Sterbehilfe: Das sagen Experten aus Bad Kissingen und Bad Neustadt
Autor: Susanne Will
Bad Kissingen, Mittwoch, 26. Februar 2020
Palliativmediziner und Hospizbegleiter sehen die Entscheidung kritisch. Die Reaktion einer Fränkin, die 2013 ihren Mann zum Sterben in die Schweiz begleitete, ist gänzlich anders.
Auch Schwerkranke im Landkreis äußern den Wunsch, selbstbestimmt sterben zu dürfen. Bei einem Suizid wären viele auf Hilfe angewiesen. Seit 2015 sahen sich Ärzte, Betroffene und Vereine für Sterbehilfe vom Paragrafen 217 bedroht, das Strafgesetzbuch sah Geld- oder Haftstrafen vor. Gestern fiel das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: Die sogenannte geschäftsmäßige Sterbehilfe darf in Deutschland nicht verboten werden. Was sagen Hospizverein oder Palliativstation im Landkreis dazu? Und wie bewertet es eine Frau, die 2013 ihren todkranken Mann bei seinem Suizid in der Schweiz begleitete?
Die sogenannte "Geschäftsmäßige Sterbehilfe" war bislang in Deutschland durch den 2015 erlassenen Paragrafen 217 im Strafgesetzbuch verboten. Geschäftsmäßig heißt in dem Fall aber nicht kommerziell und meint nicht nur Organisationen wie Dignitas, die als Dienstleister gegen Geld beispielsweise in der Schweiz einen Suizid mit einem tödlichen Medikamentencocktail ermöglichen. Unter die geschäftsmäßige, weil wiederholende Sterbehilfe fielen auch Vereine, Organisationen und Ärzte. Sie machten sich strafbar, "wenn ihr Handeln auf Wiederholung angelegt ist", wie auf der Webseite des Bayerischen Rundfunks erklärt wird. Angehörige blieben straffrei, da sie die Handlung "einmalig" begingen.
Freiheit, sich das Leben zu nehmen
Ärzten drohte eine Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Jahren. Doch Karlsruhe ging diese Einschränkung nach Verfassungsklagen von Ärzten, Betroffenen und Vereinen zu weit. Der Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte bei der Urteilsbegründung: Es gibt ein Recht auf selbstbestimmtes Leben. Und das schließe auch die Freiheit ein, sich selbst das Leben zu nehmen und dabei Unterstützung von Vereinen und Ärzten in Anspruch zu nehmen.
Auf Ablehnung stößt das Urteil bei "Palliativo" in Schweinfurt. Veit Oertel, der Geschäftsführer der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung "SAPV Palliativo" in Schweinfurt: "Der Träger unserer Palliativstation ist unter anderem die Kongregation der Schwestern des Erlösers. Wir haben einen Wertekontext, der für unser SAPV-Team gilt. Wir werden uns an Beihilfe zum Suizid nicht beteiligen." Leopoldina-Krankenhaus und Kongregation sind Träger einer Gesellschaft für die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPF) in den Städten und Landkreisen Schweinfurt, Bad Kissingen, Bad Neustadt und Rhön-Grabfeld. Die "Palliativo Main, Saale, Rhön Gmbh" richtet sich an Patienten im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung. Die Betroffenen haben dank Palliativo die Möglichkeit, in ihrem gewohnten Lebensumfeld versorgt zu werden.
Festhalten am Wertekodex
Der Wertekodex, auf den sich Veit Oertel bezieht, hat unter Paragraf 2 folgenden Eintrag: "Palliativo geht respektvoll mit Suizidwünschen um, ohne diese zu verurteilen. Sie bietet aus ihrem lebensbejahenden Ansatz heraus Hilfe beim Sterben an, jedoch nicht Hilfe zum Sterben. Beihilfe zum Suizid lehnt Palliativo entschieden ab."
Freude über das Urteil
Sabine Dittmar, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Maßbach, begrüßt das Urteil . "Ich freue mich sehr, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem heutigen Urteil den Paragrafen 217 im Strafgesetzbuch für nichtig erklärt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat unmissverständlich klar gemacht, dass der Gesetzgeber das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben gemäß Paragraf 2 des Grundgesetzesachten muss", sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion in einer Pressemitteilung.
Sie hat schon 2015 gegen den Gesetzentwurf gestimmt. "Ich war und bin der Meinung, dass der nun gekippte Paragraf die Beihilfe zur Selbsttötung durch den behandelnden Arzt quasi unmöglich gemacht hat." Dadurch wurden schwerst kranke Patienten in der Stunde der Not allein gelassen, sagt Dittmar, die selbst praktische Ärztin ist. "Mit dem heutigen Tag erhalten Patienten und Ärzte Rechtssicherheit."