Rhön300: Aus einer Vision wird ein Ereignis
Autor: Jürgen Schmitt
Schondra, Montag, 03. August 2020
Unter Auflagen zieht Peter Baumgart den noch jungen Klassiker durch - und wird dafür von den Radsportlern gefeiert. Eine Fortsetzung folgt.
Die Freiluft-Dusche bei immer noch angenehmen Temperaturen war die reinste Wohltat nach diesem heißen Ritt. "Das war eine superschöne Runde. Aber ich bin völlig zerstört. Respekt vor jedem, der das gefahren ist. Die Hitze hat das alles extrem anspruchsvoll gemacht. Im Saaletal hat die Luft ja teilweise gestanden", sprach Jens Schuhmann kurz nach seiner Ankunft ins Mikrofon von Moderator Jürgen Kunkel.
Der Wildfleckener hatte die insgesamt 306 Kilometer und 5500 Höhenmeter in fantastischen 10 Stunden und 40 Minuten als Schnellster hinter sich gebracht. "Nach etwa 70 Kilometern habe ich am Bauersberg, dem Anstieg von Bischofsheim Richtung Heidelstein, einen Ausreißversuch unternommen. Ich war fest davon überzeugt, dass ich in den Flachstücken wieder eingeholt werde. Dem war aber nicht so. Mein Vorsprung wurde immer größer, obwohl ich zwischenzeitlich einen platten Reifen hatte und den Schlauch wechseln musste. Und so bin ich die restlichen 235 Kilometer alleine Richtung Ziel gefahren", sagte der für das Euerdorfer Team "Bikeworld Brand" fahrende Schuhmann.
Optimale Bedingungen
Offiziell konnte die dritte Auflage von Rhön300 aufgrund der Pandemie "nur" ein touristische Ausfahrt sein, aber mit viel Herzblut und organisatorischem Talent hatte Veranstalter Peter Baumgart für optimale Bedingungen samt Hygienekonzept gesorgt. "Die Auflagen wurden eingehalten, auch die kontrollierende Polizei war mit der Umsetzung sehr zufrieden", sagte der Schondraer, der am 7. August 2021 die nächste Auflage plant - was durchaus eine Überraschung ist. "Nach dem dritten Mal sollte eigentlich Schluss sein, weil der Aufwand doch extrem hoch ist. Aber die Sportler haben uns ein so wunderbares Feedback gegeben, dass ich gar nicht anders kann..."
Tatsächlich wurde den Pedaleuren ein Wohlfühl-Paket geschnürt. Ein Foodtruck auf dem Schondraer Sportgelände sorgte schon ab 4 Uhr in der Früh für ein reichhaltiges Verpflegungsangebot, an der Strecke konnten die Radsportler an insgesamt zehn Stationen ihre Energiespeicher auffüllen, teils sogar mit warmen Mahlzeiten angesichts diverser Kooperationen mit Gaststätten. "Was an Lebensmitteln übrig bleibt, spenden wir der Tafel", sagt Baumgart, der trotz des fehlenden Wettkampf-Charakter eine moderne elektronische Zeitnahme "eingekauft" hatte.
Über einen sogenannten RFID-Transponder hatte der Veranstalter die Möglichkeit, über bestimmte Messpunkte den Überblick über das Peloton zu behalten, das sich fast ausschließlich auf öffentlichen Straßen bewegte. Von den 340 gemeldeten Teilnehmern auf den Strecken über 300, 180 und 110 Kilometern waren 290 am Start, von denen 273 das Ziel erreichten.
In diesem Jahr hatte sich Peter Baumgart für eine etwas andere Streckenführung entschieden. "Die 30 Jahre der deutschen Einheit wollte ich irgendwie symbolisieren, weshalb es diesmal 30 Kilometer mehr durch die Thüringische Rhön ging", sagt der 64-Jährige, der die Sportler von der Wasserkuppe als dem höchstgelegenen Punkt der Strecke kommend über das hessische Tann in einem Bogen in Richtung Kaltennordheim und Kaltensundheim lotste. Über Fladungen und Bad Neustadt wurde wieder der heimische Landkreis erreicht wurde. Bei der Verpflegungsstation in Bad Bocklet warteten auf die Athleten noch gut 100 höhenreiche Kilometer.
"Auf so einer Distanz spielt sich ganz viel im Kopf ab. Und für mich war das ein ganz besonderes Rad-Event, nachdem in diesem Jahr ja alles andere abgesagt worden war", berichtet Ingeborg Joa, die nach 14 Stunden im Ziel war, dort wie ihre Kolleginnen und Kollegen mit Applaus empfangen wurde. "Das war ein echtes Gänsehaut- und Glücksgefühl", so die Elfershäuserin, die mit der Hitze gut zurecht kam. "Natürlich habe ich während der Fahrt viel getrunken und mich ansonsten in kurzen Pausen überwiegend mit Bananen versorgt." Hauptsache durchkommen lautete das Motto der Radsportlerin, die ebenfalls für das Team "Bikeworld Brand" startete, angesichts der großen Herausforderungen wie beispielsweise der "Detterer Wand" mit ihrer 19-prozentigen Steigung oder dem Anstieg hoch zum Dreistelz auf den finalen Kilometern.