkenntnisse erwerben und in einem zweiwöchigen Praktikum ermitteln könnten, ob sie für die Pflege geeignet sind. Danach könnten sie eine Ausbildung als Pflegefachhelfer beginnen, müssten allerdings den dazu nötigen Hauptschulabschluss machen. Damit könne der Pflegenotstand nicht verhindert, aber etwas abgemildert werden.
In der Diskussionsrunde betonte Marco Beier, Leiter der Arbeitsagentur in Bad Kissingen, dass Asylanten in den freiwilligen Kursen eine sehr hohe Motivation und kaum Fehlzeiten hätten. Marco Schäfer, Vorstand der landkreiseigenen Carl-von-Heß'schen Sozialstiftung, berichtete von positiven Erfahrungen mit jungen Männern und Frauen, die auf den Philippinen für die Arbeit in Deutschland angeworben wurden. Sie hätten sich sehr gut integriert, es gebe keine Probleme. Sabine Dittmar betonte, dass die Ausbildungsreform zu einem einheitlichen Vergütungsystem führen müsse.
Zahlreiche Besucher nutzten die Gelegenheit, die Schule einmal von innen zu sehen und sich über ihre Arbeit zu informieren. "Bis ich vom Tag der offenen Tür in der Zeitung gelesen habe, wusste ich überhaupt gar nicht, dass es sie gibt", sagte ein junger Mann. Die über den ganzen Freistaat verteilten privaten bfz-Schulen sind berufliche Fortbildungszentren, die von der bayerischen Wirtschaft getragen werden. Sie bieten Ausbildung in Heilerziehungspflege oder Altenpflege ebenso wie Ergotherapie oder Maschinenbautechnik, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Angebote, die in Bad Kissingen, Schweinfurt und Bad Neustadt an der Saale gemacht werden, sind im Internet unter www.bfz.de aufgelistet.