Wie der FC St. Pauli seine Rabauken erzieht
Autor: Jürgen Schmitt
, Dienstag, 11. Sept. 2012
Rabauken mit guten Manieren. Kein Widerspruch. Zumindest nicht in der Fußballschule des FC St. Pauli. Der Fußball-Zweitligist kokettiert gerne mit seinem Piraten-Image mit dem Totenkopf als Symbol. Und zur "Marke" FC St. Pauli gehören auch die mehrtägigen Camps für Kinder und Jugendliche.
"Es geht hier nicht um Gewinnen oder Verlieren", ruft Guido Krenzk den Kickern während einer Übung zu. Der 32-Jährige leitet gemeinsam mit Bilal Afrane die vom FC 06 Bad Kissingen initiierte Fußball-Schule im Sportpark. Fünf Tage dauert das Trainings-Camp mit zwei Einheiten pro Tag, unterbrochen von einer Mittagspause. Zum Rundumpaket gehört die Verpflegung ebenso wie eine St.-Pauli-Ausrüstung.
Braun tragen daher die 20 Kinder, samt Rückennummer, Vereinswappen und eigenem Namen. Wie Profis eben. Natürlich wird viel gelacht. Aber die beiden festangestellten Übungsleiter scheuen auch nicht den strengen Ton. Zur intensiven Beschäftigung mit dem Nachwuchs gehört nicht nur das Abarbeiten von Übungen. "Der Pass war grütze", kritisiert Krenzk, fordert Konzentration. Und verlangt im nächsten Augenblick eine Entschuldigung von einem etwas zu vorlauten Jungen. Wer sich daneben benimmt, muss seinen Fehler erkennen. Oder eine Übung aussetzen. "Natürlich geht es hier um Spaß. Die Teilnehmer sollen fußballerisch weiterkommen. Aber wir wollen auch unsere Vereinskultur vermitteln, zu der Toleranz, Fairness und Teamgeist gehören", sagt Krenzk. Und nennt spontan Marius Ebbers als Vorbild. Der Stürmer des FC St. Pauli hatte im April dieses Jahres gegen Union Berlin kurz vor Spielende das vermeintliche 2:1 erzielt, aber bereitwillig ein Handspiel zugegeben. Das Fairplay wurde sogar spontan belohnt, weil die Hamburger in der Nachspielzeit doch noch gewannen.
Der gelernte Erzieher kommt aus der Fanszene des Kultclubs und ist seit eineinhalb Jahren fest angestellt. "Das ist nicht nur ein Job, sondern auch Berufung", findet der ehemalige Landesliga-Kicker, der im Jahr etwa 20 Camps leitet und auch schon die U-16 trainiert hat. Für die Fußballschule des FC St. Pauli arbeiten etwa 25 Trainer, die zu zwei Dritteln im vereinseigenen Nachwuchsleistungszentrum beschäftigt sind. Zu den Heim-Camps am Millerntor kommen teils über 100 Kinder, die von bis zu zehn Übungsleitern betreut werden. "Die idelale Gruppengröße sind zehn bis 15 Kinder", sagt Krenzk. Und lobt die gute Betreuung in der Kurstadt. "Vom FC 06 ist immer ein Ansprechpartner vor Ort. Wir haben eine Stadtführung bekommen und waren auch schon in der hiesigen St.-Pauli-Kneipe."
Ein Angebot zum Wasserski-Fahren in Thulba hatte nach Feierabend spontan Bilal Afrane angenommen. Der 33-Jährige kann gut damit leben, immer wieder auf eine gewisse Ähnlichkeit mit Gerald Asamoah angesprochen zu werden, der ebenso aus Ghana stammt wie die Eltern des in Hamburg geborenen Bilal. "Heute legen wir bei den Übungen mehr Wert auf Teambildung. Der Kopf einiger Spieler ist doch etwas müde, und da steigt die Verletzungsgefahr", erklärt der gelernte Sport- und Fitnesskaufmann, der seine Ausbildung ausgerechnet beim Stadtrivalen HSV gemacht hat und aktuell die U-11 des FC St. Pauli trainiert. Der gute Draht der Trainer zu den Rabauken ist offensichtlich. Es wird viel kommuniziert. Was auch nötig ist angesichts der anspruchsvollen und kreativen Übungen. Spiel-Intelligenz fordert eben Geist und Körper.