Fränkische Krankenschwester fotografiert Sternenkinder
Autor: Benedikt Borst
Rupboden, Freitag, 03. Januar 2020
Angela Richter fotografiert Sternenkinder für trauernde Eltern. Sie fährt dazu teils hunderte Kilometer in die Kliniken. Bei ihren Einsätzen erlebt sie nicht nur Leid und Trauer, sondern vor allem viel Liebe.
Manchmal bleibt einem nur ein Foto. Das erste und gleichzeitig das letzte Bild vom eigenen Kind, das tot auf die Welt kam oder das kurze Zeit nach der Geburt starb. Angela Richter aus dem unterfränkischen Rupboden (Landkreis Bad Kissingen) fotografiert Sternenkinder für deren trauernde Eltern.
Sternenkinder: Fotos sollen Zeit geben, sich zu verabschieden
"Es ist wichtig, dass es heilsame Bilder sind", sagt die 52-Jährige. Die Bilder sollen den Eltern bei der Trauerbewältigung helfen, wenn nicht in den ersten furchtbaren Stunden im Kreißsaal, dann aber später. Die Bilder sollen Mama und Papa Zeit geben, sich zu verabschieden. Zeit, die ihnen mit dem lebenden Kind nicht vergönnt war. "Die Bilder stellen Geborgenheit dar. Sie zeigen, wie es hätte sein sollen, wenn es nicht anders gekommen wäre", sagt sie.
Richter arbeitet als Krankenschwester in Bad Brückenau, in ihrer Freizeit engagiert sich die Hobbyfotografin seit eineinhalb Jahren beim Projekt "Dein Sternenkind". Eltern haben die Möglichkeit, entweder persönlich oder oft auch über die Klinik, ehrenamtliche Fotografen des Projekts anzufordern.
"Wir fotografieren nicht den Tod": Fränkische Fotografin erzählt
"Ich gehe rein, stelle meine Tasche ab, gehe zu den Eltern und begrüße sie", erzählt Richter. Sie redet mit dem Sternenkindchen. Die Atmosphäre im Zimmer sei zwar voller Schmerz und Traurigkeit, aber eben nicht nur: "Da ist so viel Liebe, die man spürt. Es ist nicht nur Trauer, die einen erwartet. Die Liebe überwiegt."
Eine Kollegin habe ähnliche Erfahrungen einmal mit dem Satz zusammengefasst: "Wir fotografieren nicht den Tod, wir fotografieren sehnlichst erwartetes Leben." Den Eltern helfe es, wenn jemand Fremdes dazukommt, und sich ohne Berührungsängste mit dem Kind befasst. Die intime Situation verbindet die Fotografin mit den Eltern. Oft werde sie umarmt. Im Nachhinein melden sich viele Trauernde mit handgeschriebenen Dankbriefen, berichtet Richter.
Sie habe lange überlegt, ob sie dieses Ehrenamt verkraftet. Als sie mit ihrer Ausbildung begonnen hatte, entschied sie sich dagegen, Kinderkrankenschwester zu werden. "Ich wollte kein sterbendes oder totes Kind erleben. Ich wollte so viel Leid bei Kindern nicht ertragen", erzählt sie. Inzwischen hat sie eigene schmerzhafte Erfahrungen durchlebt und hat akzeptiert, dass der Tod zum Leben dazugehört. Richter hat selbst Kinder und Enkelkinder. Weil sie den Betroffenen mit ihrem Hobby helfen wollte, beschloss sie, sich als Sternenkinderfotografin zu engagieren.
Lange Anfahrten in die Kliniken
Sie gehört zum Kernteam der Initiative und koordiniert die Einsätze anderer Fotografen in Nordbayern, Hessen und Thüringen. Mehrmals in der Woche fährt sie zu Alarmierungen, nimmt dafür stundenlange Anfahrten in Kauf, bis nach Frankfurt, Gelnhausen, Kassel und Apolda. Die Kosten dafür zahlen sie aus eigener Tasche oder finanziert sie über Spenden mit. Inzwischen weiß Richter, dass ihre Sorge unbegründet war, den Umgang mit so viel Schmerz und Trauer nicht zu verkraften. "Beim Fotografieren ist es wie im Schwesternberuf. In gewissen Situationen funktioniert man einfach", sagt sie. Die Tränen kommen ihr meist erst hinterher hoch, wenn sie die Bilder am Computer bearbeitet.