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Feierbiester, Führungsspieler und fabelhafte Fans


Autor: Sebastian Schmitt

Sulzthal, Freitag, 20. Mai 2016

Ihre Auswärtsstärke wollen die Kicker des VfR Sulzthal auch auf ihrer "Bildungsreise" nach Mallorca zeigen.
Mit der Humba zurück in die Kreisliga: Die Kicker des VfR Sulzthal kurz nach dem Sieg in Obererthal. Fotos: VfR Sulzthal


Alexander Unsleber ist ein klassischer Stürmer mit dem gewissen Torinstinkt. Als der Routinier in der 90. Minute den herauseilenden Obererthaler Keeper Michael Helm clever umkurvt hatte und mutterseelenallein auf den leeren Kasten zustürmte, da gelang dem Goalgetter das erstaunliche Kunststück, das Leder präzise mit dem linken Innenrist nur wenige Millimeter um den rechten Außenpfosten herumzuzirkeln. Die verdutzten Sulzthaler staunten nur kurz darüber, wie Unsleber den Ball so elegant am verwaisten Kasten vorbeischieben konnte, dann brach grenzenloser Jubel aus. Der zweite Vorsitzende Stefan Seufert rannte im Stile eines Usain Bolt auf das Obererthaler Geläuf, weil sich die Nachricht der gleichzeitigen Untererthaler Niederlage gegen Aura wie ein Lauffeuer im blau-weißen VfR-Lager verbreitet hatte. Durch einen 2:1-Erfolg in Obererthal krönte sich der traditionsreiche Verein für Rasenspiele aus Sulzthal im drittletzten Saisonspiel vorzeitig zum Meister der Kreisklasse Rhön



"Klar wären wir gerne auf eigenem Platz Meister geworden, aber so haben wir die offizielle Meisterfeier eben auf den Pfingstmontag verschoben", sagt VfR-Vorsitzender Peter Fenn. Und die große Sulzthaler Meistersause ist noch lange nicht vorbei. Beim letzten Saisonspiel in Schönderling werden die Sulzler per Omnibus anreisen. Mit einem Stopp bei Sportdirektor Jürgen Schneider in Frankenbrunn, wo ein Weißwurstfrühstück auf dem Programm steht. Nach dem Match in Schönderling verlegen die Fußballer ihre Party auf den Sulzler Dorfplatz, auf dem der örtliche Musikverein sein 40-jähriges Bestehen feiert. Aufs Feiern verstehen sich die Sulzthaler halt.
"Als Aura in der Nachspielzeit den Siegtreffer in Untererthal gemacht hat, konnten wir unseren Erfolg so richtig ausgelassen feiern", blickt Tim Eckert zurück, der beim VfR so etwas wie der "Emotional Leader" ist. Findet Trainer Penquitt, der mit dem besonnenen Strategen Philipp Hesselbach und dem redegewandten Wirbelwind Eckert zwei Gegenpole zum Kapitän gemacht hat, die sich prima ergänzen. "Ein bisschen wie Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger", sagt Coach Penquitt. "Ausfallen dürfen die beiden Kapitäne jedenfalls nicht."

Mit einer lautstarken "Humba" und zahlreichen anderen Liedern wurde zunächst vor dem Obererthaler Sportheim Stimmung gemacht. Dann verlegte sich das Geschehen kurzzeitig in die Kabine, bevor der Auto-Korso zur Heimreise startete. Mit Zwischenstationen in Untererthal und Sulzthal kamen Mannschaft, Betreuer und Fans am "Waldstadion" an und feierten standesgemäß bis in die frühen Morgenstunden - und darüber hinaus. Ihren endgültigen Abschluss wird die Meisterparty wohl erst am Ende des Monats finden, wenn sich ein Großteil der Mannschaft auf den Weg nach Mallorca macht. "Fünf Nächte lang" wird die Bildungsreise dauern. "Danach müssen wir uns wirklich mal erholen", ist Penquitt überzeugt.

Auch rein sportlich gesehen lieben die Sulzler fremde Gefilde. "Die Auswärtsstärke hat beim VfR Sulzthal schon Tradition", sagt Penquitt, der sich bei der Ursachenforschung für die forschen Auftritte der Sulzler auf fremden Plätzen schwer tut. "Bei Heimspielen ist der Druck auf die Mannschaft höher. Viele ehemalige Fußballer kommen regelmäßig zu den Heimspielen und sind mit voller Leidenschaft am Spielfeldrand bei der Sache. Die Erwartungshaltung ist in Sulzthal schon immer hoch gewesen", berichten Abteilungsleiter Jürgen Schneider und Betreuer Uli Fenn. "Wir selbst haben uns aber gar nicht unter Druck gesetzt", sagt Tim Eckert. "In der Vorsaison sind wir auf dem neunten Platz gelandet. Wir wollten heuer besser abschneiden. Der achte Platz wäre ja auch schon eine Verbesserung zur Vorsaison gewesen", schmunzelt Eckert.

"Unsere Neuzugänge haben alle gut eingeschlagen, die Mannschaft ist jung und lernfähig. Wir freuen uns auf die Herausforderung in der Kreisliga. Wir freuen uns auf neue Sportplätze", sagt Penquitt, der aber auch ein großer Fan der vielen Nachbarschaftsduelle in der Kreisklasse 1 ist. "Klar werden wir unsere Derbys ein bisschen vermissen. Viele Vereine haben sich immer gefreut, wenn die Sulzthaler gekommen und bis in die Nacht geblieben sind", sagt Vorsitzender Fenn. Auch Coach Penquitt legt Wert auf Teamgeist und Geselligkeit: "Es ist für uns selbstverständlich, dass wir mindestens eine Stunde nach dem Spiel noch im Sportheim zusammensitzen. Das gehört doch einfach dazu. Auch wenn man verloren hat." Teamgeist war vor allem in der Vorrunde gefragt, als die Sulzthaler von heftigen Verletzungssorgen geplagt waren. Bemerkenswert, dass die Sulzthaler die Saison ohne Platzverweis auskamen - als einziges Team der Liga. "Auch die Fairness ist Teil unserer Philosophie", sagt Penquitt, der seinen Vorgänger André Seufert als Wegbereiter des Erfolgsteams ausdrücklich lobt. "Er hat das junge Team ganz entscheidend vorangebracht. Und der Verein hat sportlich ein Polster aufgebaut. Viele ehemalige Fußballer wirken im Jugendbereich als Betreuer mit. Diese Entwicklung ist nur positiv zu sehen."


Meister wird nur, wer kontinuierlich über eine ganze Saison lang Leistung bringt. Davon ist VfR-Coach Stephan Penquitt zu hundert Prozent überzeugt. Obwohl die Sulzler als eingeschworener Haufen mit Durchhaltevermögen in allen drei Halbzeiten gelten, so sprechen sie selbst von elementaren Strukturen und Hierarchien im Team. Doch Führungsspieler wachsen selbst am Sulzthaler Waldstadion nicht auf Bäumen. "Die Trainingsbeteiligung spielt bei der Hierarchie eine große Rolle", ist Tim Eckert überzeugt, der trotz seines laufenden Studiums in Würzburg keine Übungseinheit verpassen will. Penquitt macht kein Geheimnis daraus, dass er Spieler schätzt, die mit überdurchschnittlichem Engagement vorangehen. "Keeper Felix Neder, Libero Frank Glöckner, Abwehrhüne Benedikt Jammers, Kapitän Philipp Hesselbach und der torgefährliche Tim Eckert bilden meine spielentscheidende Achse. Um diese Achse herum kann ich variabel die Mannschaft zusammenstellen", erklärt der Trainer. "Im Schnitt hatten wir bei jedem Training 16 Spieler. Wenn wir wir das so beibehalten können, dann bin ich zufrieden."

Der Fleiß der Sulzler sollte sich auszahlen. "Die meisten Mannschaften in der Kreisklasse halten uns für das physisch stärkste Team", ist Betreuer Uli Fenn sicher. "Auch andere Vereine spielen einen schönen Fußball, aber die Fitness ist eben mit entscheidend." Und dabei kommt der Spaß im Training nicht zu kurz. "Wichtig ist das Spiel mit dem Ball. Der Ball steht bei mir immer im Mittelpunkt", erklärt Penquitt. Weil den Sulzthalern in den Wintermonaten keine eigene Halle zur Verfügung steht, weicht der VfR gerne auf den Soccerdome nach Schweinfurt aus, wo auf Kunstrasen und mit Bande trainiert werden kann. "Wir sind zwar keine Hallenspezialisten, aber dort macht es wirklich Spaß", so Penquitt.

Kultstatus haben dafür die Gesangsqualitäten der VfR-Kicker. "Blau und Weiß", "VfR, du bist der Meister aller Klassen" und viele weitere Titel können die Sulzthaler aus dem Stegreif und voller Inbrunst intonieren. "Wir sind ja von Kindheit an mit den ganzen Liedern groß geworden", sagt Tim Eckert. "Und die Neuzugänge müssen die Texte eben nach und nach lernen. Schließlich wollen sie ja nicht tatenlos zusehen." Stolz sind die Sulzler auch auf ihr modernes Sportheim und ihr kleines "Stadion" mitten im Wald, das man ohne Ortskenntnisse oder Navigationssystem gar nicht so leicht findet.

"Das ganze Sportheim ist in Eigenregie gebaut worden", sagt Vorsitzender Peter Fenn. "Da sind keine Firmen beauftragt worden, das haben die Mitglieder alles selbst gebaut." Auch die Bewirtschaftung stemmt der Verein vollständig aus eigener Kraft mit einem Helferteam, das mit großem Einsatz bei der Sache ist. Mehr als hundert Zuschauer verfolgen durchschnittlich die Heimspiele. Auch auswärts wird der VfR von einer stattlichen Zahl an Fans begleitet. Teilweise sind die Blau-Weißen sogar in der Überzahl auf fremden Plätzen.