Kleinhenz/Wenzke: Cool statt aggressiv
Autor: Jürgen Schmitt
Bad Kissingen, Freitag, 03. Februar 2017
Kurz nach Karriere-Ende haben sich Sabrina Kleinhenz und Lisa Wenzke entschlossen, ihrem Sport treu zu bleiben: als Schiedsrichter-Gespann.
Mittendrin. Und irgendwie doch nicht dabei. Spiele gegen Rimpar waren für Sabrina Kleinhenz und Lisa Wenzke sportliche und emotionale Höhepunkte. Vergangenheit. Das Trikot der SG Garitz/Nüdlingen wurde längst eingetauscht mit dem Schiedsrichter-Dress, das dem Duo strikte Neutralität abverlangt. Dass im Tor des einstigen Rivalen mit Stephanie Piske eine frühere Teamkollegin steht, spielt ebenfalls keine Rolle. "Wir haben zu Stephi nach wie vor ein gutes Verhältnis. Im Spiel macht das aber keinen Unterschied zu allen anderen Spielerinnen", sagt Sabrina Kleinhenz.
Ausgeblendete Emotionen
Auf der Platte gehörten die 31-Jährige und die 26-jährige Lisa Wenzke zu den Anführern ihrer Mannschaft. Aggressivität und Leidenschaft für den Sport wurden vorgelebt. Und jetzt? Zwei coole Frauen, die jede Form von Emotion ausblenden. Die nach inzwischen 67 Spielen als Schiedsrichter-Gespann eine erstaunliche Abgeklärtheit an den Tag legen. "Vor dem Spiel in Rimpar waren wir auch nicht angespannter als sonst", sagt Lisa Wenzke. Drei Spiele an einem Wochenende sind keine Seltenheit für die Zwei.
Technische Besprechung
Das gemeinsame Aufwärmen ist geblieben, ansonsten besteht die Spielvorbereitung aus organisatorischen Zwängen. "30 Minuten vor Spielbeginn findet eine technische Besprechung statt, in der geklärt wird, in welchen Farben die Mannschaften spielen, wer Anwurf hat. Die Spieler-Pässe werden kontrolliert und sonstiges Verhalten auf der Bank und auf dem Spielfeld angesprochen", erklärt Kleinhenz. "Außerdem schauen wir uns vorher den Tabellenstand an, um zu wissen, was uns für ein Spiel erwartet. Und informieren uns, ob in der Halle Harz erlaubt ist oder nicht." Um die gut 100 Fans in der Sporthalle der Maximilian-Kolbe-Schule in Stimmung zu bringen für das Frankenderby gegen den besser platzierten HC Erlangen, wird bei der SG-DJK Rimpar die Musikanlage aufgedreht. Sirius von Alan Parsons Project. Dazu das unverwüstliche Hells Bells von AC/DC. Faust auf Faust beim Begrüßungs-Ritual der Protagonisten. Kurz darauf der erste Pfiff. "Lisa pfeift immer das Spiel an und ich die zweite Halbzeit", sagt Kleinhenz. Benutzt werden erstaunlicherweise verschieden farbige Pfeifen. "Bei den Frauen sind das die Farben grau und pink, bei den Männern schwarz und gelb. Die erste Halbzeit wird jeweils nur mit einer Farbe gepfiffen, die zweite Halbzeit mit der anderen", erklärt Lisa Wenzke.
"Wir verstehen uns blind"
Die Verwaltungsfachangestellte aus Niederlauer positioniert sich zentral auf dem Feld, ihre Kollegin neben dem Tor, um gezielt das Geschehen am und um den Kreis im Blick zu haben. Immer wieder werden im Verlauf der 60 Minuten die Rollen von Feld- und Torschiedsrichter getauscht. "Eine Über- oder Unterordnung gibt es bei uns nicht. Die Aufgabenbereiche sind klar verteilt und wir verstehen uns blind", sagt Kleinhenz. Überhaupt hält sich die verbale Kommunikation in Grenzen, eine deutliche Zeichen- und Körpersprache ersetzt lästige Diskussionen. Miteinander gesprochen wird in Auszeiten und in der Pause. "Da reden wir über gewisse Spielsituationen, ob zum Beispiel ein Spieler nahe am Stürmerfoul oder an Schritten ist", so Wenzke. Erst nach 18 Minuten gibt es die erste und in Halbzeit eins einzige Zweiminuten-Strafe. Und das in einem sehr engen und umkämpften Spiel, in dem sich beide Parteien nichts schenken.
Auch das Publikum hat offensichtlich nichts gegen die Spielleitung einzuwenden, kritische Äußerungen in Richtung der Unparteiischen sind die absolute Ausnahme. Das Regelwerk sitzt, natürlich. Auf die Neuerungen hat sich das Duo schnell eingestellt. Drei Tage hatte die Grundausbildung in Veitshöchheim gedauert; einige Wochen später folgte die praktische und theoretische Prüfung. Mittlerweile im B-Kader, war das Duo zwei Tage zum Lehrgang in Großwallstadt mit Lauf-, Regel- und Videotests. "Diese Saison dürfen wir bis zur Landesliga die Männer und bis zur Bayernliga die Frauen pfeifen. Wir schauen, wie hoch wir kommen und lassen uns überraschen", sagt Kleinhenz, die das Karriere-Ende als Spielerin übrigens nicht bereut hat. "Vermissen tue ich das Handball spielen überhaupt nicht. Den Sport kann ich nun in einer anderen Form ausüben, welche meinem Körper auch besser tut."