Der Sommer des vergangenen Jahres war ein Sommer der Melancholie. Ein Jahr später ist alles ganz anders beim SV Obererthal.
DJ Düse ist wieder angesagt. Maxi Düsmann ist der Herrscher über die Bass-Boxen, die zu den Obererthaler Fußballern gehören wie der Trikot-Satz zum Spiel. Ganz oben im aktuellen Hit-Ranking stehen Songs der Punk-Band "Emscherkurve 77". Fußball-Fans, die auf RWO stehen. Auf Rot Weiß Oberhausen eigentlich. Macht nichts. Die Songs, in denen es um Spaß und Lebensfreude geht, passen perfekt zu den Rot-Weißen aus dem 450-Seelen-Örtchen nahe Hammelburg. Zum Verein, der vorzeitig Meister der B-Klasse Rhön 1 ist. Verlustpunktfrei. Eine außergewöhnliche Serie, die gewürdigt werden will. Klar, dass die Party-Zone vom Sportheim auf den kompletten Ort erweitert wurde. Die Dorfmusik spielte auf und sogar ein Feuerwerk wurde gezündet zu Ehren des Titelträgers. Der große Favorit war seiner Rolle gerecht geworden. Normal war freilich nichts nach diesem melancholischen Sommer 2013.
Nach dem Abstieg aus der Bezirksliga hatte sich der Verein aufgrund der personellen Situation gegen die Kreisliga entschieden, um keine zweite sportlich-depressive Saison zu erleben. Einen Start in der Kreisklasse ließen die Verbands-Statuten nicht zu, weshalb die Rot-Weißen den Platz der Reserve in der B-Klasse in Anspruch nahmen. Den Fahrstuhl ins fußballerische Erdgeschoss hatten die Rot-Weißen nicht als Makel empfunden. "Was man spielt, ist man auch", sagt Michael Leiber geraderaus. "50 Prozent der Bezirksliga-Mannschaft waren weg. Und es war letztlich die Entscheidung der Mannschaft", erinnert sich der Trainer, der ein neues Team zu modellieren hatte: mit fünf A-Junioren, Reserve-Spielern und den verbliebenen Kickern aus der abgestiegenen Elf.
Aus einem zusammengewürfelten Haufen musste binnen weniger Wochen eine Einheit werden.
Dass fast ausnahmslos waschechte Obererthaler auf dem Platz standen, federte den Druck auf die Reset-Taste ab. Die Stunde Null war der richtige Zeitpunkt, um etwas Nachhaltiges zu schaffen. An Stellschrauben zu drehen, die mittelfristigen Erfolg garantieren sollen. Gegen so manchen Widerstand aus dem Umfeld ließ Michael Leiber mit Viererkette spielen. "Den Weg sind die Jungs konsequent mitgegangen", betont der 32-Jährige, der die Mannschaft bereits am Ende der Bezirksliga-Runde interimsmäßig gecoacht hatte. "Eigentlich sollte zur neuen Saison auch ein neuer Trainer kommen. Mein Abschieds-Geschenk hatte ich schon.
Aber da sich nichts Passendes ergeben hatte, habe ich einfach weitergemacht", sagt der gelernte Keeper, der trotz einer Leisten-Operation jede Menge Schwung mitbrachte, Taktik-Wochenende auf den Trainingsplan schrieb, mit Taktik-Tafel und Powerpoint-Präsentationen. "Ich habe mir Bücher besorgt und im Internet recherchiert. Ich hatte aber auch großartige Unterstützung von Trainer-Kollegen. Vor allem von Dominik Schönhöfer, Marius Kubo und Charly Storch bekam ich viele wertvolle Tipps." Dazu kommt die bewährte Arbeit im Hintergrund von den beiden Abteilungsleitern Manfred Rüth und Siggi Weidinger samt der Unterstützung vieler engagierter Vereinsmitglieder. Und vieler Fans. "Bei manchen Spielen waren mehr Zuschauer da als in der Bezirksliga", sagt Michael Helm. Drei Eckpfeiler hat das neue RWO. Mit Michael Helm im Tor, Marco Wolf auf der Sechser-Position und Christoph Uschold in der offensiven Zentrale.
Eine Achse, die ausschließlich aus jungen Spielern besteht. "Wir wollen systemorientiert erfolgreich sein und den Gegner mit unserer Physis unter Druck setzen", gibt Michael Leiber seine Philosophie vor. Die auch deshalb funktioniert, weil gestandene Akteure wie Tobias und Benedikt Brust oder Oliver und Andreas Graup den Talenten die nötige Sicherheit geben. "Bei uns wird die freie Position angespielt, und nicht der gute Spieler", sagt Michael Leiber.
"Langfristig ist die Kreisklasse unser Ziel. Und in der A-Klasse wollen wir auf alle Fälle oben mitspielen", äußert sich Marco Wolf, der in der neuen Saison auf einen neuen Trainer hören wird, der ein alter Bekannter ist. David Böhm kehrt vom SV Garitz an den Michaelsweg zurück, Michael Leiber bleibt den Rot-Weißen "als dritter Torwart" erhalten. Und als Geheimwaffe. Vor Wochenfrist hatte sich der Trainer beim Spitzenspiel in Langenleiten eingewechselt - und prompt das Siegtor erzielt.
"Das war gut gemacht. Den Ball macht nicht jeder rein", spricht aus Markus Weidinger der Respekt.
Das Trainingslager im Sommer auf dem Jugend-Zeltplatz im Gut Erlasee bei Arnstein war der erste Schritt in die richtige Richtung. Aus Mitspielern wurden Kumpels. Weshalb sich Mannschafts-Abende schon mal bis in die Morgenstunden hinziehen. "Mehr Kameradschaft als im Augenblick geht fast nicht", findet Marius Laudensack. Und wer in Obererthal in der Anekdoten-Kiste kramt, entdeckt so manche erzählerische Kostbarkeit. Der Zufall hatte Regie geführt, als eine Trainings-Einheit in Hammelburg zum Erwerb des Sportabzeichens führte. Ein anderer Charakter-Test wurde in Riedenberg bestanden, als ein 0:3-Rückstand nach 60 Minuten in einen 6:4-Erfolg gedreht wurde.
Auch den schönen Künsten verschließen sich die Rot-Weißen nicht.
Ein spontaner Ausdrucks-Tanz im Volkerser Sportheim zu den Klängen von Eternal Flame von den Bangles - eine Obererthaler Spezialität - führte zu einer spontanen Essens-Einladung, die beim nächsten Treffen am finalen Spieltag eingelöst werden soll. Sauerbraten hat die Köchin aus der Rhön angekündigt. An Gerstensaft zum Nachspülen wird es ebenfalls nicht mangeln, weil beispielsweise das Tipp-Spiel die Mannschaftskasse füllt. Und ein falscher Einwurf gleich eine ganze Kiste Bier kostet. Dann dürfen sich auch Marco Wolf und Michael Helm wieder zuprosten, die sich zu Beginn des Jahres ein freiwilliges Alkohol-Verbot auferlegt hatten und in dieser Zeit eine zweite Karriere als Team-Taxi-Fahrer starteten.
Die Obererthaler Jungs verstehen sich aufs Kicken. Und aufs Feiern. Die Sportheim-Dienste der A-Klassen-Gegnerschaft sollten sich bereits jetzt auf Überstunden einstellen. Und einen Platz für DJ Düse und seine Bass-Boxen bereithalten.