Druckartikel: Für Anabel Keul geht es jetzt rauf in die Bundesliga

Für Anabel Keul geht es jetzt rauf in die Bundesliga


Autor: Jürgen Schmitt

Albertshausen bei Bad Kissingen, Freitag, 24. Juni 2022

Die Albertshäuserin hat ihre Karriere bei Bad Kissinger Stadtteil-Vereinen begonnen, um nun beim 1. FC Nürnberg voll durchzustarten. Die 16-Jährige beendete die Saison beim "Club" als Bayernliga-Meisterin und Torschützenkönigin.
Den Ball immer im Blick: Die Albertshäuserin Anabel Keul (links) spielt in der neuen Saison mit den U17-Juniorinnen des 1. FC Nürnberg in der Bundesliga Süd. Foto: Christian Keul


Dieser Kaffee-Klatsch im Mai des vergangenen Jahres hatte bei Anabel Keul die letzten Rest-Zweifel hinweg gefegt. Zu Gast bei den Keuls war nämlich die in der Nachbarschaft wohnende Familie Frank mit Tochter Madlen. Die Zweitliga-Kickerin von RB Leipzig hatte von ihren Erfahrungen berichtet - und die damals 15-Jährige davon überzeugt, den nächsten, großen Schritt auf der Karriere-Leiter zu wagen. "Danach hatte ich weniger Angst, diesen Schritt zu machen und konnte mich mehr auf Nürnberg freuen. Das hat mich zusätzlich motiviert", erinnert sich die 16-Jährige. "Wir haben Madlen dann auch spielen sehen, als sie mit RB in Nürnberg zu Gast war", ergänzt Christian Keul, der das Talent seiner Tochter früh erkannte und förderte. "Anabel stand früh schon auf Schlittschuhen und war als Fünfjährige das erste Mal beim Ballett. Aber sie wollte nur Fußballspielen", lacht der Vater, der früher Eishockey spielte für die Kissinger Wölfe, auch mal deren Vorsitzender war.

"Schon bevor ich im Verein war, habe ich gekickt, nämlich in der Schule vor dem Unterricht oder in den Pausen. Wäre das nicht gewesen, wäre aus mir vielleicht nie eine Fußballerin geworden", sagt Anabel Keul, die von der U9 bis zur U11 unter Trainer Manfred Wolf mit Jungs in der SG Poppenroth/Albertshausen spielte, um im Jahr 2017 zum SV Garitz zu wechseln. Ausgestattet mit einem Doppelspielrecht für die U13-Mädchen des FC 05 Schweinfurt, bei denen sie im März 2020 - noch als U15-Spielerin - bei der U17 eingesetzt wurde in einem Testspiel gegen den SV Weinberg. Was sich eher unspektakulär anhört, sollte sich als Karriere-Booster erweisen.

Die damals 14-Jährige erzielte zwei Tore und lieferte zwei Vorlagen, und das unter den Augen von Isabel Bauer, ihrer heutigen Trainerin, die als Scout des 1. FC Nürnberg dieses Match verfolgte. Im Februar 2021 kam die offizielle Einladung vom "Club" zum Probetraining. "Das fiel zwar aus wegen Corona, aber der Wechsel kam nach einigen Gesprächen dennoch zustande, weil die Trainerin von Anabel überzeugt war", so Christian Keul.

Raus aus der Komfort-Zone

Ein quasi neues Leben begann für die junge Albertshäuserin, die im August 2021 vom Schönborn-Gymnasium in Münnerstadt und raus aus der heimischen Komfort-Zone zur Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg wechselte, einer Kooperationsschule des 1. FCN, und seitdem in einem Mädchen-Wohnheim mitten in der Stadt lebt, dort ein Zimmer und mit der U-Bahn etwa 30 Minuten zur Schule im Ortsteil Langwasser hat. "Anabel bringt ihre Leistung auch in der Schule", sagt der stolze Vater.

Die Offensiv-Spielerin wurde mit den B-Juniorinnen des 1. FC Nürnberg nicht nur Bayernliga-Meister mit 18 Siegen in 18 Spielen und einem Torverhältnis von 85:9, sondern schnappte sich mit 21 Treffern sogar die Torjäger-Kanone der Liga. Nächstes Jahr darf die 16-Jährige ihr Talent in der U17-Bundesliga Süd unter Beweis stellen, nachdem auch das folgende Relegations-Turnier gewonnen wurde mit Spielen gegen den Karlsruher SC und der MSG Gläserzell/Pilgerzell aus der Hessenliga.

Nicht nur das Talent stimmt bei der sportlichen jungen Frau, sondern auch die Einstellung. Parallel zum Spielbetrieb besuchte die Albertshäuserin in all den Jahren verschiedene Ferienfußballschulen und war insgesamt vier Jahre an den DFB-Stützpunkten in Münnerstadt und Hammelburg. Eine zusätzliche Förderung gab es in Würzburg am Nachwuchs-Förderzentrum für Juniorinnen im Soccergirl-Sportpark Heuchelhof.

"Bei ihrem Ehrgeiz war für uns Trainer abzusehen, dass Anabel ihren Weg gehen wird. Und wir sind uns sicher, dass von ihr noch einiges zu hören sein wird. Sie hat ja den Traum, einmal in einer U-Nationalmannschaft zu spielen, das Rüstzeug dafür hat sie jedenfalls. Wer weiß, vielleicht schafft es Anabel sogar einmal, mit den richtigen Strukturen vom Fußballsport auch leben zu können. Bis jetzt hat sie alles richtig gemacht", sagt der Hammelburger Stützpunkt-Leiter Marcel Klug. "Wenn Anabel gesund bleibt, traue ich ihr die 2. oder sogar 1. Liga auf alle Fälle zu", sagt Christian Keul.

"So eine Spielerin wünscht sich jeder Trainer"

Ihr U15-Trainer beim SV Garitz, Matthias Glöckler, kann dies nur bestätigen, "weil Anabel einen unbändigen Willen und auch keine Angst hat, zudem sehr trainingsfleißig ist. So eine Spielerin wünscht sich jeder Trainer. Anabel ist ein eher zurückhaltender und ruhiger Typ, gibt ihre Antwort aber auf dem Platz", so Glöckler.

Bereits in der U17 ist der Aufwand enorm. In der Vorbereitung stehen vier Trainingseinheiten pro Woche auf dem Programm, während der Saison sind es immer noch drei. Anabel Keul nutzt überdies die Möglichkeit, am (freiwilligen) Früh-Training in der Schule mit lizenzierten Trainern, wo insbesondere am technischen Feinschliff gearbeitet wird. Denn neue Ziele werden forsch formuliert von der jungen Unterfränkin: "Ich will auch in der Bundesliga meine Tore machen, Erfolge mit dem Team feiern und mich gegen Teams wie Bayern München, Eintracht Frankfurt, Freiburg oder Hoffenheim beweisen."

Stärken und Schwächen, an denen gearbeitet wird

Als ihre Stärken bezeichnet Anabel Keul die Schnelligkeit und den Abschluss. "Da ist Nastassja Lein von der Frauenmannschaft des FCN so was wie mein Vorbild, die ich auch schon bei Zweitliga-Spielen sowie im Training erleben durfte." Luft nach oben ist im Zweikampf-Verhalten, gerade gegen physisch starke Gegnerinnen. "Und ich traue mir technisch zu wenig zu, wenn der Platz mal nicht ideal ist", sagt sie. Um forsch hinterher zu schieben, "dass ich vom Auftreten schon viel mutiger geworden bin und innerhalb der Mannschaft mehr kommuniziere."

Madlen Frank musste ihre Karriere mittlerweile verletzungsbedingt beenden. Auch Annika Graser aus Aura, aktuell mit Carl Zeiss Jena aus der Bundesliga abgestiegen, kehrt dem Fußballsport den Rücken und beginnt ein Medizin-Studium in Ungarn. Aber für Rhöner Nachwuchs auf großer Bühne ist dank Anabel Keul gesorgt, die weiter hart für ihren Traum arbeiten wird, nämlich einmal in der Champions League zu spielen, "mit welchem Verein ist mir einfach egal, ein deutscher wäre natürlich schön." Mehr Verantwortung will die Albertshäuserin schon in naher Zukunft übernehmen. "Ich würde mich übers Kapitäns-Amt freuen, das neu vergeben wird. An so einer Aufgabe wächst man unglaublich."