Markus Unsleber und der 150-Minuten-Marathon
Autor: Jürgen Schmitt
Wülfershausen, Mittwoch, 12. November 2014
Das Abschneiden beim Ironman auf Hawaii bezeichnet Markus Unsleber als Niederlage und Motivation zugleich. Vor allem auf der Marathon-Strecke will der 39-Jährige jetzt angreifen.
Die "1654" sollte diesmal die Glückszahl sein. Wurde sie nicht. Auch nicht die "10". Nach zehn Stunden, zehn Minuten und zehn Sekunden erreichte Markus Unsleber das Ziel beim Ironman auf Hawaii. Gesamtrang 489 unter 2000 Startern. Für einen Amateur ein bemerkenswert gutes Ergebnis. Trotzdem bewegte sich der 39-Jährige nach dem Rennen emotional irgendwo zwischen Enttäuschung und Ärger. Der gebürtige Langendorfer erzählt im Interview, warum es wohl keine Rückkehr nach Kailua-Kona geben wird und wo die nächsten Herausforderungen liegen.
Frage: Vier Wochen sind vergangen seit Deinem Start auf Hawaii. Wie viel Sport hast Du seitdem gemacht?
Markus Unsleber: Relativ viel. Wir haben ja eine Woche Urlaub angehängt, und drei Tage nach dem Rennen saß ich wieder auf dem Rad.
Sieht so Regeneration bei Dir aus?
Das war kein Problem, weil ich überhaupt keinen Stress dabei hatte. Das war wirklich locker. Außerdem war die muskuläre Belastung nach dem Rennen nicht zu hoch.
Wie bitte? Wir reden vom härtesten Triathlon der Welt. Und Du hast selbst schon von der Quälerei erzählt und müden Beinen.
Stimmt. Die Beine haben kein besseres Ergebnis zugelassen. Aber das war ja das Problem. Ich war heiß auf dieses Rennen. Und hatte die Power für einen guten Wettkampf. Aber das Signal vom Kopf kam irgendwie nicht bei den Beinen an. Das Timing hatte einfach nicht gepasst. Vielleicht hätte ich in den Tagen vor dem Wettkampf weniger machen sollen. Schon möglich, aber trotzdem spekulativ.
Nicht alles ist ideal gelaufen in der Vorbereitung, wo Du auch mal erkältest war.
Die Erkältung fiel nicht so sehr ins Gewicht. Das waren zwei Tage. Tatsache ist aber, dass ich gute und weniger gute Trainingseinheiten hatte. Man kann trainieren wie man will, 90 Prozent spielen sich im Kopf ab. Und man muss einen solchen Wettkampf mit viel Selbstvertrauen angehen. Ist das nicht vorhanden, wird es schwer.
Auf Big Island war Spätsommer mit Temperaturen um die 30 Grad. Deutschland im November ist dagegen kalt und ungemütlich. Wie schaut es aktuell mit der Motivation aus?
Ich bin noch in einer Phase, wo ich mir keinen Druck auferlege. Beim Schwimmen oder Laufen steht momentan eher die Technik im Vordergrund als Umfänge. Und wenn ich mal keine Lust habe, dann mache ich auch nichts. Ab Dezember kommt wieder etwas mehr Struktur ins Training.
Nochmal zurück auf Hawaii. Wie schläft man in der Nacht vor so einem aufregenden Rennen. Wie laufen die Stunden ab bis zum Start?
Ich habe überraschend gut geschlafen. Stimmt schon, dass man normal eher weniger Schlaf findet. Deshalb sind die Tage davor umso wichtiger. Begonnen hat das Rennen um 6.50 Uhr. Aufgestanden bin ich kurz vor drei Uhr. Ein paar Minuten später hatte ich schon die Turnschuhe an für einen lockeren Lauf zum Anschwitzen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Zum Frühstück gab es Toast mit Honig und ein bisschen Salz. Dazu eine Banane. Ein typisches Wettkampf-Frühstück für mich. Und dann ging es mit dem Mietwagen in den Startbereich. Es war ja meine vierte Teilnahme auf Hawaii, da kennt man sich aus. Irgendwann wird die Nationalhymne der USA gespielt. Dann hört man hawaiianische Trommeln. Und weiß: Gleich geht es los.
Wie muss man sich so einen Schwimmstart am Pazifik vorstellen? Rennen da 2000 Sportler vom Strand ins Wasser?
Ein bisschen anders ist es schon. Der Startbereich ist im Wasser, vielleicht 150 Meter vom Strand entfernt. Bis es losgeht, ist also Wassertreten angesagt. Zur Überwachung gibt es sogenannte Race-Marshals auf Surfbrettern.
Was geht einem so durch den Kopf, wenn es endlich losgeht?
Erst einmal nichts. Die ersten 300, 400 Meter heißt es nur: Vollgas. Ich bin auch super weggekommen, sodass ich relativ frei schwimmen konnte. Das hat sich später wieder geändert, weil ich vielleicht einen Tick zu früh zu locker geschwommen bin. Aber beim Wellengang im Pazifik ist es schwer, den Überblick zu behalten. Die Zeit war jedenfalls in Ordnung. Ich bin aus dem Wasser raus mit Leuten, die normalerweise bessere Schwimmer sind.
Auf dem Rad lief es bekanntlich weniger gut.
Der Plan war, nicht gleich Vollgas zu geben. Schon flott, aber mit der nötigen Lockerheit. Das Gefühl für das richtige Tempo muss passen. Das Problem war der heftige Seitenwind. Ab Kilometer 60 wurde die Strecke schwerer. Und ich habe gemerkt, dass die Beine nicht so funktionieren wie sonst. Unter dem Strich war ich dann 30 Minuten langsamer unterwegs als bei meinem letzten Hawaii-Start.
Und dann wolltest Du vor dem Marathon in der Wechselzone einfach nur sitzen bleiben.
Wenn es schon schlecht läuft, ist es eben schwierig, den Schalter umzulegen. Wenn man weiß, nicht die Leistung bringen zu können, die man sich vorgenommen hat. Losgelaufen bin ich dann doch, habe nach zehn Kilometern immer wieder kurze Gehpausen eingelegt. Aufgeben war da keine Alternative mehr. So viele Fans haben daheim die Daumen gedrückt, und vor Ort waren ja auch meine Freundin und ein Kumpel, die ich nicht enttäuschen wollte.
Muss schwierig sein, positiv zu bleiben, wenn man sich so quälen muss.
Stimmt. Man muss versuchen, sich kleine Ziele zu setzen, keine negativen Gedanken aufkommen zu lassen. Zum Nachdenken kommt es automatisch. Bei solch einem Langdistanz-Rennen ist es unmöglich, komplett im Tunnel zu sein.
Was hast Du in den gut zehn Stunden zu Dir genommen?
An Flüssigkeit waren das so sechs bis acht Liter. Erst Wasser, später Cola. Das war schon der letzte Strohhalm, um irgendwie Energie zu generieren. Gegessen habe ich relativ wenig, die üblichen hochdosierten Gels.
Du hast später gesagt: "Dieses Rennen und ich werden keine Freunde mehr." Wie hast Du das gemeint?
Um auf Hawaii bestehen zu können, muss man einen immensen Aufwand betreiben, Und hat aufgrund der klimatischen Bedingungen keinerlei Garantie, dass es klappt. Ich wäre dann glücklich, wenn es einen Tag gibt, an dem ich alles geben kann. Da spielen Zeit und Platzierung keine entscheidende Rolle. Es frustriert, wenn man weiß, was möglich ist und es nicht umsetzen kann.
Du hast auch mangelnde Fairness angeprangert.
Klar, wenn es eh nicht läuft, fallen solche Erlebnisse noch mehr ins Gewicht. Man regt sich über Sachen auf, über die man bei einem guten Rennen hinwegsehen würde. Tatsache ist, dass viele Sportler den Windschatten ausnutzen, was eigentlich verboten ist. Das liegt daran, dass die Starterfelder in meinen Augen zu groß sind. Aber es ist auch ein Spiegel der Gesellschaft, eine Ellbogen-Mentalität, in der Fairplay nicht mehr viel wert ist.
Wie kann man das in den Griff bekommen?
Man müsste härter und konsequenter durchgreifen. Es sind 20 Marshals auf der Strecke, zu wenig für 180 Kilometer. Und die 4-Minuten-Zeitstrafe ist auch nicht genügend abschreckend. Wären es zehn Minuten, würde sich das Betrügen schon weniger rentieren. Und Windschattenfahren ist für mich Betrügen. Disqualifiziert ist man erst bei der dritten Zeitstrafe.
Noch etwas, das nicht passt?
Das gesamte Preis-/Leistungsverhältnis stimmt nicht mehr. Für die Startgebühr habe ich 650 Euro zahlen müssen. Für das Qualifikations-Rennen in Zürich waren schon 600 Euro fällig. Vor einigen Jahren waren es noch 700 Euro für beide Veranstaltungen. Mehr Service gibt es für den Aufpreis nicht. Die Pasta-Party auf Hawaii nach jedem Wettkampf war schon immer schlecht mit Essen auf Papptellern. Wer jemanden mitbringen will, muss nochmal 55 Dollar hinlegen. Auch die Siegerehrung auf einem größeren Parkplatz ist nichts Besonderes.
Du hattest ja schon angedeutet, dass dies Dein letzter Start auf Big Island gewesen sein könnte. Welche anderen Ziele gibt es für 2015?
Ich bleibe natürlich Triathlet. Und bin weiter aktiv in der Zweitliga-Mannschaft des SV 05 Würzburg. Dann würde ich gerne einen Marathon unter 2:30 Stunden laufen. In Zeil bin ich mal 2:42 Stunden gelaufen. So richtig fokussiert auf diese Strecke habe ich mich noch nie. Das reizt mich. Das Rennen auf Hawaii war wie eine Niederlage, aus der ich Motivation ziehen kann. Erfolg macht Spaß. Selbst wenn es nur wenige Momente im Sportlerleben sind, für die man so viel Aufwand betreibt.