Wie Hammelburgs Trainer aus Verlierern Gewinner macht
Autor: Jürgen Schmitt
Hammelburg, Sonntag, 22. November 2020
Cornel Closca erklärt, warum er mit der Niederlage in Dresden gut leben kann.
VC Dresden - Hammelburg Volleys 3:2 (25:17, 14:25, 23:25, 25:21, 15:12).
Tiebreak-Niederlagen gegen Freiburg und jetzt gegen Dresden, das von acht Spielen gerade mal zwei gewonnen hatte. Gegen Teams also, die in der Tabelle recht deutlich hinter den Hammelburgern platziert sind. Das mag einerseits für eine gewisse Ausgeglichenheit der Liga sprechen, die zweifelsohne zu konstatieren ist. Andererseits gibt es schon einen gewissen Anspruch von Seiten der Saalestädter. Die Closca-Truppe hat ja Qualität, und sollte einen Gegner von der Dresdner Kragenweite beherrschen können. So wie im zweiten Satz, in dem die Sachsen der Spielfreude der Saalestädter nichts entgegenzusetzen hatten. Aber bereits der Prolog des Spiels passte nicht zur Geschichte, die die Unterfranken an der Elbe hatten schreiben wollen. Denn da waren die Gastgeber, als Aufsteiger in die 2. Liga gerutscht, die Helden. Der Favorit schien dennoch auf Kurs, weil auch der dritte Satz an die Hammelburger ging - wenngleich äußerst knapp. Erst die Angabenserie von Lorenz Karlitzek zum 17:17 hatte den Wendepunkt bedeutet gegen nie aufsteckende Dresdner.
Mit dem finalen Block von Oscar Benner war den Saalestädtern also ein Punkt sicher, doch von Selbstvertrauen kaum eine Spur. Klar, die Dresdner spielten nicht schlecht, punkteten aber auch deswegen verlässlich, weil sich ihr Kontrahent zu oft selbst im Weg stand mit leichten Fehlern und schwachen Angaben. Ein kleiner Vorsprung genügte den Elbstädtern, um Satz vier und fünf und damit zwei Punkte nach 110 Minuten an sich zu reißen. "Eigentlich war das gar kein so schlechtes Spiel von uns. Natürlich sind wir nicht glücklich darüber, dass wir im Tiebreak verloren haben. Nach 2:1-Führung hätten wir das Spiel zumachen müssen, waren aber Ende des vierten Durchgangs zu unkonzentriert. Wie im gesamten Spiel, haben die Dresdner unglaublich gut geblockt, sodass wir im Angriff kaum durchkamen", bilanzierte Kapitän Oscar Benner.
Der tiefere Blick
So schaut der Spielbericht des objektiven Beobachters aus. Alles so gesehen und passiert. Und dennoch fehlt eine entscheidende Ebene, fehlen Innenansichten, die wiederum eine andere Perspektive ergeben. Um 13 Uhr hatten sich die Hammelburger ins 370 Kilometer entfernte Dresden aufgemacht, um fünf Stunden später im Volleydome Bürgerwiesen anzukommen. Mit müden Gliedern. "Das ist für die großen Spieler natürlich schwierig. Und dann gibt es aufgrund der Corona-Auflagen nicht mal die Möglichkeit, einen Kaffee zur Entspannung vor dem Spiel zu trinken. Das alles hat schon eine Rolle gespielt", schaut Trainer Cornel Closca zurück. Um gleichfalls anzuerkennen, "dass die Dresdner im ersten Satz super clever gespielt haben und bei uns über die Mitte wenig gelaufen ist und der Aufschlag schlecht kam."
Nach Luca Dierks (Fußbruch) musste Closca auch auf den angeschlagenen Moritz Zeitler verzichten. Und er wechselte früh seinen Zuspieler: Für Laurentiu Vinatoru kam Hannes Krochmann. "Im zweiten Satz haben wir über bessere Aufschläge mehr Druck aufgebaut, haben clever, diszipliniert und mit der nötigen Geduld gespielt. Wir können einen Gegner auch mal komplett zerlegen, aber ein solches Niveau nicht über ein komplettes Spiel halten", sagt Closca. Bis zur Mitte des dritten Satzes passte die Leistung der Hammelburger, ehe sich wieder die Aufschlag-Fehler häuften.
Den Reset-Knopf gedrückt
"Im zweiten Satz haben wir einfach den Reset-Knopf gedrückt und mit komplett positiver Stimmung das Spiel erstmal übernommen und dadurch die Dresdener komplett überrascht. Ab dem dritten Satz war es dann ein offenes Spiel, das hat man auch am Ergebnis gesehen", analysierte Hannes Krochmann. Von typischen Schwankungen einer jungen Mannschaft sprach der Hammelburger Trainer, der inzwischen auch auf der Libero-Position eine Änderung vorgenommen hatte. Weil Aaron Dettmer in der Annahme wackelte, bekam mit Lukas Baden ein weiterer Youngster seine Bewährungs-Chance - die das Hammelburger Eigengewächs nutzen sollte. "Respekt, das war eine starke Leistung von Lukas. Genauso angetan war ich aber von der Reaktion von Aaron, der sich nämlich für seinen Kollegen mitgefreut hat."
Dass es nur der eine Punkt wurde, lag für Cornel Closca auch an der starken Leistung des Gegners, der seine Größenvorteile gekonnt einsetzte und Hammelburger Schwächen listig nutzte. Der zum Beispiel erkannte, dass Hannes Krochmann zu oft die Bälle auf seine Außenangreifer Lorenz Karlitzek und Oscar Benner stellte. Weil Überraschungs-Momente fehlten, konnte sich der VC- Block entsprechend positionieren. "Die Dresdner werden noch einige Teams überraschen. Das sind Talente mit einer beeindruckenden Athletik, die von Spiel zu Spiel wachsen", so Closca.
Unter den Top-5 wollen sich die Hammelburger in dieser so komplizierten Corona-Saison halten, auch wenn auf die Unterstützung der eigenen Fans wohl noch einige Zeit verzichtet werden muss. "Umso wichtiger ist es, gesund zu bleiben und den Spaß nicht zu verlieren. Dann sind wir alle Gewinner", sagt Closca. Um 3 Uhr in der Früh war die Hammelburger Delegation zurück in der Heimat. Mit nur einem Punkt im Gepäck, aber vielen positiven Begleitumständen. Fünfter in der Tabelle sind die Saalestädter übrigens auch noch.