Druckartikel: Ein Eigentor mit Absicht im Sinne des Fairplay

Ein Eigentor mit Absicht im Sinne des Fairplay


Autor: Jürgen Schmitt, Sebastian Schmitt

Wildflecken, Montag, 08. Sept. 2014

Bei der 3:4-Derbyniederlage gegen den SCK Oberwildflecken entschließt sich Wildfleckens Fußball-Torwart André Schmidtke zu einer bemerkenswerten Aktion. Er erzielt ein Eigentor - mit Absicht.
Wildfleckens Keeper Andre Schmidtke. Foto: ssp


Bemerkenswert. Ein Tor für die Geschichtsbücher erzielte André Schmidtke. Wildfleckens Keeper traf nämlich im ewig jungen Derby gegen den SCK Oberwildflecken - und jubelte nicht. Gefeiert werden darf der 21-Jährige dennoch: für seinen Schuss ins eigene Tor. Vollkommen absichtlich übrigens.

"Das sollte in die Zeitung." So hatte sich Georg Zurek vom SCK Oberwildflecken am Telefon gemeldet. Und von der außergewöhnlichen Situation erzählt, als ein SCK-Akteur verletzt am Boden lag und Wildflecken in dieser Situation auf 2:3 verkürzte. "Das hatte der Spieler wohl nicht wahrgenommen. Dann gab es ein paar Tumulte auf und neben dem Platz", erinnert sich Zurek. Erzielt hatte den Treffer übrigens Patrick Schmidtke, der Bruder des Torwarts. "Die Oberwildfleckener hatten das Spielen eingestellt, weil einer von ihnen am Boden lag. Nach Rücksprache mit unserem Kapitän Reinhard Bramowski und der Bank habe ich dann der Fairness halber den Ball ins Tor geschossen", sagt André Schmidtke. "Eigentlich hatte der Reinhard schon den Ball ins Tor schießen wollen, der wäre aber vorbei gegangen." Eine Szene, die natürlich heiß diskutiert wurde. "In meiner Mannschaft gab es unterschiedliche Meinungen. Verstehen konnten die Jungs aber meine Entscheidung", so Schmidtke, der im Übrigen auch Fußball-Schiedsrichter ist.

Mit 4:3 gewannen schließlich die Oberwildfleckener vor vollen Rängen im Helmut-Patzke-Stadion. Der unterlegene Gegner verdiente sich nicht allein aufgrund der tadellosen Einstellung seines Torhüters ebenfalls viel Respekt. Für viele überraschend: die "jungen Wilden" ließen sich durch das sportliche Debakel in der A-Klasse nicht entmutigen und probieren jetzt den Neustart eine Liga tiefer. Mit drei Siegen und drei Niederlagen aus sechs Partien kann man zwar jetzt noch nicht sagen, wohin die Reise geht. Aber das Derby stellte eindrucksvoll unter Beweis: Die Wildfleckener sind so schnell nicht kleinzukriegen.

Ein Lob bekam übrigens auch der Unparteiische. Es war im höchsten Maße beeindruckend, wie der junge Schiedsrichter Sebastian Fritsche das mit Spannung erwartete Duell leitete. Ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, hatte Fritsche zu jeder Sekunde des Spiels alles im Griff. "Wenn man sich die Brisanz dieses Ortsteil-Derbys vor Augen führt, dann ist es wirklich erstaunlich, wie fair und ordentlich die Partie geführt wurde. Grobe Fouls konnte ich nicht erkennen", stellte SV-Pressesprecher Achim Mathes fest.

Denn man muss wissen, dass in der jüngsten Vergangenheit diverse enttäuschte oder frustrierte Kicker den SV Wildflecken nicht nur in Richtung höherklassiger Teams verlassen hatten. Es gab phasenweise auch eine kleine Abwanderung vom SV hin zum SCK. Und so standen sich beim Derby auch ehemalige Mannschaftskameraden gegenüber.

Der zweite Aspekt, der nicht unter den Tisch fallen darf: der große Zuschauerzuspruch beim Derby. Zahlreiche Familien waren mit Kind und Kegel ins Helmut-Patzke-Stadion gekommen. Auf den Rängen sah es zuweilen wie auf einem Familienfest aus. In freundschaftlicher Atmosphäre wurde geplauscht und gefachsimpelt. Insofern können beide Vereine stolz auf dieses durchaus historische Derby sein. Auch wenn die sportliche Bedeutung vor Jahrzehnten sicherlich erheblich größer war: Selten sind sich die ewigen sportlichen Rivalen in so gelöster und entspannter Atmosphäre begegnet. Ein Hoch auf den Amateursport: Er kann alle Gräben überwinden.



Kommentar von Jürgen Schmitt: Fairplay der besonderen Art


Kommt schon vor, dass Torhüter auch Tore selbst erzielen. Der ehemalige Nationalkeeper Jens Lehmann traf einmal per Kopf für den FC Schalke 04 zum 2:2-Endstand gegen den Revierrivalen Borussia Dortmund. Hans-Jörg Butt ist Rekord-Torschütze in der Fußball-Bundesliga mit 26 verwandelten Elfmetern. Und der Paraguayer José Luis Chilavert erzielte in Verein und Nationalmannschaft fast 40 Tore, meist durch Freistöße. Geschichte geschrieben hat jetzt auch André Schmidtke. Der Keeper des SV Wildflecken hat nur ein Tor gemacht, und das war ein Eigentor, ausgerechnet im Derby bei der 3:4-Niederlage gegen den SCK Oberwildflecken. Getreten mit voller Absicht, weil seine Elf zuvor ein Tor geschossen hatte, als ein gegnerischer Spieler verletzt am Boden lag. Respekt.