Stadt Bad Kissingen regelt Außenpräsentation neu
Autor: Ralf Ruppert
Bad Kissingen, Sonntag, 09. Oktober 2016
Die Stadt Bad Kissingen erhebt die weit und breit höchsten Nutzungsgebühren und hat trotzdem strenge Regeln.
Gerade einmal fünf Meter breit ist die Ladenfront von "Bella Cosa" in der Bad Kissinger Ludwigstraße. Jede Menge Ständer mit kreativen Postkarten locken Kunden an, die bunte Außen-Präsentation ist ein echter Hingucker in der Fußgängerzone. Trotzdem muss ein Teil davon bald weg, denn: Der Bauausschuss hat eine neue Genehmigungspraxis für die so genannte Sondernutzung erlassen.
Die sieht unter anderem vor, dass mindestens die Hälfte der Ladenbreite komplett frei bleiben muss. Zudem darf die Präsentation nur noch 1,25 Meter tief sein, bei maximal einem Meter Abstand zur Hauswand.
"Für unsere Existenz wichtig"
"Die Kartenständer draußen sind für unsere Existenz ganz wichtig", sagt Bella-Cosa-Mitinhaberin Korinna Bott, die vom Beschluss der Stadt vollkommen überrascht wurde.
Das Thema wurde zwar schon mehrfach behandelt und mit dem Verein "Pro Bad Kissingen" abgestimmt, bei ihr sei davon aber nie etwas angekommen. Seit elf Jahren hat Bott den Laden in Bad Kissingen. Vor Jahren habe es schon einmal Ärger wegen Öffnungszeiten am Sonntag und der Außen-Präsentation gegeben. Wenn die neue Verordnung jetzt so komme, sei das "ganz schlecht": "Es ist schade, dass es den Geschäftsleuten so schwer gemacht wird", sagt Bott.
Dabei bekomme sie immer wieder die Rückmeldung, wie schön und kreativ ihre Waren vor der Tür präsentiert würden. "Gerade viele Kundinnen suchen genau das, wenn sie an einem Wellness-Wochenende durch die Stadt bummeln."Auch Heiko Grom von Pro Bad Kissingen war überrascht von dem Beschluss. Er dachte, dass wie bisher lediglich die Fläche der Kleider-Ständer oder Wühltische zähle. Grom hatte sich im Vorfeld der Entscheidung dafür eingesetzt, dass die Tiefe der Präsentation von einem auf 1,25 Meter vergrößert wird, weil die meisten Rollständer so lang seien. Zudem hatte Pro Bad Kissingen eindringlich dafür plädiert, die Satzung erst nach der Sanierung der Fußgängerzone zu ändern.
Verblüfft ist Grom jedoch davon, dass die Einzelhändler in Zukunft durchgehend vom ersten bis zum letzten Ständer zahlen sollen. "Bis jetzt haben wir für jeden einzelnen Ständer bezahlt", berichtet er. Deshalb sind vor dem Kaufhaus Grom die Waren über die gesamte Ladenfront verteilt.
Eine Ladenhälfte muss frei bleiben
"Die Sondernutzung betrifft alle Flächen, die dem Allgemeinraum entzogen werden", stellte dagegen Ordnungsamtsleiter Rainer Warzecha in der Sitzung klar.
Auch Bürgermeister Anton Schick (DBK) betonte, dass auch die Zwischenräume von Ständer zu Ständer zählen und die Hälfte der Ladenfront am Stück frei bleiben müsse. "Das würde dazu führen, dass ich alles vor zwei Fenstern zusammenquetsche", zweifelt Grom den Sinn einer solchen Regelung an. Zudem kämen erhebliche Kosten auf die Ladenbesitzer zu: "Unsere Preise sind eh die höchsten", kommentiert er die Nutzungsgebühren in Bad Kissingen.
Zehn Euro je Meter und Monat
Tatsächlich nimmt Bad Kissingen mit 10 Euro pro Quadratmeter und Monat den Spitzenplatz weit und breit ein: Bad Tölz verlangt für die gleiche Fläche 8 Euro, Würzburg 6,50 Euro, Schweinfurt und Bad Reichenhall 5 Euro, Kitzingen 2,50 Euro und Bad Neustadt 2 Euro.
Im Landkreis verlangt sonst nur noch Bad Brückenau Gebühren, aber nur 13 Euro im ganzen Jahr, in Hammelburg und Münnerstadt müssen die Einzelhändler gar nichts zahlen.Zudem gibt es in Hammelburg und Münnerstadt auch keine Größen-Beschränkungen, auch nicht in Bad Tölz, Würzburg und Kitzingen. In Schweinfurt darf ebenfalls nur die halbe Ladenfront zugestellt werden, in Bad Neustadt nur ein Drittel und in Bad Reichenhall sogar nur ein Zehntel. Wie auch in Bad Kissingen dürfen Ständer natürlich nirgends Rettungswege einschränken oder den Verkehr behindern.
Einnahmen: 36 000 Euro im Jahr
Warzecha berichtete, dass die Stadt im Jahr rund 36 000 Euro an Gebühren für die Nutzung öffentlicher
Flächen einnimmt. Der überwiegende Teil stamme vom Einzelhandel, weil Gaststätten lediglich zwei Euro pro Quadratmeter und Monat zahlen und zudem nicht das ganze Jahr über bestuhlen. "Damit haben wir eine klare Regelung", lobte Bürgermeister Schick die Neuordnung. Das Gremium war sich einig, dass diese Regelung in Zukunft aber auch strikt durchgesetzt werden muss. Die Einzelhändler dürften also bald Besuch vom Ordnungsamt bekommen.
"Dass die Realität im Moment anders aussieht, ist klar", sagte Bürgermeister Anton Schick in der Beratung des Bauausschusses zum Thema Waren-Außenpräsentation. Dem Gremium war zudem wichtig, dass die Einzelhändler im Vorfeld eingebunden werden. Deshalb war das Thema in der September-Sitzung sogar von der Tagesordnung genommen worden. "Das ist eine gute Lösung auch für Pro Bad Kissingen", sagte CSU-Stadtrat Klaus Bollwein noch in der Sitzung. "Es ist von uns ja auch gewollt, dass das Schaufenster frei bleibt", begründete auch Ordnungsamtsleiter Rainer Warzecha die Regelung, dass eine Gasse bis zu einem Meter entlang der Fassade frei bleiben kann und die Ständer bis zu 2,25 Meter Außenkante von der Wand weg stehen kann. Bei den Absprachen mit Pro Bad Kissingen gab es auch bereits Einwände wegen des Nutzungsentgeltes: "Die deutlich höheren Gebühren als in vergleichbaren Kommunen sind ein Ärgernis", schrieb etwa Geschäftsmann Ralf Ludewig.
Dazu ein Pro-Kommentar von Ralf Ruppert:
Das Bild muss harmonisch sein
Darf die Stadt den Einzelhändlern vorschreiben, wo welcher Ständer zu stehen hat? Sie darf nicht nur, sie muss es sogar! Natürlich gibt es die Läden, deren Auslage die Fußgängerzone bereichern. Aber es gibt eben auch die Wühltische und Ständer, die kreuz und quer in die Straße ragen. Etliche Geschäftsleute haben zuletzt leider die fehlende Regelung und Kontrolle ausgenutzt. Wären alle sorgsam mit den gestalterischen Freiheiten umgegangen, müsste die Stadt jetzt nicht eingreifen. Natürlich mit dem richtigen Maß musste eine praktikable Lösung her. Ob die nun noch schnell vor der Sanierung der Fußgängerzone nötig war, sei dahingestellt. Das gleiche gilt für Gebühren: Über die genaue Höhe lässt sich zwar streiten, aber der Platz mitten im bekanntesten Kurort Deutschlands ist eben rar und damit wertvoll.
Und das Contra von Benedikt Borst:
Beschluss ist derzeit unnötig
Das Argument, dass verramschte Auslagen das Stadtbild beeinträchtigen, funktioniert nicht. Die Fußgängerzone wartet dringend auf ihre Sanierung. Bis dahin gleicht sie einem Flickenteppich, vom geschlossenen Alten Rathaus bis zum Asphaltband quer durch holpriges Straßenpflaster. Eine harmonische Optik ist erst in Jahren möglich. Die Stadt könnte den Händlern also eine Schonfrist zugestehen. Stattdessen werden die Ladeninhaber weiter belastet, als ob die anstehende Großbaustelle ihnen nicht schon genug Sorgen bereiten würde. Außerdem: Das Rathaus betont sonst immerzu, dass eigene Mitarbeiter zu entlasten sind. Das Ordnungsamt ist personell so knapp besetzt (auch das wird oft betont), dass nicht einmal die Parküberwachung konsequent verfolgt wird. Trotzdem werden neue Aufgaben oben drauf gepackt. Das klingt für mich halbgar.