Druckartikel: Stimmung ist geteilt

Stimmung ist geteilt


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Dienstag, 16. Sept. 2014

Das Handwerk im Landkreis ist mit der aktuellen Auftragslage überdurch- schnittlich zufrieden, aber überall wird der Lehrlings- und Fachkräftemangel beklagt.
Die Zimmereibetriebe tun sich immer schwerer, fürdie vielfältigen Arbeiten qualifiziertes Personal aufzubieten. Foto: Hölzel


Normalerweise erwirtschaftet die Industrie mehr Umsatz als das Handwerk. Im Landkreis Bad Kissingen ist das anders. Da hat das Handwerk die Nase vorne: 748,387 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete es im vergangenen Jahr. Die Industrie kam hierzulande nur auf 621,068 Millionen Euro. Ist das Strukturschwäche oder ein gutes Zeichen?

"Natürlich steht schon der Nachbarlandkreis Rhön-Grabfeld mit Firmen wie Preh oder Siemens ganz anders da als wir", sagt Jürgen

Metz, Wirtschaftsförderer im Landratsamt. Ein wesentlicher Grund dafür sei die wirtschaftliche Monostruktur, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurde, als sich die Stadt Bad Kissingen voll und ganz auf den Sektor Kur und Gesundheit konzentrierte und sogar die Ansiedelung des Deutschen Wetterdienstes verhinderte. "Aber wir können sehr gut damit leben, dass das Handwerk bei uns sehr stark ist."

Was Metz, und nicht nur ihm, halt Sorgen bereitet, ist die nicht sehr optimistisch stimmende Nachwuchssituation: "Wir versuchen alles zu tun, um das Image des Handwerks zu verbessern und es attraktiver zu machen. Wir gehen in die Schulen, um zu werben, und wir haben am Sonntag den "Tag des Handwerks" mit einer Veranstaltung in Oberthulba."

Jürgen Metz weiß sich da einig mit Daniel Röper, dem Pressesprecher der Handwerkskammer Unterfranken. "Bei der letzten Konjunkturumfrage im Kammerbereich waren 90 Prozent der Betriebe mit der Geschäftslage zufrieden. Der Landkreis Bad Kissingen stand mit 94,4 Prozent an der Spitze." Im dritten Quartal dieses Jahres werde die Quote auf 94,3 Prozent sinken.

Nachfolger händeringend gesucht

So weit, so gut. Aber auch Röper weiß, dass das Glück bedroht ist: "Der zunehmende Fachkräftemangel wird dazu führen, dass wir Produkte und Dienstleistungen nicht mehr so ohne weiteres bekommen werden, sondern dass wir uns auf Wartezeiten einstellen müssen." Dabei seien die beruflichen Chancen noch nie so gut gewesen wie zurzeit - die Ausbildungsquote im Landkreis liegt übrigens auch mit 9,6 Prozent um 1,2 Prozent über dem unterfränkischen Durchschnitt. "Wir machen Werbung, wo es nur geht", sagt Röper, "wir gehen in die Schulen, wir sprechen mit den Eltern. Im Moment haben wir ein Pilotprojekt laufen, das sich an die Zielgruppe "Studienabbrecher" richtet. Schließlich müsse die Ausbildung ja nicht mit der Gesellenprüfung enden. "Ein Drittel aller Betriebe - und das gilt auch für den Landkreis Bad Kissingen - muss in den nächsten fünf Jahren einen Nachfolger suchen." Bei diesen gut 250 zulassungspflichtigen Betrieben kann das nur ein Meister sein. Deshalb hätten junge Leute, die sich auf eine Handwerksausbildung einlassen, auch die besten Perspektiven.

Die Basis hat Einwände

An der Basis sieht man das mit der Zufriedenheit ein bisschen anders. Schreiner-Innungsobermeister Werner Paltian etwa sieht "graue Wolken am Konjunkturhimmel". Die Krise in der Baubranche treffe nicht nur das Bauhauptgewerbe, sondern auch andere Handwerksbetriebe: "Ich merke das auch daran, das nicht mehr so viele Interessenten in unsere Ausstellungsräume kommen, um sich zu informieren. Der Deutsche reagiert sensibel, wird schnell kritisch.

Paltian hat sich auf Treppenbau spezialisiert. Dadurch kann er viel maschinell machen, und das können in hohem Maße - angesichts des Fachkräftemangels, auch angelernte Kräfte erledigen. Etwa 15 Prozent von Paltians Belegschaft stammen aus Osteuropa. "Dadurch musste ich noch keine Aufträge ablehnen."
"Die Bäcker sind mit Sicherheit nicht so zufrieden", betont Innungsmeister Anton Hesselbach, "und das ist lagebedingt." Zum einen rücken den handwerklichen Bäckereien die Discounter immer mehr auf die Pelle, die ihre Ware von Billigproduzenten bekommen. "Zum anderen will wegen der Arbeitszeiten niemand mehr Bäcker werden, obwohl die auch ihre Vorteile haben."

Wann schließt der letzte Bäcker?

Hesselbach belegt die Nachwuchsmisere mit Zahlen: "2003 hatten wir im Landkreis noch über 70 Betriebe. 2006 waren es keine 40 mehr. Nach dem Zusammenschluss mit der Innung Rhön-Grabfeld im selben Jahr waren es 80. Und heute gibt es in beiden Landkreisen nur noch 39 Bäckereien." Der Trend nach unten sei nicht zu stoppen: "Jedes Jahr werden aus Altersgründen zwei bis drei Bäckereien geschlossen."

/>Bau-Innungsobermeister Stefan Goos differenziert: "Der hohe Zufriedenheitsgrad ist sicher richtig bei den kleinen und mittleren Betrieben, die vor allem Privatkunden bedienen." Das seien die Auftragsbücher voll, da komme es auch schon mal zu Engpässen. "Aber für die großen Baufirmen gilt das überhaupt nicht." Da mache sich immer stärker die schwindende Investitionsbereitschaft der öffentlichen Auftraggeber bemerkbar: "Die Wertigkeit stimmt nicht mehr."