Berauschende Nacht im Volleyball-Tempel
Autor: Jürgen Schmitt
Hammelburg, Sonntag, 05. November 2017
Ein Drama in fünf Akten endet mit einem nicht mehr für möglich gehaltenen Sieg der Hammelburg Volleys über starke Mainzer.
Hammelburg Volleys - TGM Mainz-Gonsenheim 3:2 (25:21, 21:25, 15:25, 25:22, 16:14).
Erster Akt. Ein starkes Stück.
Der erste Ballwechsel sollte Stil prägend sein. Spannend. Intensiv. Qualitäts-Volleyball. Die 600 Zuschauer in der Saaletalhalle genossen diesen formidablen Vortrag mit dem besseren Ende für die Volleys. Der spektakulär im Spiel gehaltene Ball von Moritz Rauber brachte das 5:4, hernach blieb die Führung immer bei den Unterfranken, die in Branko "Brachial" Damjanovic ihren eifrigsten Punktesammler hatten. Einmal schoss der Kroate gar einen Mainzer ab mit seinem stahlharten Aufschlag, dann ein Ass hinterher. Für die Kunst sorgte mal wieder Aldin Dzafic beim 24:20, ehe der Zuspieler mit Oscar Benner den Block zum Satzgewinn stellte.
Zweiter Akt. Berauschte Sinne.
Darf es ein bisschen weniger sein? Darf es eben nicht. Aber es war halt so, dass die Männer von der Saale an allen Ecken und Enden um Nuancen nachließen. Vielleicht etwas zu berauscht von dieser klasse Atmosphäre in der Halle. Die Sinne schienen nicht mehr so geschärft gegen einen Gegner, der seine Fehlerquote nach unten schraubte, bärenstark verteidigte und aus Punktgewinnen nach langen Ballwechseln zusätzliche Energie zog. Tado Karlovic wechselte das Personal, brachte in kurzen Abständen Felix Bendikowski, Bruno Simunic und Henning Schulte, während "Maestro" Dzafic seine Orchester-Kollegen mit dem Benner-Block zum 21:22 umarmte, abklatschte und auf den Endspurt einschwor. Genutzt hatte es nichts.
Dritter Akt. Die Demütigung.
Wieder mit 1:0 geführt. Diesmal durch Henning Schulte. Aber die Truppe aus Rheinland-Pfalz war die Zuverlässigkeit in Person. Vor allem Benedikt Kratschmer war von den Hammelburgern nicht zu stoppen. Bestens unterstützt von Jörn Freiwald, Tobias Brand oder Manuel Lohmann. Die Domstädter ließen es ordentlich läuten, was einer Entweihung des Volleyball-Tempels gleichkam. Typisch für die verwirrte heimische Gemeinde, dass ein Damjanovic-Aufschlag im Kreuz von Bendikowski einschlug.
Vierter Akt. Die Rückkehr.
Das war schon eine kleine Brandrede, die Olly Wendt ans Publikum richtete. Der Mann am Mikro forderte einen Akustik-Zuschlag ein. Es musste ja was passieren, um eine weitere Heimniederlage gegen diese selbstbewussten Rheinhessen zu vermeiden. Der Trainer kehrte derweil zurück zur Startformation, schickte jetzt auch Neuzugang Sebastian Becker ins Rechteck. Und wieder mit 1:0 geführt, dank Mario Radman. Die prägende Figur war aber Peter Wolf. Der steckte zwar noch im schwarzen Dress, aber es hätte auch das Superman-Kostüm sein dürfen. Denn jetzt wurde der Zweimeter-Mann zum Überflieger, der zwischen dem 8:6 und dem 14:12 sechs Angriffsbälle im Mainzer Feld versenkte. Mainz blieb Mainz, aber das Selbstvertrauen der Volleys war jetzt unerschütterlich, die auch bei der Netzarbeit Erfolgserlebnisse hatten wie bei den Block-Winnern von Oscar Benner und Moritz Rauber.
Fünfter Akt. Herzrasen.
Wieder mit 1:0 geführt, durch Peter Wolf natürlich, der ein Ass zum 4:4 lieferte. Aber die Gäste blieben cool, schafften sich in dieser brodelnden Halle ihren eigenen emotionalen Kosmos. Beim 10:13 bekam Friedrich Fell Verantwortung in die Hände gedrückt. Tatsächlich veredelten Oscar Benner und Peter Wolf dessen Angaben zum 12:13. Mainz schlug zurück. Matchball eins: Wird von Peter Wolf entschärft. Matchball zwei: Schlagen die Mainzer ins Seitenaus. Augenblicke später ist das Hammelburger Heldenstück perfekt.
Epilog.
"Dass wir dieses Spiel nach dem ersten Satz aus der Hand gegeben haben, ärgert mich immer noch. Wir haben dafür gesorgt, dass Mainz wieder die Kurve bekam. Aber unser Sieg ist verdient", sagte Hammelburgs Trainer Tado Karlovic, während seine Mannschaft immer noch gefeiert wurde. Das Drama in fünf Akten hatte auch Aline Reinhardt beeindruckt. "Im ersten Satz haben die Hammelburger richtig stark gespielt, danach aber nicht mehr so gut aufgeschlagen, was uns zurück ins Spiel brachte. Später waren es auch eins, zwei schlechte Entscheidungen der Schiedsrichter, die uns zurückgeworfen haben. Dann wird es natürlich eng, zumal die Halle richtig Druck entfacht hat", so die Mainzer Trainerin. Auch Lukas Spachmann hatte bei den Fans den X-Faktor gesehen. "Gerade im Tiebreak hat uns das Publikum geholfen, das ist ja förmlich ausgerastet. Nachdem wir im dritten Satz komplett den Faden verloren hatten, war es natürlich super, so ins Spiel zurückzufinden", sagte Hammelburgs Libero. Und wollte eins hervorheben: "Peter war unser überragender Mann. Aber die letzten Punkte haben wir als Team gewonnen."