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Bioenergie-Arena: Der Spießer unter den Stadien


Autor: Martin Kreklau

Großbardorf, Mittwoch, 08. Juni 2016

Hätte man im Biedermeier ein Stadion gebaut, es würde aussehen wie die Bioenergie-Arena in Großbardorf. Eine Flucht ins Idyll.
In anderen Stadien fliegen Kippenstummel, Bierdosen und anderer Kram auf den Tribünen herum, in Großbardorf findet sich nur diese eine verwaiste Wasserflasche. Die muss ein Gästefan im Block vergessen haben. Fotos: Martin Kreklau


Manches Wohnzimmer könnte sich in puncto Sauberkeit eine Scheibe von der Bioenergie-Arena in Großbardorf abschneiden. Wo in anderen Stadien zerknüllte Bierdosen, Zigarettenschachteln und Kippenstummel den Boden übersäen, findet sich hier auf dem gesamten Gelände nur eine einsame, leere Wasserflasche. Der Rest wirkt so reinlich, als könne man hier bedenkenlos vom Boden essen. Zur spießbürgerlichen Idylle fehlen nur noch Blumenkästen an den Werbebanden.
Herr des Hauses ist Klaus Lemmer, 67 Jahre alt, seines Zeichens Vorsitzender des TSV Großbardorf, selbst lange Jahre aktiver Fußballer, allerdings nur bis zur A-Klasse, und nebenbei auch Kegler. Ein Mann, der alles für den Verein gibt und sogar an seinem Geburtstag einen Termin mit dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV) wahrnimmt: Stadionbegehung, Prüfung auf Regionalliga-Tauglichkeit.



Eine junge Geschichte

Die Erfolgsgeschichte des TSV Großbardorf ist noch jung: Erst 2003 gelang den "Grabfeld-Galliern" der Aufstieg in die Fußball-Bayernliga. Die Erweiterung des Stadions um eine überdachte Tribüne folgte erst 2009/2010, ein Jahr nachdem der Verein in der Regionalliga gespielt hatte. Aus dieser Zeit stammt auch der Spitzname des Teams, den laut Lemmer ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung geprägt hat: Die "Gallier" aus dem 900-Einwohner-Ort Großbardorf mussten sich gegen etablierte Teams wie den SV Darmstadt, den SC Freiburg II und den FC Heidenheim durchsetzen.
Das hat damals nicht geklappt, doch Lemmer gibt die Hoffnung nicht auf. "Ich habe bereits zum fünften Mal in Folge den Antrag für die Lizenz eingereicht. Die Regionalliga muss unser Anspruch sein", sagt der Vorsitzende. Doch auch dieses Jahr hat es - nach einigen Schwächen in der Schlussphase der Saison - für die Unterfranken nicht gereicht.
In der Regionalliga gäbe es das Derby gegen den FC Schweinfurt 05, das schon früher regelmäßig über 1500 Zuschauer nach Großbardorf gelockt hat. Rekordbesuche gab es allerdings nur bei Spielen der deutschen U-Nationalmannschaften: Die männliche U16 spielte 2011 gegen die Ukraine, die weibliche U17 spielte 2013 gegen Belgien, und beide Male waren über 4000 Zuschauer im Stadion. "Ich habe mir damals viel Mühe gegeben, mehr Publikum zu generieren. Ich habe in Schulen angerufen und gesagt, sie sollen einen Wandertag zu uns machen und das Spiel besuchen", sagt Lemmer. Die beiden Partien waren etwas Außergewöhnliches für den Verein - und auch für den Vorsitzenden: Mit Matthias Sammer, der damals noch Jugend-Koordinator des DFB war, aß Lemmer, der die Geschichte voller Stolz erzählt, in einem Nebenzimmer des Sportheims Bratwurst und trank mit dem heutigen FC-Bayern-Funktionär Kaffee.
Und die Bioenergie-Arena, früher Sportpark genannt, hat noch weitere bekannte Gesichter gesehen. Eines davon ist David Alaba, der österreichische Starspieler des FC Bayern München: "Der hat da draußen schon gekickt", sagt Lemmer und zeigt auf den Rasen, "als die U17 des FC Bayern gegen unsere gespielt hat".


TSV baut auf die Jugend

Überhaupt wird auf die "Kinder" des Vereins viel Wert gelegt, sie werden gehegt und gepflegt. Das Streben nach der Regionalliga ist demnach nicht Selbstzweck, sondern soll junge Spieler motivieren, in der Region zu bleiben oder zurückzukehren. Der aktuelle Bayernliga-Kader besteht zu einem Großteil aus Eigengewächsen.
Wenngleich das Stadion auf den ersten Blick etwas bieder wirkt, so ist es doch gleichzeitig verlässlich, gepflegt und zukunftsorientiert - eine Kombination, die es so heute nur noch bei wenigen Vereinen gibt.