Druckartikel: Spielzeug für die Weihnachtszeit

Spielzeug für die Weihnachtszeit


Autor: Christian Dijkstal

Bad Kissingen, Mittwoch, 05. Dezember 2012

Das Museum Obere Saline zeigt Wohnräume en miniature. Ein Besuch gleicht einer Zeitreise quer durch Möbelstile aus rund 150 Jahren.
Tan Trinh und ihre Muitter sind aus Hammelburg nach Bad Kissingen gekommen. "Sieh mal", meint Tan, "wie klein das alles ist. Wie die das wohl gemacht haben?"  Fotos: Christian Dijkstal


"Ich wünschte, ich wäre eine Puppe", sagt Tan Trinh strahlend. "Dann könnte ich da drinnen wohnen." Die Neunjährige betrachtet aufmerksam die Räume eines großen Puppenhauses. Mit großen Augen "wandert" sie durch die Räume. "Mir gefällt das Schlafzimmer. Es sieht fast aus wie echt."
Ihr Bruder Duy schaut in eine andere Ecke des naturgetreu eingerichteten Hauses. Neben Schminkecke, Wohnzimmer und Küche gibt es einen Raum oben rechts, der seine Aufmerksamkeit gefunden hat. "Mir gefällt diese Toilette", sagt er verschmitzt grinsend. Auch hier ist alles der Wirklichkeit perfekt nachempfunden -bis hin zur winzigen Papierrolle. Duy ist nicht der einzige, der hier genauer hingeschaut hat: Das Örtchen hat es bis in den Fotokalender gebracht, der zur Ausstellung erschienen ist. Der Siebenjährige, der mit Mutter und Schwester aus Hammelburg ins Museum Obere Saline gekommen ist, hat einen Blick für kleine Details.

Einen Raum weiter findet er die Mausefalle samt Maus, die eine Puppenküche verschönert.
Puppenküchen sind in großer Zahl in der Ausstellung "Im Kleinen Wohnen" zu sehen. Wenn man sie betrachtet, begibt man sich auf eine Zeitreise: Die Möbelchen und die übrige Ausstattung sind ein Querschnitt der Möbelstile aus rund 150 Jahren. Und das eine oder andere Stück ist technisch simpel, aber raffiniert gemacht. In einer Küche, die nach 1900 entstanden sein dürfte, kann aus einem Hahn sogar Wasser laufen. "Das ist echt cool", sagt Tan.
"Ich habe eine Bäckerei und ein Theater", erzählt das Mädchen. Sie und - manchmal - auch ihr Bruder Duy können das ganze Jahr über damit spielen, wenn sie mögen. Kaum vorstellbar, dass das einmal anders war. Kinder früherer Generationen freuten sich nämlich im Advent nicht nur auf Weihnachten, weil es Plätzchen, einen festlich geschmückten Baum und nützliche Geschenke gab: Sie freuten sich auch darauf, dass das Puppenhaus endlich wieder aufgebaut worden war.
Das Puppenhaus war ein Weihnachtsspielzeug? "Das war immer so", erinnert sich Hilla Schütze, deren Eltern ihr in Kindertagen auch ein Puppenhaus gebaut hatten. "Man hat es gar nicht anders gewusst." Puppenhaus oder -stube standen unter dem Weihnachtsbaum, und irgend etwas war neu dazu gekommen oder umgestaltet. Der Kaufmannsladen war da; die geöffneten Schubladen waren neu gefüllt. Bis Dreikönig (6. Januar), manchmal auch bis Lichtmess (2. Februar) konnten die Kinder mit Puppenhaus und Kaufmannsladen spielen. Dann verschwanden sie wieder und wurden bis zum nächsten Heiligabend gut verwahrt. "Das jährliche Erlebnis ist schöner, als wenn man etwas das ganze Jahr über zur Verfügung hat", meint Hilla Schütze.

Echte Handarbeit

Vielleicht gäbe es das eine oder andere Stück heute gar nicht mehr, wenn es anders gewesen wäre. "Da mit diesem Spielzeug nur relativ kurze Zeit gespielt werden durfte", schreibt Birgit Schmalz vom Stadtarchiv, die die Ausstellung initiiert und organisiert hat, "konnten viele Stuben über mehrere Generationen vererbt werden." Wer durch die Räume des Museums geht, staunt, wie individuell die Häuser, Stuben und Küchen sind. Einem Aufruf des Museums folgend, haben 15 private Leihgeber aus dem Raum Bad Kissingen alte Schätze zur Verfügung gestellt; sie selber haben die Häuser und Stuben, die in den Vitrinen zu sehen sind, dort aufgebaut. Oft sind es Objekte, die Väter gezimmert und mit selbst gemachten Möbeln en miniature ausgestattet haben, und deren Textilinventar - vom Vorhang bis zum Puppenkleid - aus der Produktion der Mutter stammt. So sieht der Betrachter auch, dass manches Stück in schlechten Zeiten liebevoll aus einfachstem Material gemacht wurde.
Den Häusern und Stuben, die als Spielzeug in verschiedenen Familien in Gebrauch waren, stehen Exponate aus der Sammlung der Renate Dichtel, geborene Lochner von Hüttenbach gegenüber. Sie wurde 1914 im Schloss ihres Vaters, dem heutigen Bad Kissinger Rathaus, geboren. Sie liebte Puppenstuben; neben einem alten Exemplar aus der Zeit um 1840, die ihre Großtante ihr vererbte, und einem Häuschen, das ihr Vater 1924 für sie baute, hat sie selber viele Puppenstuben gebaut und ausgestattet. 2010 erwarb die Stadt Bad Kissingen die Sammlung der 2007 verstorbenen gebürtigen Kissingerin. Der Wunsch, die Sammlung zeigen zu können, war für Birgit Schmalz Anlass, die Sonderausstellung, dem Thema "Puppenstube" zu widmen. Jahreszeitlich passend, finden sich in den "Guten Stuben" auch oft Christbäume.
Im Spielzeugmuseum hat Hilla Schütze passend Puppenstuben aus ihrer Sammlung ausgestellt; auch hier stammt die älteste aus der Biedermeierzeit und ist ein Erbstück aus der Familie der Sammlerin. Daneben gibt es Stuben aus dem Rheinland zu sehen, die Kurgäste mit nach Bad Kissingen brachten, und ein Puppenstubenspielbuch.
Dass die Ausstellung übrigens nicht nur Kinder begeistert, bestätigt Manfred Steffan aus Bamberg, der eigentlich mehr ein Fan technischen Spielzeugs ist. "Der Besuch hat sich gelohnt", sagt er. "Das alte Spielzeug fasziniert, weil es den Geist der Zeit wiedergibt." Die für die Ausstellung Verantwortlichen lobt er: "Es gehört viel Wissen und Geduld dazu, das zusammen zu tragen."



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Saale-Zeitung