Ein kanadischer Koloss auf Bad Kissinger Eis
Autor: Jürgen Schmitt
Bad Kissingen, Freitag, 24. April 2020
Als die Kurstadt-Wölfe die Würzburger Eisbären aus der Halle schossen. Thilo Herberholz, Christian Keul und Oliver Lang erinnern sich.
Ein Kantersieg. Und das im Derby. Der Einstieg in die Jubiläums-Saison - 25 Jahre Eishockey in Bad Kissingen - kann an diesem späten Oktobertag des Jahres 2002 nicht besser sein. Mit 7:0 wird der ESV Würzburg aus der Halle geschossen. 300 Fans bejubeln Tore von Thilo Herberholz (2), Matthias Back, Mike Hawkins, Marcel Mrachatz, Harry Grundmann und Christian Keul. Schon nach dem ersten Drittel muss ESV-Goalie Rainer Schwab viermal hinter sich greifen. Ungeachtet der fehlenden Spannung geht es zur Sache. 79 Strafminuten verteilen die Unparteiischen Paul Lajoe und Manfred Hoffmann, darunter eine Disziplinarstrafe für Mike Hawkins.
Euphorie hinterlässt der Pflichtsieg bei Spielertrainer Thilo Herberholz nicht, der in der Vorsaison noch Würzburgs "Eisbären" trainiert hat und bei seinem Heimatverein nun den Slowaken Marian Stabel beerbt. Der Gegner hat sein Auftaktspiel wenige Tage zuvor mit 1:13 in Nürnberg verloren , wird die reguläre Runde als abgeschlagenes Schlusslicht beenden.
Berndaner spielt immer noch
Kapitän der Mainfranken ist Oliver Lang. Der ehemalige Teamkollege von Herberholz erinnert sich: "Das war eine schöne Zeit und eine gesunde, aber nie übertriebene Rivalität. Wir Würzburger waren meistens die Außenseiter, weil nie besonders viel Geld in die 1. Mannschaft investiert wurde und wir nur das Freiluft-Stadion hatten", sagt der 49-Jährige. "Daher war es für die Bad Kissinger, die aus der Bayern- in die Landesliga abgestiegen waren, damals die totale Katastrophe, als sie Mitte der 90er Jahre das erste Mal gegen uns verloren haben."
Immer wieder mal treffen sich die Konkurrenten von einst, nicht zuletzt bei Eishockey-Legendenspielen für den guten Zweck. Oder ganz privat. Beim Anruf bei Oliver Lang, inzwischen Vorsitzender des ESV Würzburg, war tatsächlich Thomas Berndaner bei seinem Würzburger Kumpel. Der 50-Jährige trug viele Jahre das Trikot des ERV Schweinfurt und ESC Haßfurt, spielte vor 18 Jahren aber für die Saalestädter - und ist für die Bezirksliga-Truppe der Würzburger Eisbären immer noch aktiv auf dem Eis.
Spiele vor 6000 Fans
Herberholz ist ein Bad Kissinger Eigengewächs mit durchaus schillernder Laufbahn. Schließlich hatte der Kissinger Mitte der 90er Jahre sogar DEL-Luft geschnuppert im Dress der Nürnberg Ice Tigers, die in der Saison zuvor noch als EHC 80 Nürnberg in die neu gegründete Liga aufgestiegen waren. "Wir mussten in den Zweitliga-Playoffs das Halbfinale erreichen. Das gelang uns mit einem Sieg über Kassel", erinnert sich der 45-Jährige. Um die 6000 Zuschauer kamen damals zu den Heimspielen der Norisstädter.
"Für die DEL war ich allerdings nicht gut genug. Durch das Bosman-Urteil kamen viele Ausländer in die Liga, vorher waren ja nur zwei erlaubt", sagt Herberholz, der im Herbst 2002 den Trainerjob in Bad Kissingen übernahm, nach der Saison seine Eishockey-Karriere beendete. "Das hatte damals gepasst, weil ich am Kissinger Gymnasium mein Referendariat machen konnte. Mit dem Saisonverlauf war ich aber total unzufrieden, auch mit meiner Leistung, an die ich einen höheren Anspruch hatte. Wir hatten mit einem guten Kader zwar das Minimalziel, die Playoffs zur Bayernliga, erreicht. Aber mit so vielen starken Spielern wäre auch der Aufstieg möglich gewesen."
Die Leidenschaft gehört fortan dem Fußball. "Ich durfte mit dem SV Garitz noch wunderbare Zeiten in der Bezirksliga erleben. Davor hatte ich ja eher sporadisch gekickt", sagt der Inhaber der Fußballtrainer-B-Lizenz, der mittlerweile an einem Münchner Gymnasium Lehrer ist - und seit 2018 die Fußballerinnen des FC Forstern aus dem Landkreis Erding trainiert. "Wir sind zwar in der Regionalliga nur ein Außenseiter-Verein, der vor etwa 100 Zuschauern im Schnitt spielt. Aber in meiner ersten Saison hatten wir im DFB-Pokal Achtelfinale gegen den VfL Wolfsburg vor 2000 Zuschauern gespielt. Trotz der 0:9-Niederlage war das ein Highlight in der Vereinsgeschichte."