Druckartikel: Annika Graser und das zweifelhafte Vergnügen mit den Bayern

Annika Graser und das zweifelhafte Vergnügen mit den Bayern


Autor: Jürgen Schmitt

Aura an der Saale, Dienstag, 01. März 2022

Die Auraerin kam mit dem FC Carl Zeiss Jena im Pokalspiel gegen das Star-Ensemble von der Isar unter die Räder.
Reichlich Abwehrarbeit musste Annika Graser gegen die Frauen des FC Bayern München verrichten, Auf dem Bild verteidigt die Auraerin unmittelbar vor Torfrau Inga Schuldt.


Als gestandene Bundesliga-Spielerin muss Annika Graser solche Nackenschläge wegstecken: 1:9 hieß es am Rosenmontag-Abend im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen den FC Bayern München. Das Star-Ensemble von der Isar war als turmhoher Favorit angereist, doch ganz so einfach hatte es sich der Tabellenführer der Bundesliga wohl nicht vorgestellt. Im Punktspiel-Duell hatten sich die Thüringerinnen ja mehr als achtbar verkauft bei der 0:3-Niederlage am Bayern-Campus. Eine Pokalsensation wäre wohl nur dann im Bereich des Möglichen gewesen, hätte Bayern-Trainer Sven Scheuer seinen deutschen Nationalspielerinnen eine Pause gegönnt nach ihren Einsätzen unlängst beim Arnold Clark-Cup in England. Auf der Bank der Roten saß zumindest Top-Torjägerin Lea Schüller, aber eine Linda Dallmann lief ebenso im Ernst-Abbe-Sportfeld auf wie eine Giulia Gwinn oder eine Klara Bühl, und viele weitere Auswahlspielerinnen ihres Landes drumrum.

Im Mittelfeld stets präsent

Und Annika Graser? Die war dank hoher Laufintensität stets präsent im Mittelfeld des Aufsteigers, aber entscheidende Akzente setzten konnte die Auraerin diesmal nicht gegen die bestens geölte Pressing-Maschine der Münchner, die immer wieder Ballverluste des Gegners erzwangen, fein nach vorne kombinierten und nur deshalb keinen zweistelligen Sieg feierten, weil Inga Schuldt im Tor der Gastgeber eine außerordentlich famose Vorstellung bot und mit Abstand die beste Jenaerin war.

Dass das Match live auf dem Bezahlsender Sky gezeigt wurde, war einerseits ein positives Zeichen hinsichtlich der Professionalisierung des Frauenfußballs hierzulande, andererseits für die FC Bayern-Frauen womöglich ein guter Grund, das Gaspedal bis zur allerletzten Spielminute durchzudrücken ob dieser Werbe-Plattform.

"Das Ergebnis ist schon bitter. Wir hatten uns auf diese einmalige Chance gefreut, und die meisten von uns sind in diesem Wettbewerb noch nie so weit gekommen. Heute hatte der Pokal jedenfalls nicht seine eigenen Gesetze", sagte Annika Graser unmittelbar nach dem Spiel. Die Studentin von der Fränkischen Saale spielte gescheite Pässe, leistete sich unter Druck allerdings auch so manchen Ballverlust. Nach 75 Minuten war Feierabend für die 22-Jährige.

Sechs Treffer in der ersten Halbzeit

Schon vor der Pause hatten Klara Bühl (10, 39.), Jovana Damnjanovic (25., 37.) und Lina Magull für klare Verhältnisse gesorgt, nach dem Wechsel legten Saki Kumagai (57., 78.), Viviane Asseyi (83.) und Maximiliane Rall (88.) Treffer nach. Es passte ins Bild, dass der Ehrentreffer der Thüringerinnen aus einem Eigentor von Hanna Glas resultierte, als die Jenaerinnen erstmals überhaupt den Strafraum der Bayern erreicht hatten - in Minute 41. "Uns hat einfach der Mut gefehlt. Es ist nicht nur ein Klassenunterschied, da sind gefühlt zwei Klassen dazwischen. Das tut mir leid für die Fans. Es ist einfach enttäuschend", bilanzierte mit Anne Pochert die Trainerin des FC Carl Zeiss Jena.

Immerhin 500 Fans hatten das Spiel live im Stadion gesehen und dürfen mit ihrer Eintrittskarte am Sonntag (13 Uhr) gratis das Duell gegen den SC Sand verfolgen. Für Annika Graser kehrt damit schnell wieder der Liga-Alltag ein, das Spiel selbst dürfte für die 22-Jährige aber nicht minder aufregend werden. Im Team der Baden-Württemberger steht zum einen die ehemalige Teamkollegin Leonie Kreil aus Poppenroth. Zum anderen gilt es nach dem ersten Saisonsieg, einem 2:0 beim SV Werder Bremen, den nächsten Schritt Richtung Klassenerhalt zu machen. "Wir müssen das Pokalspiel jetzt abhaken. Gegen Sand hatten wir im Hinspiel beim 0:0 die besseren Chancen. Und meiner Meinung nach sind wir auch die bessere Mannschaft", lautet die Graser'sche Kampfansage.

Ein Statement gegen den Krieg

Den größten Applaus von den Rängen hatte es vor dem Spiel gegeben, als sich beide Mannschaften hinter einem "Stoppt-den-Krieg"-Plakat gruppierten. Dass die Jenaerinnen (wie gewohnt) in den Farben der ukrainischen Flagge aufliefen, sorgte für ein zusätzliches symbolisches Element. Alle Ticketeinnahmen des DFB-Pokal-Spiels zwischen dem FC Carl Zeiss Jena und dem FC Bayern München werden der Aktion "Deutschland hilft" zur Verfügung gestellt, das Bündnis deutscher Hilfsorganisationen unterstützt damit vom Krieg betroffene Menschen in der Ukraine.