Bei der Rhön300 fährt die Lust am Extremen mit
Autor: Jürgen Schmitt
Schondra, Mittwoch, 10. August 2022
Die von Peter Baumgart organisierte touristische Ausfahrt wird im nächsten Jahr noch anspruchsvoller.
Der digitalisierte Schnickschnack rund um den Radsport ist auch in Schondra nicht zu übersehen. Längst ist kein Technik-Nerd mehr, der sich von einem Navigationssystem die Strecke erklären, den Weg zeigen oder sogar eine eigens installierte Kamera laufen lässt. Aber es gibt auch jene Pedaleure, die sich lieber von den farbigen Holz-Schildern an Kreuzungen und Gabelungen leiten lassen, dabei im besten Fall auch etwas mitbekommen von der landschaftlichen Schönheit, die bei der Rhön300 im Übermaß und ganz und gar gratis präsentiert wird, vom Startgeld freilich abgesehen. Aber selbst da sind die Moneten gut angelegt ob der vielfältigen Serviceleistungen dieser Veranstaltung, die ihre fünfte Auflage erlebte.
Mal lauter und mal leiser
Das Gemeinschafts-Erlebnis beginnt weit vor dem Start um 6 Uhr, wenn sich die Strampel-Spezialisten zum Frühstück einfinden, um bei Kaffee und Brötchen oder auch einem Müsli die Energiespeicher zu füllen und um sich vielleicht die aufkommende Nervosität vor dem Zweirad-Abenteuer im Smalltalk wegzureden. Und wer in der Nacht zuvor erst spät in Morpheus Armen ruhte, braucht in der aufkommenden Dämmerung womöglich die Zeit des Schweigens, um sich die Sandkörnchen aus den Augen zu reiben.
Aus dem gesamten Bundesgebiet waren die knapp 400 Starterinnen und Starter gekommen. Für internationales Flair sorgten ein Däne, ein Niederländer, ein Engländer, ein Italiener, ein Belgier und sogar ein Bulgare. Der weit gereiste Teil hatte sich zur Übernachtung ein Quartier in der Nähe gesucht oder es sich in seinem Wohnmobil respektive Zelt oder Auto gemütlich gemacht. Je näher das Startfenster kam, umso wuseliger wurde es am Sportzentrum, umso länger wurde die Schlange am reichlich gedeckten Tisch.
Auch wenn die Kalorien nur so purzeln bei der Rhön300, am Hungerast braucht keiner verzweifelt zu hängen angesichts der insgesamt sechs Verpflegungsstationen. In Tann/Rhön und Oberthulba wurden auf der längsten der vier Strecken sogar warme Mahlzeiten gereicht.
Dass es nur wenige Teilnehmer nicht ins Ziel dieser touristischen Ausfahrt schafften, war den nahezu optimalen Temperaturen geschuldet. Die kurze Klamotte durfte angelegt werden. Die morgendliche Kühle war mit der aufgehenden Sonne schließlich schnell passé, und im Sog des Starterfelds verflogen die ersten Kilometer im Nu. Nach und nach zog sich das Feld auseinander. Wer im kleinen Pulk unterwegs war, sparte im Windschatten Körner, während die Solisten komplett im Wind standen. Damit am besten leben konnte naturgemäß der Schnellste auf der exakt 305 Kilometer langen Langdistanz, der nach nicht einmal elf Stunden vom Moderator im Ziel empfangen wurde. Die Armlinge und Trinkflaschen gab es freilich für alle Finisher, von denen die letzten gegen 21 Uhr eintrudelten.
Mit 68 Jahren einer der ältesten, aber auch schnellsten Teilnehmer auf der 230 Kilometer langen Nordrunde war Bernd Hüfner. Der Speicherzer, ein guter Freund von Veranstalter Peter Baumgart, gehört in seiner Altersklasse zu den national besten Radfahrern. "Dass er dabei war, hat mich richtig gefreut", so Baumgart. Der älteste Teilnehmer war übrigens Ernst Klapproth, der sich mit seinen 81 Jahren die 170 Kilometer lange Südrunde zumutete.
Es wird sich einiges ändern
Der Pechvogel des Tages war jener Fahrer, der nach einem technischen Defekt bei 70 km/h im Graben landete und ins Krankenhaus gebracht, dort aber in den Nachmittagsstunden wieder entlassen wurde. Ein Beispiel dafür, dass die Rhön300 eine touristische Ausfahrt mit hohen Anforderungen ist. Und im nächsten Jahr soll es noch ambitionierter werden. "40 Prozent der Streckenführung ändern sich. Unter anderem gibt es einen Abstecher in den Spessart nach Burgsinn und Mittelsinn. Ein paar Höhenmeter kommen dann auf der langen Strecke auf die aktuell 5000 noch dazu", sagt Peter Baumgart. Das Motto "Erfahre Deine Grenzen" wird bei der Rhön300 maximal gelebt.