Druckartikel: Spontane Hilfe ist lebenswichtig

Spontane Hilfe ist lebenswichtig


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Freitag, 20. Dezember 2013

Was passiert, wenn Impfstoffe im Kühlschrank aufgehoben werden müssen - und der Strom ist abgestellt?
Die Saale-Zeitung sammelt Spenden für Bedürftige aus dem Landkreis.


Wie wichtig der Spendentopf der Aktion Weihnachtshilfe für die alltägliche und tägliche Arbeit ist, das merkt Caritas-Sozialberaterin Gabriele Morath immer wieder. "Aber diese Woche", sagt sie "habe ich mal wider besonders deutlich gemerkt, wie gut es ist, dass es ihn gibt, weil man damit spontan und ohne bürokratische Hürden reagieren und handeln kann."
Dabei hat sie von dem Fall, auf den sie sich bezieht, sozusagen aus zweiter Hand erfahren - von Kolleginnen aus der Sozialstation. Die haben ihr erzählt, dass sie zu einem Mann gekommen sind, der wegen einer Erkrankung regelmäßig gespritzt werden muss. Dass sie am hellichten Tag kamen, ist von Bedeutung, weil dadurch das große Dilemma nicht gleich erkennbar wurde.Aber als die Pflegerinnen die Impfrationen für die nächsten Tage in der Küche im Kühlschrank deponieren wollten, mussten sie feststellen, mussten sie feststellen, dass er gar nicht lief, weil in der ganzen Wohnung der Strom abgestellt war. Dass auch nichts Essbares mehr drin war, war eine andere Beobachtung.

Konsequent auf Null gestellt

Der Mann war schon einige Zeit lang schlicht und einfach nicht mehr in der Lage gewesen, seine Stromrechnungen zu bezahlen. Da hatten die Stadtwerke nach einigen Mahnungen schließlich reagiert und den Schalter konsequent auf Null gestellt.
Den Caritas-Mitarbeiterinnen konnte die Situation nicht gleichgültig sein. Denn das Impfserum muss gekühlt werden. Das könnte man natürlich auch in der Sozialstation, aber dann müsste jedes Mal, wenn der Patient auf der Besuchsliste steht, die Fahrt unterbrochen werden, um die Spritzen zu holen, und damit geht wertvolle Zeit verloren.

Rasche Hilfe war geboten

Gabriele Morath: "Als ich den Hinweis bekommen habe, habe ich sofort bei den Stadtwerken angerufen und darum gebeten, den Strom so schnell wie möglich wieder freizuschalten. Und die haben das gemacht, weil ich ihnen ohne große Formalitäten eine Abschlagszahlung ankündigen konnte." Es hätte wenig Sinn gemacht, sich erst mit dem Mann hinzusetzen und zu überlegen was da schief gelaufen ist und wie er aus der Misere wieder herauskommen kann. Das hätte viel zu viel Zeit gekostet. Und es sei auch nicht besonders praktisch, Spritzen bei Kerzenlicht zu verabreichen.
Und die Problematik geht ja auch noch weiter: "Wenn eine Haushaltshilfe kommt, braucht die doch auch warmes Wasser. Mit kaltem Wasser zu putzen oder zu spülen macht ja auch wenig Sinn."

Verborgenes Warnsignal

Die spontane Hilfe heißt aber nicht, dass diese Prüfungen und Gespräche nicht trotzdem stattfinden müssen - aber erst, wenn der Strom wieder fließt. Denn die laufenden Stromrechnungen des Mannes können nicht aus dem Spendentopf bezahlt werden. Dafür ist er nicht da. Gabriele Morath weiß, dass sie sich schon deshalb wieder mit dem Fall befassen muss, weil der kranke Mann alleine gar nicht in der Lage wäre, seine Situation zu durchleuchten und zu klären und Verhandlungen mit den zuständigen Ämtern und Firmen zu führen. Wobei sie großen Wert auf die Feststellung legt, dass sie die Stadtwerke nicht in ein schlechtes Licht rücken will: "Die gehören wirklich zu dem Geduldigeren im Lande. Aber irgendwann müssen sie halt auch handeln."

Verborgenes Warnsignal

Außerdem sieht sie auch in dem leeren Kühlschrank ein Signal einer großen Bedürftigkeit, die umso größer wird, je weiter der Monat voranschreitet. Das ist auch immer mehr ein Thema in der Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen der Caritas-Sozialstationen im Landkreis, in in jüngster Zeit aus der Not heraus immer enger geworden: "Die kommen halt in die Wohnungen rein und sehen, was los ist. Von denen bekomme ich immer mehr Hinweise, wo akuter Handlungsbedarf besteht und wo sich die Leute nicht mehr selber helfen können." Gabriele Morath ist auf diese Hinweise angewiesen, denn Armut macht verschämt und zeigt sich nicht gerne in der Öffentlichkeit: "Es muss den Leuten schon sehr schlecht gehen, bis sie von sich aus zu mir kommen und um Hilfe bitten. Vor allem alte Menschen, insbesondere Frauen, sind da sehr zurückhaltend." Aber manchmal wissen sie auch gar nicht, dass und wie sie sich helfen lassen können.
"Wenn die Leute endlich bei mir im Zimmer sitzen, dann haben sie ein Riesenpaket an Problemen dabei, weil sie nichts mehr regeln können." Sehr oft sind es alte Frauen, die nicht oder nur geringfügig beschäftigt waren, kaum Rente beziehungsweise Grundsicherung haben und deren Männer sich um die finanziellen Dinge in der Familie gekümmert haben - und die ihr Wissen mit ins Grab genommen haben. Diese Unwissenheit schlägt oft um in bitterste Armut. Dass hier mit spendenfinanzierten Lebensmittelgutscheinen geholfen werden kann, ist eine große Erleichterung.

Frechheit siegt nicht

Almosen gibt es aus dem Spendentopf der Weinhnachtshilfe nicht. die Gelder, die Gabriele Morath vergibt, versteht sie zu allererst als Hilfe zur Selbsthilfe. Und wenn sie Möglichkeiten sieht, wird auch eine Rückzahlung vereinbart. die hat sogar schon des Öfteren funktioniert, weil die Selbsthilfe funktioniert hat, weil die Menschen wirklich wieder auf die Beine gekommen sind. Aber die Bedürftigkeit muss auch wirklich nachgewiesen sein. Was bei ihr nicht funktioniert, ist Frechheit: "Da stand jetzt ein junger Mann vor mir und sagte: ,Ich habe gehört, dass ihr Stromrechnungen bezahlt.' Der junge Mann war genauso schnell wieder draußen, wie er hereingekommen war."