Spiegelbild der Dorfgeschichte
Autor: Johanna Kellermann
, Dienstag, 24. April 2012
Jürgen Hüfner sammelt in seiner Praxis Utensilien und Bilder aus längst vergangenen Tagen. Alte Scheune bildet den historischen Rahmen.
Das dürfte wohl einmalig sein! Wer das erste Mal die Räume der Physio-Praxis von Jürgen Hüfner in Schönderling betritt, sieht sich sofort in ein Museum versetzt. Sie befindet sich in der Scheune des früheren "Birke"-Anwesens. Der "Birke Bruno" war der Patenonkel von Hüfners Frau Steffi. "Eine ledige Tante, die noch das Insitzrecht hatte, erlebte den Um- und Ausbau mit", berichtet Hüfner. "Etz konnste ja goarkei Fuhr Frücht mehr neigefoahr", habe sie die Veränderungen bedauert. Die "Frücht", die Jürgen Hüfner hier lagert, sind von ganz besonderer Art.
Eine von seinen Leidenschaften gilt nämlich der Geschichte des Dorfes, des ländlich geprägten Umfeldes. Das, was andere längst "naus gehaut hom", ist für ihn wertvoll. Jedes einzelne Stück seiner Sammlung beinhaltet gleichzeitig ein Stück Geschichte, der er auch akribisch nachgeht. Gleich neben der Rezeption ist in einem Vitrinenschrank eine Sammlung von Gegenständen rund um die Jagd zu sehen. Jedem Museum würde dies zur Ehre gereichen.
Sie gehörten Gottlieb Kaiser, der von 1861 bis 1948 lebte. "Wir haben sein altes Haus gekauft", erzählt Hüfner. "Aber ich wollte das Haus samt Inventar haben. Wahrscheinlich wäre das meiste sowieso rausgeflogen." Aus diesem Inventar stammen die umfangreichen Jagdutensilien.
Neben einer Auswahl an alten Pfeifen hat sich ein Jagdbuch erhalten. "Diese Aufzeichnungen sind sehr kostbar", sagt der Besitzer der "Physioscheune". Daneben sieht der Besucher eine umfassende Sammlung von Schädeln von Kleintieren, die der ehemalige Besitzer wohl selbst präpariert hat. Allerlei Geräte zur Herstellung von Patronen und Hundepfeifen ergänzen die Sammlung.
An den Wänden hängen großformatige Fotos von alten Höfen aus der ehemaligen Gemeinde Schönderling. "Münchau, Geiersnest und Schmittrain gehörten dazu", erläutert Hüfner, der diese Fotos teilweise aufgearbeitet hat. Aber nicht nur der Vorraum mit Rezeption gleicht einem Museum. Überall in den Räumen sind themen-zugeordnet Gerätschaften des früheren täglichen Lebens, des Handwerks oder der Landwirtschaft zu entdecken. "Hier habe ich das "Wasch-Lawoa" aus den Zeiten, als es noch keine Wasserleitungen in den Häusern gab", sagt Hüfner. Ein Waschtisch und die dazugehörige Schüsseln mit Wasserkrug und Seifenschale demonstrieren jedem seiner Besucher, wie einfach es heute die Menschen haben.
Im Obergeschoss geht es weiter. Jeder Platz ist genutzt. Viele der alten Geräte sind themenmäßig zusammengestellt. Hier Mangrolle und Mangbrett, Wäschestampfer und Wassertrage. Was war das früher für eine harte Arbeit, Wäsche zu waschen.
An anderer Stelle hat Hüfner einen original alten Schneidertisch sehen. "Der stammt von Anton Gerlach, genannt Schnabbesch Anton, aus Schönderling", sagt er, "da habe ich alles, was dazu gehört. Die Geschichte ist voll dokumentiert. Alte Fotos gehören dazu." Und auch hier immer wieder alte Fotos, zum Beispiel über den "Birkehof". Selbst der große Gymnastikraum kann die hier Übenden in frühere Zeiten versetzen. Wald- und Holzwirtschaft wird hier thematisiert. Hier findet sich auch ein Foto des Schönderlingers Hugo Kaiser (1894 -1914), der aus dem Haus stammt, aus dem die Jagdutensilien kommen. Gefallen in Flandern: "Grüßt mir meinen Wald und meine Laute", wurde von dem musikalischen Schönderlinger übermittelt.
Angefangen hatte Hüfners Sammelleidenschaft "mit meiner Schönderlinger Homepage, als ich auf der Suche nach alten Fotos war. Diese historischen Bilder haben mich total begeistert", sagt er. Er versuchte, möglichst von jedem der alten Häuser ein Foto zu finden und war über die Qualität der oft sehr alten Aufnahmen begeistert. War anfangs nur eine "Heimatecke" geplant, ist inzwischen ein höchst sehenswertes kleines Museum daraus entstanden. Und das wird - zwangsläufig - tagtäglich belebt mit all denen, die hier zur Therapie kommen. Doch gerne gesehen ist, laut Hüfner auch jeder, der einfach Mal vorbeikommen möchte. "Wir haben keine festen Öffnungszeiten wie ein Museum, denn so lange, wie bei uns gearbeitet wird, ist auch offen", sagt der Schönderlinger, der der Meinung ist, dass jedes Dorf einen Ort haben sollte, an dem man sich in die eigene Geschichte vertiefen kann.