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Staatsbad Philharmonie erhält Schützenhilfe: "Jeder Bauhofmitarbeiter hat Anspruch auf einen Tarifvertrag"


Autor: Johannes Schlereth

Bad Kissingen, Montag, 27. Sept. 2021

Der Arbeitskampf des Kurorchesters ist noch nicht ausgefochten. Jetzt haben nach Markus Söder auch Musiker eines hochrangigen Orchesters Stellung dazu bezogen: Fast 70 Mitglieder der Nürnberger Philharmoniker stehen Seite an Seite mit ihren Bad Kissinger Kollegen
Vor einigen Tagen zogen die Philharmoniker mit Streikwesten über ihren Fracks und über 100 Unterstützern für eine Demo ins Luitpoldbad.


Fast 70 Unterschriften auf zwei DIN A4 Seiten - was zunächst wenig klingt, hat jedoch Gewicht. Es handelt sich um die Unterschriften von Musikern der Nürnberger Philharmoniker. Sie wollen ihre Bad Kissinger Kollegen im Arbeitskampf unterstützen. Ihre Forderungen haben die Musiker klar in einem Brief an den Kissinger OB Dirk Vogel (SPD) und die Kurdirektorin Sylvie Thormann formuliert. Sie wollen für ihre Kissinger Kollegen nicht nur den Tarifvertrag, sondern auch, dass die Staatsbad GmbH die Kündigungen vom Klarinettisten Federico Kurtz de Griñó und der Flötistin Hazar Birkan zurücknehmen. Letztere ist ein ehemaliges Mitglied des Nürnberger Ensembles.

Bad Kissingen: Schützenhilfe aus Nürnberg

Koordiniert hat den Brief der Violinist Sebastian Rocholl. "Es gibt mehrere Gründe dafür", sagt er. "Es ist zum einen die Tatsache, wie die Verhältnisse in Bad Kissingen sind. Die sind nicht akzeptabel und sehr weit entfernt von dem, was ein normales Orchester zu leisten hat." Und: "Außerdem hat es uns berührt, weil eine ehemalige Kollegin - Hazar Birkan - betroffen ist." Die Bayerische Staatsbad GmbH Bad Kissingen hatte sie und den Klarinettisten Federico Kurtz de Griñó entlassen. Burghard Toelke, der Chef der Bad Kissinger Philharmoniker, sagte, dass die Kündigungen nicht fachlich begründet gewesen seien. Davon, dass es beispielsweise bei Hazar Birkan nicht an der Qualität gelegen hat, ist auch Sebastian Rocholl überzeugt. Im Telefonat mit dieser Redaktion lobte er das Können der Flötistin. Der Violinist weiß, wovon er spricht: Er teilte für knapp zwei Jahre die Bühne mit der Hazar Birkan.

Erfahren vom Arbeitskampf seiner Kissinger Kollegen hat er erst vor knapp zwei Wochen. Seine Mitmusiker und er waren sich einig: "Eigentlich müsste man Stellung beziehen." In Folge nahm er Kontakt nach Bad Kissingen auf. "Wir haben dann darüber gesprochen, dass wir helfen wollen, aber den Kollegen in Bad Kissingen auch nicht ins Bein schießen wollen." Aus Bad Kissingen sei ein eindeutiger Hilferuf gekommen. Die Stundenanzahl und Auftrittmenge entsprächen in keiner Weise dem, was ein Orchester leisten kann und soll. Im Brief wird das deutlich. "Wir fordern Frau Thormann zur umgehenden Aufnahme von Tarifgesprächen auf."

Kritik am Vorschlag

Stadt und Staatsbad möchten jedoch einen anderen Weg einschlagen. Ines Hartmann, von der bayerischen Staatsbad Bad Kissingen GmbH teilte auf Anfrage mit: "Oberbürgermeister Dr. Dirk Vogel hatte bereits in der Mitteilung vom 22.09.2021 gesagt: "Eine Arbeitszeit von 30 Stunden, davon 13 Stunden Konzert und ein Gehalt angelehnt an den Tarifen ähnlich der kommunalen Musikschullehrer oder auch dem Bundespolizeiorchester: Das ist ein faires und sorgsam austariertes Maßnahmenpaket, das den Wünschen der Musikerinnen und Musikern sehr weit entgegen kommt." Außerdem soll es Entlastungen im organisatorischen Bereich geben.

Mitglied der Nürnberger Philharmoniker: Der Vergleich mit den Musikschullehrern hinkt

Für Sebastian Rocholl ist klar: Der vom OB stets gezogene Vergleich mit Musikschullehrern hinkt. Hier spricht er aus eigener Erfahrung, ist er doch ebenfalls in der Lehre tätig. "Ich glaube beurteilen zu können, dass es eine andere Herausforderung ist. Bei Auftritten ist es eine riesige nervliche Belastung. In einem kleineren Ensemble ist jeder hörbar." Außerdem habe der Körper Grenzen. "Das unterschätzen viele", macht er deutlich. Bei Bläsern ist ein Schwerpunkt der Ansatz am Instrument - verantwortlich dafür sind verschiedene Muskelgruppen. Den Beruf als Musikschullehrer möchte er nicht abwerten. Allerdings: "Zu verneinen, dass ein Orchestermusiker eine andere Belastung als ein Lehrer hat, zeugt von Sachunkenntnis."

Musiker sieht Not der Stadt

Verständnis für die Situation der Stadt hat er dennoch. "Ich bin selbst kommunalpolitisch aktiv und weiß daher um die Nöte - etwa in finanzieller Sicht. Ich verstehe auch, dass man nicht alle Wünsche erfüllen kann." Aber: "Jeder Bauhofmitarbeiter hat Anspruch auf einen Tarifvertrag, und das den Orchestermusikern zu verwehren ist empörend."

Das gelte gerade mit Blick auf den Welterbe-Titel, der die Staatsbad GmbH verpflichte, das Engagement angemessen zu honorieren. "Die Philharmoniker sind für den Titel ja auch mitverantwortlich." Stadt und Staatsbad erklären in einer schriftlichen Stellungnahme: "Mittlerweile liegt ein aus Sicht der Stadt und der Bayer. Staatsbad Bad Kissingen GmbH in Abstimmung mit dem Freistaat Bayern sehr faires Maßnahmepaket auf dem Tisch. Das sind Bedingungen, die sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Krisenzeiten insbesondere in der Kulturbranche wünschen würden."

Dass keine Gespräche zwischen Stadt und der Gewerkschaft stattfinden, schockiert ihn. Im Brief steht: "Die hartnäckige Verweigerungshaltung und das intransparente Vorgehen der Geschäftsführerin...sind inakzeptabel." Sebastian Rocholl meint: "Man kann unterschiedlicher Meinung sein und das Thema schrittweise angehen. Rom ist schließlich auch nicht an einem Tag gebaut worden. Es braucht seine Zeit. Aber um Gottes Willen: Miteinander zu sprechen, ist doch das Minimum." Die Staatsbad möchte hier einen anderen Weg einschlagen. Angedacht sind individuelle Gespräche mit den Musikern, die laut Ines Hartmann in dieser Woche stattfinden sollen. Die Gewerkschaft der Philharmoniker stellte dagegen mehrfach klar, dass die Verhandlungen über sie laufen sollten.

Hoffen auf einen Impuls

Ob die Unterschriftenaktion von Sebastian Rocholl Wirkung haben wird, weiß er noch nicht. Er meint: "Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Gibt es die nämlich nicht, dann fühlt man sich unendlich hilflos." Er wirbt für Verständnis: "Manchmal ist das der einzige Weg, um ins Gespräch zu kommen." Er meint: "Mit dem Brief werden wir vielleicht nicht die Welt retten, aber vielleicht geben wir der Thematik damit einen kleinen Stups, dass es zu Verhandlungen kommt."