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Sprung vom Zehner ohne TÜV


Autor: Benedikt Borst

Bad Kissingen, Mittwoch, 13. August 2014

Wo Kinder und Jugendliche sich aus zehn Metern vom Sprungturm ins Wasser stürzen, muss für Sicherheit gesorgt werden. Wie geht das ohne TÜV?
Tim (hinten von links), Nicolas, Jan, Andreas, Jan und Paul stehen für den Absprung bereit auf der Fünf-Meter-Plattform. Vorne sind bereits zwei Jungen auf dem Weg ins Wasser. Fotos: Benedikt Borst


Der Springer hat die Wahl. Aus zehn, fünf, drei und einem Meter Höhe kann er von dem Sprungturm im Bad Kissinger Terrassenschwimmbad ins Wasser springen. Die Schüler Tim, Paul, Nicolas, Andreas und die beiden Jans haben sich natürlich längst entscheiden. Sobald die Badeaufsicht die Fünf- und Zehn-Meter-Plattform freigibt, klettern sie hinauf und nehmen auf dem glitschigen Boden meterlang Anlauf, um sich in langen Sätzen hinunter zu stürzen.



1954 wurde die Sprunganlage gebaut, 1989 saniert. Das Kuriose: Im Gegensatz etwa zur großen Wasserrutsche am Aktionsbecken wurde der Sprungturm in 60 Jahren nie vom TÜV abgenommen. Warum? "Für den Zehn-Meter-Turm gibt es keinen TÜV", sagt Betriebsleiter Roland Bühner. Der TÜV prüft ein Schwimmbad nicht als komplette Anlage, sondern einzelne Aspekte, wie eben Rutschen.

So sicher wie vor 60 Jahren

"Das spielt für die Sicherheit eines Bades allerdings keine Rolle", beruhigt Michael Weilandt von der Deutschen Gesellschaft für Badewesen. Zwei Richtlinien legen die Sicherheitsaspekte fest, nach denen eine Sprunganlage gebaut wird: Die europäische Norm "DIN-EN 13451-10" und die "Richtlinien für Bäderbau" vom Koordinierungskreis Bäder. Bis auf wenige Änderungen etwa im Bezug auf die Geländerform und die Wassertiefe, sind die Bestimmung aktuell. "Ein Drei-Meter-Brett sieht heute noch genauso aus, wie vor 60 Jahren", sagt Weilandt.
Immer wieder schrecken Medienberichte über Badeunfälle auf. In einem Nürnberger Freibad etwa hat ein Turmspringer vor kurzem einen zwölfjährigen Jungen getroffen und ihn so schwer verletzt, dass der Junge reanimiert werden musste.

Wie also wird die Sicherheit gewährleistet? Edgar Beck, Betriebsleiter des Saaletalbades in Hammelburg, betreut die zweite große Sprunganlage im Landkreis. "Wir müssen täglich kontrollieren, dass alles sicher ist", sagt er. Haben sich Tritte gelöst, sind die Geländer fest?

Im Terrassenschwimmbad wird der Turm zwei Mal im Monat unter die Lupe genommen. Zusätzlich kommt jährlich der Kundendienst und überprüft den Zustand, sagt Roland Bühner. "Dass etwa die Sprungbretter gut gewartet sind, liegt schon im eigenen Interesse", sagt er. Ungeachtet er Sicherheitsaspekte kommt es teuer, ein defektes Brett vollständig zu ersetzen.

Springer gleich Schwimmer

Ansonsten gilt: Der Turm öffnet nur unter Aufsicht. Bei kleinen Kindern müssen Aufsichtspersonen dabei sein. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht, springen darf jeder, der schwimmen kann. "Das regelt sich automatisch, weil sich die Kleinen nicht trauen", meint Bühner. In Hammelburg dürfen nur vier Personen gleichzeitig auf eine Plattform hoch. " Ich denke nicht, dass der Sprungturm ein spezieller Gefahrenpunkt ist", sagt Edgar Beck. Unglücke wie das in Nürnberg seien Extremfälle. Verletzungen gebe es zwar hin und wieder, in der Regel seien sie aber weniger schwerwiegend.