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Soldaten in Hammelburg zu Einzelkämpfern ausgebildet


Autor: Arkadius Guzy

Lager Hammelburg, Freitag, 13. Sept. 2013

Nach sechs Jahren Pause sind die Einzelkämpfer wieder zurück auf dem Lagerberg in Hammelburg. Ihre Ausbildung hat Tradition und bringt die Soldaten bewusst an ihre physischen und psychischen Grenzen.
Soldaten durchschwimmen die Saale bei Gräfendorf. Foto: Bundeswehr/ Niklas Pritzsche


Um das Essen müssen sich die Soldaten vorerst noch keine Sorgen machen. Sie haben mit der Anstrengung und der Witterung genug zu kämpfen. "In der Nacht war es kühl und feucht", sagt Paul Grieger. Im Zelt hätten sich die Kameraden aneinander geschmiegt. Nun schwitzt Grieger mit Waffe und 25 Kilogramm Marschgepäck am Körper unter seinem Helm. Der Offizier wartet darauf, dass er sich als Nächster den Abhang am Schloss Greifenstein abseilen kann.

"Wir beißen uns gemeinsam durch", meint Grieger.

Er und seine Kameraden werden in den kommenden Tagen in der Einzelkämpferausbildung bewusst an ihre physischen und psychischen Grenzen gebracht. "Das geschieht durch körperliche Belastung, Schlaf- und Nahrungsentzug", erklärt Oberstleutnant Simon Leidner, Chef der neuen IX. Inspektion. Der Lehrgang bereitet die Teilnehmer darauf vor, als versprengter Soldat oder isolierte Gruppe zu überleben und sich zu den eigenen Truppen durchzuschlagen.

Eingangstest ist die erste Hürde

Die Teilnehmer müssen "100-prozentig fit sein". Wer krank oder angeschlagen anfängt, hat keine Chance. Von zu Beginn 54 Soldaten sind in der zweiten Woche 31 übrig. Der Rest hat den Eingangstest nicht bestanden: Die Hindernisbahn muss unter 2:15 Minuten absolviert werden. Zudem müssen die Soldaten drei Kilometer mit zehn Kilogramm Gepäck unter 19 Minuten zurücklegen. Grieger hat sich dafür zusätzlich zur Vorausbildung mit Laufen in Form gehalten.

Leidner sagt: "Es ist wichtig, dass sich die Soldaten auch mental auf die Einzelkämpferausbildung vorbereiten." Der Lehrgang unterscheide sich von einer normalen Gefechtsausbildung. Rauchen, Alkohol und Handy sind verboten. Ab der zweiten der insgesamt vier Wochen schlafen die Soldaten im Basislager in Tipis. In den ersten Tagen wird ihnen eingeschärft, kein Essen und keine Medikamente einzuschmuggeln. Denn die dritte Woche, die "Hungerwoche", müssen sie von Montag bis Donnerstag mit Notriegel und Brühwürfel überstehen. Danach dürfen die Soldaten im Teich eine Forelle fangen. Und ein speziell berechtigter Ausbilder macht vor, wie ein Kaninchen geschlachtet wird.

Auf dem Lagerberg sind die Verantwortlichen stolz, dass die Einzelkämpferausbildung von Altenstadt zurück nach Hammelburg verlegt wurde - auch wenn nach sechs Jahren Pause der Ausbilderstamm teilweise neu aufgebaut werden musste. Pro Jahr soll es bis zu acht Lehrgänge mit je 100 Soldaten geben. Dazu kommen zwei Durchgänge Einzelkämpferausbildung Teil II, in denen die Teilnehmer lernen, ein Jagdkommando hinter feindlichen Linien zu führen. Der dritte Block der Einzelkämpferschulungen ist der Kurs "Ausbildungsleiter militärischer Nahkampf". Er wird bis zu fünfmal im Jahr stattfinden.

Ausbildung prägt sich tief ein

Die Einzelkämpferausbildung prägt sich den Soldaten als Ausnahmesituation tief ein. Viele Ehemalige erinnern sich noch nach Jahren an Details. "Uns wurde der Arsch von den Ausbildern aufgerissen", erzählt Erich Schneider. Der 83-Jährige gehörte 1958 zu den ersten Soldaten der Bundeswehr, die die Ausbildung in Hammelburg absolvierten. "Fast zu jeder Tag- und Nachtzeit läuteten die Alarmglocken, und ab ging es auf die Hindernisbahn, ins Schwimmbad, auf den Sportplatz oder ins Gelände."

Schneider erzählt, dass bei Orientierungsübungen das Essen in den Bäumen hing. Er besitzt einige Fotos von damals. Ein Bild zeigt einen Stabsunteroffizier, wie er Soldaten, die auf dem Boden liegen, über die Hälse balanciert. Der Ausbilder soll danach angeblich entlassen worden sein. "Diese Sachen sind später aus dem Lehrgang herausgenommen worden", sagt Schneider. Die Anforderung, körperlich in optimaler Verfassung zu sein, hat die Zeiten aber überdauert.