Der FC Untererthal hat sich den Titel verdient - Basta
Autor: Sebastian Schmitt
Untererthal, Samstag, 30. Mai 2015
Ein großer Zusammenhalt, ein qualitativ wie quantitativ starker Kader und im positiven Sinne verrückte Fans bildeten die Basis für den Titelgewinn des FC Viktoria Untererthal in der A-Klasse Rhön 1. Jetzt werden sogar den Obererthalern die Daumen gedrückt.
"Man spürt es schon in den Wochen vor dem Spiel im ganzen Ort. Wenn das Derby-Fieber kommt, dann nimmt das Jeden mit", sagt Michael Hammer und strahlt: "Eigentlich sind die meisten Spieler ja befreundet, aber auf dem Platz kommen dann doch die Emotionen. Das macht eben den Reiz eines Nachbarschafts-Duells aus."
Eine ganze Saison lang haben der FC Viktoria Untererthal und der SV Rot-Weiß Obererthal den Ton angegeben in der Rhöner A-Klasse 1. Am Ende triumphierten die meisterlichen Grün-Weißen um den 33-jährigen Libero, der heute als Coach und Abwehrchef zwar längst nicht mehr so torgefährlich sein kann wie noch vor Jahren, aber von dessen Fußballsachverstand der ganze Verein profitiert. Dass die Viktoria beim zweiten Showdown mit dem ewigen Rivalen vor rund 300 Zuschauern knapp unterlegen war beim 0:1, brachte die ehrgeizigen Untererthaler keineswegs ins Grübeln. "Solche Spiele sind doch immer auf des Messers Schneide.
"Unsere Fans haben beim Derby alles gegeben und haben sich eine tolle Choreographie ausgedacht", sagt Keeper Daniel Hammer, der auch den Facebook-Auftritt der Fußballer betreut. "Auch im Internet sind unsere Fans sehr aktiv. Und bei den Heimspielen können wir uns über mangelnde Unterstützung wirklich nicht beklagen."
Vereinstreue trotz Abstieg
Dass den Untererthalern mit dem Meistertitel der direkte Wiederaufstieg in die Kreisklasse gelungen ist, schreibt Michael Hammer vor allem der Tatsache zu, dass die Mannschaft komplett zusammengeblieben ist. "Bei manchen Abstiegen zerfällt ein Team. Das war bei uns überhaupt nicht der Fall. Selbst wenn wir in dieser Saison nicht direkt aufgestiegen wären, hätten wir ganz sicher alle weiter gemacht und eben im kommenden Jahr die Meisterschaft angepeilt", ist Hammer überzeugt. "So selbstbewusst wären wir dann aber auch gewesen, um dieses Ziel von Beginn an auszugeben."
Natürlich mussten sich die Grün-Weißen nach dem Abstieg erst einmal in der A-Klasse neu orientieren. "Wir hatten ja auch in der Kreisklasse keine schlechten Spiele abgeliefert. Leider haben wir einfach viel zu oft Unentschieden gespielt", erinnert sich Kapitän Benedikt Hüfner. In 28 Begegnungen hatten sich die Untererthaler stolze 15 Remis eingefangen. Nur vier Mal konnte die Viktoria ihrem Namen alle Ehre machen und den Platz als Sieger verlassen. "Genau das haben wir durch den Abstieg gelernt: Man muss auch knappe Spiele gewinnen. Selbst wenn es nicht so rund läuft und man gar nicht das dominierende Team ist", sagt der Coach. "Das hört sich komisch an: Aber wir haben das Siegen gelernt."
Auch wenn die beiden Erthaler Vereine diesmal eine Klasse für sich waren, ein Selbstläufer war die Meisterschaft der Grün-Weißen nicht. "Wir haben nichts geschenkt bekommen. Kein Team ist hierher gekommen und hat sich aufgegeben. Ganz im Gegenteil", macht Vorsitzender Thomas Tiedemann klar. "Die teilweise sehr knappen Ergebnisse zeigen ganz deutlich, dass wir auch ordentlich kämpfen mussten." Auch in Dittlofsroda, wo die Viktoria die Meisterschaft vorzeitig klar machte, gaben die Gastgeber keinen Meter Rasen her. "Wir hätten nie damit gerechnet, dass Obererthal gegen Fuchsstadt II tatsächlich verliert", sagt Keeper Daniel Hammer. "Selbst als es nach einer Stunde 2:1 für Fuchsstadt stand, haben wir noch nicht geglaubt, dass die Rot-Weißen die Partie hergeben."
Die perfekte Steilvorlage
Doch die Steilvorlage kam und musste nur noch von den Untererthalern aufgenommen werden. "Es war aber eine ganz knappe Sache, das hätte an diesem Tag auch vollkommen anders ausgehen können", macht der Torhüter klar, der mit einigen Glanzparaden letztlich für den Sieg über Gräfendorf mitverantwortlich war.
Für den Vorsitzenden macht vor allem "die Breite des Kaders" den Unterschied aus. Während andere Dörfer dieser Größenordnung längst den Spielbetrieb einstellen mussten oder in Spielgemeinschaften ihr Glück versuchen, herrschen in Untererthal geradezu luxuriöse Zustände. "Wir bekommen in der nächsten Saison sechs neue Spieler aus der eigenen Jugend. Das wird natürlich eine Herausforderung, die jungen Kicker auf dem Platz zu integrieren. Denn der Sprung von der Jugendmannschaft zu den Herren ist schon nicht ganz so einfach", erläutert Tiedemann, der große Stücke auf die Zusammenarbeit mit dem SV Obererthal im Jugendbereich hält.
Ein bewährtes Konstrukt
"Seit Jahrzehnten hält dieses Konstrukt. Es hat auch funktioniert, als Obererthal höherklassig gespielt hat." Dass diese Kooperation bei beiden Erthaler Rivalen überhaupt so reibungslos klappt, schreibt Tiedemann einer mündlichen Vereinbarung zu, welche die Dörfer vor vielen Jahren getroffen haben. "Wer Grün-Weiß ist, spielt auch in Untererthal. Wer Rot-Weiß ist, spielt in Obererthal. Nur so kann eine solch wichtige Zusammenarbeit dauerhaft bestehen." Dass gelegentlich an dieses Agreement der Erthaler Gentlemen erinnert werden müsse, sei allzu menschlich, fügt Tiedemann lächelnd hinzu. "Man muss ab und zu mal allen Beteiligten diese Vereinbarung ins Gedächtnis rufen, dann läuft das wieder." Denn natürlich entstehen echte Freundschaften zwischen den Aktiven. "Man ist ständig im Kontakt. Das ist doch klar, wenn man zehn Jahre zusammen in der Jugend gespielt hat", sagt Kapitän Hüfner. "Daran ändert die Vereinszugehörigkeit überhaupt nichts."
Für Keeper Daniel Hammer ist entscheidend, dass sich die Jugend für den Fußball begeistert: "In Untererthal stellt sich für die Jungs gar nicht die Frage, der Fußball gehört einfach dazu. Sportlich gesehen gibt es im Ort eigentlich auch keine Alternativen. Davon profitiert natürlich auch der Verein, dass es eine Selbstverständlichkeit ist."
Denn obwohl bei der Viktoria kleinere Abteilungen (Theater, Gymnastik) im Laufe der Zeit hinzugekommen sind, so "steht bei uns doch der Fußball im Mittelpunkt", sagt Tiedemann. "Gleichwohl muss man natürlich sagen, dass auch unsere Aktiven in ganz unterschiedlichen Vereinen engagiert sind. Das lässt sich in einem kleinen Ortsteil gar nicht anders lösen. Insofern sind natürlich immer wieder die Gleichen ehrenamtlich engagiert und gefordert." Ein dickes Lob hat Tiedemann für den Coach übrig, weil dieser "die Stärken der jungen Spieler erkennt und jeden genau dort einsetzt, wo er am besten zur Geltung kommt".
Große taktische Experimente sind die Sache der Untererthaler nicht. "Wenn man Meister werden will, dann bringt das Herumexperimentieren nichts", ist der Vorsitzende überzeugt. "Das Konzept ist aufgegangen. Auch wenn man als Außenstehender manchmal überrascht war, welche Stärken der Trainer bei dem jeweiligen Spieler erkannt hat. Am Ende muss man dem Coach doch recht geben."
Der Trainer selbst will um sein Spielkonzept keine großen Geheimnisse machen. "Wir haben einfach gemerkt, dass wir in der A-Klasse viel mehr den Ball haben als in der Kreisklasse. Darauf haben wir reagiert. Wir wollten selbst so viel Druck aufbauen, dass man in der Abwehr gar nicht so großartig in Bedrängnis kommt. So einfach war unser Konzept: Selbst das Spiel machen, damit der Gegner nicht vors Tor kommt."
Im Training wird mitgezogen
Schon beim Trainingslager im hessischen Fulda war dem Trainer klar geworden, dass die Stimmung unter den Aktiven hervorragend ist. "Das war ja auch nicht selbstverständlich nach dem Abstieg." Der Auftakt in der A-Klasse sei zwar etwas zäh gewesen, aber nach und nach wuchs die Mannschaft noch enger zusammen. "Man sieht bei jedem Training, dass die Jungs mitziehen. Dass sie etwas reißen wollen. Auch in der zweiten Mannschaft. Wir trainieren zusammen und gehören alle zusammen. Das ist uns wichtig", sagt Hammer. Dabei spiele es gar nicht so die große Rolle, in welcher Spielklasse das jeweilige Team beheimatet ist. "Wenn man oben mitspielen kann, macht es einfach mehr Spaß", ist der Coach überzeugt. Für Benedikt Hüfner jedenfalls ist die Kreisklasse "ideal für unseren Verein". Daher möchte sich der Kapitän "langfristig dort etablieren".
Zudem hoffen die Grün-Weißen noch auf viele Derbys. "Ist doch klar, dass wir bei aller Rivalität den Obererthalern die Daumen drücken. Wenn wir wieder gegen sie spielen können, haben wir überhaupt nichts dagegen", sagt Hammer. "Man muss immer bedenken, dass es kleine Ortsteile sind. Große Gemeinden haben teilweise erhebliche Probleme, überhaupt ein Team ins Rennen zu schicken. Wir sind in einer glücklichen Lage."