Druckartikel: Wie aus Ablehnung echte Zuneigung wurde

Wie aus Ablehnung echte Zuneigung wurde


Autor: Daniel Wiener

, Freitag, 01. Juli 2011

Der TSV Rothhausen/Thundorf ist der beste Beweis, wie gut eine Fusion funktionieren und auch Früchte tragen kann.
Nach dem Abpfiff kannte der Jubel keine Grenzen bei den Fußballern des TSV Rothhausen/Thundorf.


Ein Sieg heute bei der dritten Mannschaft des TSV Aubstadt und dem TSV Rothhausen/Thundorf ist die Meisterschaft in der B-Klasse Rhön 4 nicht mehr zu nehmen. "Wie lang ist denn noch?", fragt Heribert Klöffel in die Runde. 18 Minuten sind da noch zu spielen im Milzgrund. "Dann warten wir halt noch a weng!" Vorsorglich hat der Sportdirektor ein 30-Liter-Faß Bier und eine Kiste mit Meisterschafts-T-Shirts in seinen Kofferraum geladen, die es nun in Position zu bringen gilt.
Der 4:1-Vorsprung erscheint ihm dennoch nicht sicher genug. "Schalke war auch mal für vier Minuten Meister." Die Auswechselspieler hält es zu diesem Zeitpunkt kaum noch auf der Bank. Als wenig später das 5:1 fällt, läuft Klöffel strammen Schrittes zum Auto. Dirk Böhm muss mit anpacken. Das Faß geschultert, geht es mit Bierkrügen und den Shirts an den Spielfeldrand.

Nach dem Schlusspfiff folgt das allerorten übliche Szenario: Sekt spritzt, Trainer Thomas Dietz muss die Bierdusche über sich ergehen lassen und Haare werden in Eigenregie gegenseitig geschnitten. Die anschließende spontane Meisterschaftsfeier im Sportheim des SV Rothhausen endet erst in den Morgenstunden.
Da stört es wenig, dass die T-Shirts eigentlich falsch bedruckt wurden. "Aufsteiger" statt "Meister" steht auf den Textilien. Was einerseits zwar vollkommen richtig ist, was anderseits aber eben auch für den Vizemeister hätte gelten können. Das sei eben in der Hektik passiert, entschuldigt sich der Sportdirektor, denn auf die Schnelle war es nicht so einfach, überhaupt noch T-Shirts zu bekommen. Alle in der Einheitsgröße "L" - bis auf zwei. Die in Größe XXL sind den etwas beleibteren Betreuern Hugo Braun und Helmut Rottmann vorbehalten.
Der historische Tag ist inzwischen Geschichte. Hat aber gezeigt, wie engagiert und akribisch Heribert Klöffel zum 2007 gegründeten Verein steht. Der Thundorfer ist das verbindende Glied zwischen den einst stark rivalisierenden Vereinen. Die erste Herrenmannschaft, die der selbstständige Schreinermeister mit einem Satz Trikots ausstattete, war ausgerechnet der SV Rothhausen. Der spielte damals noch Kreisklasse. Mit den Rothhäusern teilte der 50-Jährige schon länger das Angeln als Hobby und im Nachbarort hatte er in der Schreinerei Wiener auch seinen Beruf erlernt. Aber auch viele Fans des 1. FC Nürnberg aus Rothhausen hatten sich inzwischen dem Thundorfer Fanclub angeschlossen, dem Heribert Klöffel als Präsident vorsteht.
Heute ist Heribert Klöffels Sohn eine der großen Stützen im Team. "Matthias ist schnell und hat einen gewaltigen Schuss", hat sein Vater erkannt. "Als gelernter Verteidiger hat er aber manchmal mit technischen Defiziten zu kämpfen, wenn es vorne eng wird", schränkt das kritische Familien-Oberhaupt zwar ein, doch im steten Dialog mit Trainer Thomas Dietz glaubt er diese Schwächen noch beheben zu können.
Das wäre auch dem Trainer wichtig. "Matthias hat sich zu einem echten Führungsspieler entwickelt", ordnet Thomas Dietz den Stellenwert von Matthias Klöffel hoch ein. Zusammen mit Christian Beck bildet er eine stabile Achse im Mittelfeld, an der nur schwer vorbei zu kommen ist. Und mit Michael Weigand, Christoph Bieber und Daniel Elflein wissen die Mittelfeld-Strategen um beinharte Kämpfer, die ihnen den Rücken auch mal frei halten, wenn es nicht schnell genug zurück gehen kann. Klöffel und Beck ordnen sich aber auch unter, wenn Markus Röß das Kommando gibt.
Mit dem Rückkehrer von Kreisligist TSV Aidhausen hat sich die Erfolgswelle erst in Gang gesetzt. Durch dessen ordnende Hand war es erst möglich geworden, die Strategie von Trainer Thomas Dietz auf dem Feld - zumindest ansatzweise - umzusetzen. Fabian Wiener hat sich in dieser Zeit auch zu einem treffsicheren Torjäger entwickelt, der seine frühere Leichtfertigkeit weitgehend abgelegt hat. Mit André Schmitt und Lukas Englert weiß der TSV außerdem um zwei Nachwuchsstürmer, die eine große Karriere vor sich haben könnten.
Aufgrund seines Studiums kann André Göbel nicht immer dabei sein. "Wenn er aber da ist, ist mir um einiges wohler", sagt Heribert Klöffel. Immerhin lieferte sich André Göbel mit Fabian Wiener ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen um die interne Torjägerkanone. Am Ende hatte der Spielführer mit 20 Treffern knapp das Nachsehen. Göbel lochte 21 mal ein. Der Grundstein für die recht ordentliche Torausbeute wurde schon am ersten Spieltag gelegt. Beim 16:0 gegen Oberlauringen wurde der höchste Saisonsieg gefeiert und Göbel legte schon da mit sieben Treffern einen Torvorrat an, den ihm Wiener nicht mehr nehmen konnte.
Als rustikaler Turm in der Abwehr hat sich hingegen Holger Krug mit seiner großen Routine etabliert. Der Mann mit der Lockenmähne darf hin und wieder auch Freistöße in des Gegners Maschen zementieren. Trainer Thomas Dietz ist von seiner ursprünglichen Überlegung, mit einer Viererabwehrkette zu spielen, schon in der Vorsaison wieder abgerückt. "Zu riskant!" Wenn nicht immer alle Spieler zum Training gleichzeitig da sind, sei das schwer einzustudieren. Dies umso mehr, weil in der Torwartfrage lange Unsicherheit herrschte. Der eigentlich als Stammkeeper vorgesehene Dominik Scheuring erlaubte sich einige Fehlgriffe. Sascha Rehfeld war nicht der trainingseifrigste, sollte sich aber als in der Summe zuverlässiger heraus stellen. Beim vorentscheidenden 4:1-Erfolg gegen den schärfsten Rivalen FC Eibstadt hatte er fünf Spieltage vor Schluss maßgeblichen Anteil, dass vor allem in der Anfangsphase nicht anbrannte.
Froh ist der Coach aber auch über seine ausgeglichene Wechselbank. "Ich habe da viele Möglichkeiten und kann wechseln, ohne das Team zu schwächen." Matthias Beck etwa ist vielfältig einsetzbar, wurde aber immer wieder durch Verletzungen zurück geworfen. Drang nach vorne können freilich auch Matthias Bretscher, Luigi Andreioulo und Patrick Weimann entwickeln, Benjamin Göbel oder Daniel Bretscher die Lücken nach hinten schließen.
Jetzt wird der Blick schon wieder nach vorne gerichtet. Der Überschwang der Meisterfeier ist verklungen. Das Team wird kein Spieler verlassen. Zwei Rückkehrer von anderen Vereinen werden derzeit hoch gehandelt. Mit ihnen würde die Erwartungshaltung in der A-Klasse gewaltig steigen, weiß auch Thomas Dietz, der den Ball flach hält. "Natürlich wollen wir die Abstiegsränge weit hinter uns lassen, alles weitere sieht man dann von Spiel zu Spiel." Der Verein möchte die zurzeit recht erfolgreichen U-17-Junioren, die unter anderem den Landräte-Pokal im Fußballkreis Rhön gewannen, und die U-15 Junioren auf jeden Fall in eine Herrenmannschaft entlassen, die nicht in der niedrigsten Klasse kickt.
Heribert Klöffel will sich auch weiterhin engagieren, weil für ihn diese Spielgemeinschaft ein wichtiger Beitrag zur Attraktivität im ländlichen Raum ist. Seine Heimat also, in der er aufgewachsen ist und einen Betrieb gegründet hat, der fünf Mitarbeiter beschäftigt. Wenn es nach ihm geht, würde er gerne noch ein paar Meisterfeiern miterleben. An 30 Litern Bier und Meistershirts soll es dann nicht liegen ...