Söckchen waren die Glücksbringer
Autor: Werner Vogel
Reiterswiesen, Freitag, 22. November 2013
Maria und Erwin Seufert begegneten sich das erste Mal auf der Ludwigs- brücke. Acht Monate später heirateten sie.
Sie waren sich im März auf der Ludwigsbrücke begegnet und Erwin Seufert fiel auf, dass das junge, hübsche Mädchen trotz der Kälte nur Söckchen trug. Auch am nächsten Tag sah man sich zufällig wieder, und die Söckchen waren ein Anlass für Erwin, sie anzusprechen. "Da hat's aber noch nicht gefunkt", schmunzelt er. Wochen später, beim Fußball auf dem alten Sportplatz am "Schammel" in Reiterswiesen, sah er sie wieder: "Das ist doch die mit den Söckchen", freute er sich und von da an nahm das Schicksal seinen Lauf. Eine Einladung zum Tanz in der "Jägersruh" in Garitz nahm sie an und am 23. November 1948, also vor 65 Jahren, traten Maria und Erwin in Arnshausen vor den Traualtar.
"Mika" nennt er sie liebevoll noch heute, obwohl ihr ostpreußischer Rufname längst als Maria im Pass eingetragen ist. Sie stammt aus einem der großen Bauerhöfen des Bezirks Lengainen nahe Allenstein und floh am im Januar 1945 vor den heranziehenden Russen mit ihren Eltern und drei Schwestern im Pferdewagen in Richtung Ostsee, wo man hoffte, sich mit einem Schiff nach Deutschland durchzuschlagen. Lebhaft erzählt sie, dass man innerhalb von zwei Stunden das Dorf verlassen musste. Zehn Tage sind sie bei eisiger Kälte zu Fuß unterwegs gewesen, haben irgendwo in Scheunen geschlafen und sich dann den tausenden Flüchtlingen angeschlossen, die über das zugefrorene Frische Haff vor dem Grauen des Krieges flohen. Von Stettin aus versuchten sie, sich nach Reiterswiesen durchzuschlagen, wo die Familie Verwandtschaft hatte. Im Güterwagen der Bahn schafften es drei der Mädchen tatsächlich nach Bad Kissingen.
Ihrer guten landwirtschaftlichen Kenntnisse wegen kam Mika im Bauernhof der Familie Kiesel ("Appels August") in der Flurstraße unter und arbeitete dort gegen Kost und Logis. "Ich wurde wie ein Familienmitglied behandelt", ist sie den Nachfahren heute noch dankbar.
Erwin Seufert ist gebürtiger Arnshäuser und hat sein Leben im Stadtteil verbracht. Mit 16 wurde er Flakhelfer und kam nach Kriegsende kurz in Gefangenschaft. Als Handlungsreisender war er über 40 Jahre für die Firma Elektro Häfner, Bad Kissingen, im Landkreis und darüber hinaus unterwegs, wo er viele Bekanntschaften schloss, mit denen er noch heute Kontakt hält. Stolz erzählt er, dass er vor kurzem für 70 Jahre in der Feuerwehr Arnshausen geehrt worden ist.
Noch immer im eigenen Haus
Das Paar wohnte im Haus der Eltern, Mika führte den Haushalt und pflegte später jahrelang die Schwiegereltern. Zwei Söhne, Dieter und Frank, bereicherten das Leben des Jubelpaares. Sie wohnen noch immer im eigenen Haus und versorgen sich selbst. Aber auch Schicksalsschläge blieben nicht aus. So verstarb der ältere der beiden Söhne schon 1982. Auch eine schlimme ärztliche Diagnose hatten die Seuferts zu verkraften. Seit 1991 ist Maria Seufert erblindet, erkennt nur noch Umrisse, ist immer auf fremde Hilfe angewiesen.
Trotz ihrer 85 Jahre sind beide jedoch von großer geistiger Frische, wirken lebensfroh und optimistisch. Zum Glück ist Erwin Seufert wie er sagt: "Kerngesund! Bei mir finden die Ärzte nichts". Er pflegt seine Frau allein, führt den Haushalt und in ihren Augen vermeint man doch ein paar Tränen zu entdecken, wenn sie über ihn sagt: "Liebe ist, wenn man sich gegenseitig pflegt".
Das Tor zur Welt draußen ist für Mika Seufert die Saale Zeitung. Die Zeitung ist das A und O des Tagesablaufs bestätigt auch Erwin. Vor allem für das örtliche Geschehen interessiert sich Maria Seufert, und so liest er ihr den Kissinger Teil immer vor. "Natürlich will ich wissen, wer verstorben, ist und dann interessiert mich vor allem, was in Arnshausen und Reiterswiesen passiert", bestätigt Mika gut gelaunt.
Ihren Ehrentag wollen die Seuferts bescheiden zuhause feiern, denn Maria kann das Haus kaum noch verlassen. Sie freuen sich, wenn Verwandte und Freunde kommen, und außerdem hat der Oberbürgermeister sein Kommen angesagt, verkünden die Jubilare stolz.