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Braveheart Battle 2016: Der Extremlauf im Selbsttest


Autor: Jürgen Schmitt

Bischofsheim an der Rhön, Mittwoch, 09. März 2016

Was stellt ein Extremlauf wie der "Braveheart Battle"-Lauf mit dem Körper an? Ein Selbsttest.
Die größte Herausforderung beim Selbsttest von Markus Klein (vorne) und Jürgen Schmitt war der Marsch durch die Brend. Foto: Carmen Schmitt


Die Bravehearts stehen für verrückte Outfits. Die nicht darüber hinwegtäuschen, dass da am Körper mitunter ordentlich Hightech klebt. Funktionsunterwäsche, Neopren-Handschuhe und dergleichen. Das wird am Samstag beim Extremlauf in und um Bischofsheim nicht anders sein. Auch wir hatten unsere Ausrüstung aufgepimpt: mit Pulsuhr und Oberarm-Blutdruckmessgerät. Wir wollten es wissen, herausfinden, wie sich extreme Belastungen anfühlen. Was im Körper passiert, wenn die Kurzatmigkeit einsetzt und die Schweißdrüsen auf Anschlag arbeiten.


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Drei Aufgaben hatten wir uns gestellt: im mittleren Lauftempo hoch zur Osterburg, danach die Kreuzbergschanzen nahe Haselbach rauf, ehe es abschließend bei schneidiger Kälte durch die Brend in Bischofsheim ging. Für die medizinische Analyse stellte sich Dr. med. Matthias Haase zur Verfügung. Der Facharzt für Orthopädie mit Praxis in Bad Kissingen ist selbst dem Sport verbunden mit einer Halbmarathon-Bestzeit von 1:40,29 Stunden. "Höhenmeter sind das eine, Rhythmuswechsel an den Hindernissen mit Anforderungen an Körperkontrolle, Geschicklichkeit und mit reinen Kraftelementen sowie zu verkraftenden Temperaturwechsel sind das andere", sagt der 45-Jährige über das BraveheartBattle. Und: "Sicherlich steht neben der Verletzungsgefahr auch die Gefahr der Überforderung und Überlastung im Raum. Hier gibt es Gruppenzwang und Gruppendynamik bei der Anmeldung genauso wie beim Wettkampf selbst. Darüber sollte man sich vorher klar sein, damit es ein Erfolg werden kann", erzählt der Mediziner.


Den Ruhepuls schnell verdoppelt

Bereits der knapp ein Kilometer lange Fußmarsch zur Osterburg brachte den Puls in Bewegung, erst recht nach unserer Temposteigerung. Das alles quasi ohne Aufwärmtraining. Mein kurz zuvor im Auto gemessener Ruhepuls betrug "78", noch vor dem Erreichen der Osterburg las ich auf meiner Pulsuhr die "161" ab - mein Höchstwert an diesem Tag. Etwas warmgelaufen, pendelte sich der Wert zwischen 140 und 150 ein. Erstaunlich auch, wie schnell der Wert in einer kurzen Pause wieder sank. Bei meinem Kollegen Markus Klein hatten wir etwa eine Minute nach der Belastung eine "99" gemessen (bei einem Ruhepuls von 71). Dafür gibt es ein Lob von Dr. Haase. "Ein trainierter Ausdauersportler kann nach Beendigung seiner Anstrengung nach einer Minute wieder einen Puls von 120 oder niedriger erreichen. Er ist also für eine schnelle Anpassung des Pulsschlages nach oben nach Beginn der Anstrengung und nach unten nach Beendigung der Anstrengung trainiert."


Der Kreislauf kommt in Fahrt

Ähnliche Werte sollten unsere kleinen Sprint-Einheiten die Kreuzbergschanze hoch offenbaren. Anstrengend einerseits, weil der Hang extrem steil ist und die schmalen Stufen einen festen Schritt erschweren, zumal auf Schnee. Andererseits fühlte sich das gar nicht so schlecht an, weil der Kreislauf in Fahrt gekommen war und der Spaßfaktor tatsächlich stieg bei uns, die wir durchaus sportaffin sind. Dass so ein Lauf ohne Training nicht durchzustehen ist, wurde uns spätestens hier klar. Beim Blick auf die mit vielen Hindernissen und Höhenmetern gespickten 30 Kilometer kommt auch Dr. Matthias Haase zu einem klaren Urteil. "Zur Bewältigung dieser Strapaze braucht es eine regelmäßige und gezielte Vorbereitung, ähnlich einem Plan für einen Marathon mit einer Vorlaufzeit von mindestens 16 Wochen. Eher länger, wenn man ungeübt ist. Dazu einen Trainingsplan, gezieltes Ergänzungstraining (Rumpfmuskulatur, Schnellkraft, Lauf-Abc) und eine ärztliche Freigabe, damit man es aus sportmedizinischer Sicht empfehlen kann."


Kälte schmerzt

Der finale Fußmarsch durch die Brend dauerte nur eine Minute, sollte aber für uns das extreme Highlight an diesem windig-kalten Vormittag sein mit Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt. Schnell schmerzten die unterkühlten Füße. Ganzkörperdurchweicht weiterlaufen zu müssen, ist eine Herausforderung auch für die Psyche. "Eigentlich unvorstellbar, was hier Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und Serotonin alles bewirken können", sagt Dr. Matthias Haase über die Botenstoffe des Gehirns und "Glückshormone".


"Runners High"

Der Familienvater spricht vom sogenanntem "Flow" oder "Runners High", wenn alles gleichmäßig fließt und quasi von allein zu laufen scheint. "Einen speziellen Tipp für den Umgang mit durchnässter kalter Kleidung nach dem Durchwaten eines kalten Wasserhindernisses habe ich nicht. Das ist eigentlich ungünstig und muss wohl einfach ausgehalten werden. Umziehen auf der Strecke kommt wohl nicht in Frage", sagt der Sportmediziner. Bravehearts kämpfen sich durch. Wir hatten uns auch durchgekämpft: zum warmen Auto und zu trockenen Klamotten .


Scheußlich war nur das Tauchen im eiskalten Wasser - Ein Interview

Verena Rappert ist Ärztin. Und hat vor zwei Jahren in Münnerstadt selbst am BraveheartBattle teilgenommen. Die 33-jährige Dermatologin weiß also aus eigener Erfahrung um mögliche gesundheitliche Risiken. Das Fazit der Erlangerin dem Extremlauf gegenüber ist durchaus positiv.

Welche Erinnerungen sind geblieben vom BraveheartBattle 2014?
Das war ein einmaliges Erlebnis. Sowohl in sportlicher Hinsicht als auch, was Ambiente und Teamgeist betrifft: Ich habe noch nie bei einem Wettkampf ein so kollegiales und hilfsbereites Miteinander erlebt. An manchen Hindernissen ist man einfach auf Hilfe angewiesen. Trotz der Anstrengung hatte offensichtlich jeder Spaß. Das war eine ganz besondere Stimmung, es war großartig.

Mussten Sie Ihren Medizinerverstand ausschalten?
Überhaupt nicht! Ich finde im Nachhinein diesen Lauf medizinisch gesehen wesentlich unbedenklicher als zum Beispiel einen Marathon. Es geht über Stock und Stein, über Wiesen und Felder, man läuft kaum über Asphalt. Um seine Gelenke muss man sich also wenig sorgen. Was mir als wirklich scheußlich in Erinnerung geblieben ist, war das Tauchen durch das eiskalte Wasser. Man watet zunächst bis zur Brust durch den Fluss, der gefühlte vier Grad hatte. Irgendwann musste man schwimmen und tauchen. Hinterher sind wir bibbernd und mit blauen Lippen aus dem Wasser gekrochen. Das kann nicht gesund sein. Erstaunlicherweise hat sich aus unserer Gruppe keiner erkältet.

Kann man aus medizinischer Sicht so einen Lauf empfehlen?
Wenn man regelmäßig und vielleicht nicht nur bei strahlendem Sonnenschein joggen geht, auch mal im Wald und ein paar Steigungen hoch läuft, ist der Lauf medizinisch nicht bedenklich. Dass bei so viel kaltem Wasser im Nachhinein eine Erkältung droht oder man sich beim Laufen auf unebenem Gelände den Fuß verstauchen kann, ist natürlich möglich.

Wo lag für Sie der Spaßfaktor?
Ich habe noch nie so viele gut gelaunte, ein bisschen verrückte, jedoch extrem soziale Sportler auf einem Haufen gesehen. Die Stimmung war grandios. Während des Laufs kam man sich als Teil eines großen Gemeinschaftsgefüges vor, Dictio: jeder hilft jedem! So ganz anders als bei üblichen Wettkämpfen, wo jeder auf seine Bestzeit und Bestform achtet und der Rest als Konkurrenz empfunden wird. Der ganze Parcours erinnert an einen riesigen Abenteuerspielplatz. Unser Gruppenältester war Mitte 50, Schottlandfan und Dudelsackspieler. Da die offiziell angeheuerten Dudelsackspieler an dem Tag im Stau steckten, durften wir aushelfen und sind in unserem Schotten-Outfit als erste Gruppe hinter dem Masterchief ins Stadion eingezogen. Das war gigantisch.