Pfaffenhausen feiert das Ende einer unendlichen Warterei
Autor: Jürgen Schmitt
Pfaffenhausen, Samstag, 06. Juni 2015
Mit dem Titelgewinn in der B-Klasse Rhön 2 besteht der SV Pfaffenhausen eine besondere Geduldsprobe. Das letzte Meisterstück wurde in der Saison 1960/1961 geschmiedet. Damals war Konrad Adenauer Bundeskanzler und flog Juri Gagarin als erster Mensch ins Weltall.
Ein Jahrhundert-Tor. Aus 45 Metern hatte Lukas Hofbauer getroffen zum 1:0-Sieg in Euerdorf. In der vierten Minute der Nachspielzeit. Mit einer Bogenlampe. Das vorletzte Saisonspiel wäre um ein Haar in die Hose gegangen, war doch den Gastgebern zuvor ein womöglich regulärer Treffer aberkannt worden. Eine Niederlage hätte das Aus im Fernduell um die Meisterschaft mit dem FC Untererthal II bedeutet. Jetzt hatten die Pfaffenhäuser erneut Matchball, und der wurde eine Woche später verwandelt mit einem 6:0-Erfolg im finalen Spiel über den VfR Sulzthal II. Auf der Zielgeraden wurden die spielfreien Viktorianer wieder überholt. Meister also.
Das fast unbekannte Gefühl
Ein Gefühl, das nicht mehr viele kennen beim SV Pfaffenhausen, wo der letzte Titel in der Saison 1960/1961 eingefahren wurde. Ein Aufstieg vor zwei Dekaden wurde "nur" über die Relegation bewerkstelligt.
Kein Frust-Feuer
"Die letzten Minuten auf dem Feld wurden richtig herbeigesehnt. Dann gab es die obligatorische Sektdusche. Honoratioren wie Ehrenvorstand Oskar Böhm und Stadtrat Detlef Heim ließen sich diese historischen Augenblicke nicht entgehen, als sich die Spieler ihre Meister-Shirts überstreifen durften. "Wäre das mit der Meisterschaft schief gegangen, hätten wir die T-Shirts wahrscheinlich verbrannt. Aber wir wollten im Fall der Fälle auch nicht ohne dastehen", sagt Kapitän Patrick Heim.
Ausgeprägtes Vereinsleben
"Bei der anschließenden Feier hat eigentlich ganz Hammelburg mitbekommen, dass bei uns die Post abging" erinnert sich Udo Heim von der Party bis in die Morgenstunden. Vereinsleben der schönsten Sorte. Überhaupt ist das Gemeinschafts-Gefühl ausgeprägt bei den Pfaffenhäuser Spielern, die keineswegs nicht nur im Sportverein aktiv sind, sondern auch die Feuerwehr oder den Musikverein unterstützen. "Bei Festen im Dorf lässt sich die Mannschaft fast geschlossen blicken. Und bei Ausflügen und Feiern in der Umgebung sind wir ebenfalls gut aufgestellt", sagt Patrick Heim. "Da wird auch mal der Vatertag gescheit gefeiert, obwohl wir als junge Truppe gar nicht so viele Väter in der Mannschaft haben."
Dass der Wille Berge versetzen kann, wurde beim SV Pfaffenhausen über die ganze Saison gelebt. "Seit eineinhalb Jahren ist es das erklärte Ziel gewesen, aus der B-Klasse herauszukommen. Erst recht nach dem Scheitern in der Relegation in der vorigen Saison", sagt Udo Heim, der ungeachtet seiner 45 Jahre eine unverzichtbare Stütze der Mannschaft ist. Und sich angetan zeigt vom Zusammenhalt der jungen Burschen. "Die Truppe hat sich zusammengerissen, einzelne haben viel für den Verein getan. Der Mannschaftsgeist war einfach überragend", sagt der Senior im Team. "Wir sind ein kleiner Haufen, der zusammenhält und Schwierigkeiten überwindet. Jeder hat sein Mosaiksteinchen zum Erfolg beigetragen."
Tatsächlich bemerkenswert, zu welchen sportlichen Leistungen der dünne Kader mit seinen 16, 17 Spielern war. Mitunter hatte man nur zwölf Kicker auf dem Spielberichtsbogen gelistet. Doch wer auflief, drückte das Gaspedal auf Anschlag durch. Während auch in unteren Klassen bereits oft mit Viererkette gespielt wird, bevorzugt der SV Pfaffenhausen das klassische System mit Libero. "Eigentlich ist das mehr eine Dreierkette gewesen, da die Abwehr quasi auf einer Linie gespielt hat. Die meisten Gegner haben extrem defensiv gegen uns gespielt, da hätte manchmal auch einer in der Verteidigung genügt", sagt Patrick Heim.
Beeindruckende Zahlen
Der erst 19-Jährige lobt die ganzheitlichen Qualitäten in der Mannschaft. "Unser Mittelfeld ist richtig stark. Wir haben die wenigsten Tore kassiert und nach dem FC Untererthal II die meisten geschossen." 26 Spiele, 66 Punkte und ein Torverhältnis von 86:14 lauten die beeindruckenden Zahlen. Bereits der Saisonbeginn geriet mehr als vielversprechend mit acht Siegen in Folge bei einem Torverhältnis von 36:1, ehe die erste von drei Punkteteilungen folgte beim 1:1 gegen den hartnäckigsten Konkurrenten, dem FC Untererthal II. Das erste Spiel verloren ging im ersten Spiel des neuen Jahres bei der 1:4-Niederlage beim SV Gräfendorf II. Und mit der 0:1-Niederlage in Untererthal wurde es tatsächlich eng im Titelkampf.
Wer ganz oben stehen will, braucht neben der Konstanz auch besondere Momente wie das Jahrhundert-Tor in Euerdorf. Und Typen. Wie Patrick Heim, der Luft für 120 Minuten hätte, in Sachen Einstellung bereits Vorbild-Charakter hat und auf nahezu allen Positionen spielen kann. Oder wie Florian Rauschmann, der in der vorigen Saison mit 25 Toren der beste Liga-Schütze war, dieses Jahr sogar zwei Kisten mehr machte. Oder Fabian Böhm, der als Abwehrchef auch offensive Qualitäten einbrachte - und im Tor spielte.
Flexibel zwischen den Pfosten
Überhaupt war die T-Frage eine der spannendsten. Weil Stammkeeper Dominik Rehbein desöfteren beruflich passen musste, wurde zwischen den Pfosten aus der Not geboren experimentiert. Michael Schaub, der Spielführer der Vorsaison und mittlerweile in Niedersachen beruflich unterwegs, streifte sich auf Heimatbesuch ebenso die Torwart-Handschuhe über wie Sebastian Wenzel, der sich den Trainerjob mit Andy Möck teilte. Ein Gespann das funktionierte. Und das Sinn machte aufgrund der beruflichen Notwendigkeiten.
Die Erlaubnis vom Sohn
"An den Spieltagen war es außerdem von Vorteil, wenn Sebastian an der Linie coachen und Andy mitspielen konnte", weiß Udo Heim, der zugleich Vorsitzender des SVP ist und die Liebe zum Fußball quasi in die Wiege gelegt bekam vom Vater, der zu den Granden im Sportverein zählt. Generationen-Konflikt? Gibt es in der Familie Heim nicht. Weswegen Sohnemann Patrick gerne auch in der A-Klasse mit Papa Udo auf dem Platz stehen möchte. "Mein Vater gehört schließlich immer noch zu den Besseren bei uns im Team. Andere würden sich so was bestimmt wünschen. Meinetwegen kann er noch eine ganze Weile bei uns mitkicken." Mit oder ohne Jahrhundert-Tor.