Druckartikel: Spitze des Mottener Kirchturms ist ab

Spitze des Mottener Kirchturms ist ab


Autor: Birgit Will

Motten, Sonntag, 07. Oktober 2012

Wetterhahn, Kreuz und Kugel wurden zur Restaurierung geborgen. Beim Blick in die Kugel gab es eine Enttäuschung: Lediglich eine Flasche mit einem Schriftstück war darin enthalten. Zu entziffern war zunächst nur die Jahreszahl 1896.
Am Kranhaken schwebt die Kirchturm-Spitze zu Boden. Fotos: Birgit Will


Weil der Turm bis zur Spitze eingerüstet ist, muss man schon genau hinschauen: Die Mottener Kirche hat derzeit keine Spitze. Turmkreuz samt Wetterhahn wurden im Zuge der Kirchturm-Sanierung abmontiert. Beides soll saniert werden. Nur eine Handvoll Zuschauer, darunter Pfarrer Michael Krammer und Bürgermeister Jochen Vogel, verfolgten die Bergung des einstigen Schmuckstückes in luftiger Höhe live.
Dazu geht es zunächst mit dem Aufzug und anschließend mit ein wenig Kletterarbeit über die letzten drei Etagen des Gerüsts bis auf die Spitze des Turms der Mottener Pfarrkirche St. Bartholomäus in knapp 40 Metern Höhe. "Das hat man nicht jeden Tag", freut sich Pfarrer Krammer bei dem seiner Ansicht nach historischen Ereignis dabei zu sein.

Zwei Mitarbeiter der mit der Sanierung beauftragten Firma Frommen Holz aus Motten lösen zunächst die Schrauben der Spitze und klopfen schließlich das Turmkreuz ganz aus seiner Verankerung vom so genannten Kaiserstiel, dem obersten Bauteil der Dachkonstruktion. Doch die gesamte Aufmerksamkeit der Anwesenden gilt in diesem Moment dem Inhalt der rostigen, mit Schusslöchern durchsetzten Kugel am Fuße des Kreuzes. Sie ist nicht fest verschlossen und durch die handbreite Öffnung kann Pfarrer Krammer der Kugel eine kleine durchsichtige Flasche entnehmen.

Skeptisch begutachtet er den Inhalt: ein Schriftstück.

Später in der Sakristei lüftet Pfarrer Krammer das Geheimnis, indem er die Flasche mit einem Hammer kaputt schlägt. Das Schriftstück ist extrem brüchig und das Geschriebene in altdeutscher Schrift stark verblasst. Die Enttäuschung ist dem Pfarrer praktisch ins Gesicht geschrieben. "Ich habe erwartet, dass mehr drinnen ist als eine verdreckte Flasche", meint er, vielleicht seien seine Erwartungen auch zu groß gewesen. "Das Schriftstück wandert jetzt ins Diözesanarchiv", erklärt er und hofft, dass man es dort entziffern kann. Immerhin verrät die gut lesbare Jahreszahl "1896" das Alter des Dokuments.

Der Kran hat indessen das 2,30 Meter lange und rund 150 Kilogramm schwere Turmkreuz sicher zu Boden gebracht. Die Zimmerleute tragen es zunächst in die Kirche, wo es für jedermann zu bestaunen ist. "Ich werde es auch mit meinen Schulkindern besichtigen", erzählt Pfarrer Krammer. Danach soll es zügig abtransportiert und saniert werden.

Krammers Wissen nach ist das Kreuz so alt wie der Kirchturm, der im 16. Jahrhundert erbaut wurde. Mit seiner spitzen "Echternadel", benannt nach dem Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, sei die Form des Turmes typisch für die damalige Zeit, so der Seelsorger.

Zunächst sollen Kreuz, Hahn und Kugel gereinigt und verzinkt werden. Nach den letzten Gesprächen mit Pfarrer, Kommune, Kirchenverwaltung und Restauratorin ist man sich einig, den Hahn, die Enden des Lilienkreuzes, die beiden Blumen in der Mitte des Kreuzes und die Kugel zu vergolden. Die Kosten hierfür sind bei den Gesamtkosten der Turmrenovierung von 270.000 Euro mit eingerechnet, die zu je einem Drittel von Kirchenstiftung, Gemeinde und Diözese Würzburg getragen werden. "Ich hoffe, dass es nicht viel mehr wird", befürchtet Pfarrer Krammer aber, dass der Kostenrahmen wohl nicht ganz eingehalten werden kann.

Umso zuversichtlicher ist er, dass sich das voraussichtliche Bauende Anfang nächsten Jahres nicht noch weiter nach hinten verschiebt. Die Wiederanbringung des renovierten Kreuzes auf dem Kirchturm wird seiner Meinung nach den krönenden Abschluss der Bauarbeiten markieren. Vorher soll die goldene Turmkugel mit einer gut verschlossenen Kartusche bestückt werden. "Man tut etwas hinein, was spätere Generationen als Zeugnis der Zeit identifizieren können, wie Münzen, Zeitungen und Dokumente", so Pfarrer Krammer. Damit soll diesen wohl die gleiche Enttäuschung erspart bleiben wie ihm.