So weit die Füße tragen
Autor: Stefan Geiger
Oerlenbach, Dienstag, 24. Sept. 2013
Die Oerlenbacher Pilger nahmen wieder große Anstrengungen auf sich. Aber genau daraus zogen sie neue Kraft für den Alltag.
Zum 145. Mal war "Maria im grünen Tal" in Retzbach Ziel der Oerlenbacher Wallfahrer. Und auch diesmal passte einfach alles: Herrliches Wetter, große Beteiligung, reibungsloser Ablauf und am Ende Vorfreude auf das nächste Jahr.
Einen Bund mit Petrus müssen die Oerlenbacher schon haben: Rechtzeitig verzogen sich Regen und Kälte, ideale äußere Bedingungen, um die körperlichen Strapazen des langen Weges an den beiden Tagen über 100 Kilometer
zu verkraften.
Schon zum Start versammelten sich in der Kirche St. Burkard 153 Pilger, um nach dem Segen von Pfarrer Balthasar Amberg "mitten in der Nacht" um 2.30 Uhr aufzubrechen. Unterwegs reihten sich viele weitere Teilnehmer ein, so dass der Zug auf 302 Personen anwuchs.
Zehnjähriger hält wacker durch
Jüngster war der zehnjährige Sebastian Schubert aus Ebenhausen, der sich mit seiner Mutter ab Schwebenried einreihte. "Ich wollte einfach mal dabei sein", erzählte er und meisterte die 28 Kilometer bis zur Wallfahrtsstätte problemlos. Ältester Pilger war Ehrenwallfahrtsführer Wilhelm Karch (Oerlenbach), der mit seinen 85 Jahren noch mit für die Verkehrsabsicherung sorgte und die Zimmerverteilung auf der Benediktushöhe regelte. Zu denen, die das erste Mal dabei waren, gehörte der 42-jährige Thomas Schmitt aus Rottershausen. Er hatte ein echtes Motiv: "Freunde gaben mir ihre Begeisterung von der Wallfahrt weiter. Jetzt haben wir uns ein Haus gebaut. Alles ist gut gegangen. Ich wollte Gott danken." Wallfahrtsführer Otmar Seidl, sein Stellvertreter Otmar Lutz und 30 Helfer für Verkehrssicherung, Fahrzeugbegleitung, Vorbetungsdienst, Lautsprecher, Bild- und Fahnenträger sowie Getränke- und Essensversorgung engagierten sich, um alle gut ans Ziel zu bringen.
Betend und singend unterwegs
Gebet, Lied und Betrachtungen füllten den Großteil des Wegs. Mit auf dem Weg war wieder eine 23 Personen zählende Musikkapelle, die den Gesang begleitete und an den Raststationen in Schwebenried, Binsfeld, Brebersdorf und Kronungen den Gastgebern mit Ständchen dankten.
Zum 40. Mal war Kurt Federau, gebürtiger Oerlenbacher und jetzt wohnhaft in Tettnang, dabei. Er erinnert sich: "Mit 15 Jahren wollte ich es einfach aus sportlichen Gründen wissen. Ich war so fasziniert, dass ich - abgesehen von einem Jahr - immer komme." Seit Jahrzehnten kümmert er sich um die Verkehrsregelung, früher mit Fahnen, heute per Funk.
Höhepunkte für die Wallleut' waren der Einzug in Retzbach mit "O Freuden über Freuden, dass ich gekommen an" und die Rückkehr in Oerlenbach sowie die abendliche Feier mit Gottesdienst und Lichterprozession. Bischof Friedhelm Hofmann gab in seiner Predigt den Appell von Papst Franziskus weiter, die Liebe Jesu an die Mitmenschen weiterzutragen. Dieses verantwortliche Miteinander präge eine Wallfahrt, wenn ein langer Weg körperliche Grenzen aufzeige, aber die Beschwernisse in Gemeinschaft verkraftet würden. Dieser Friede fange im Kleinen an und möge weltweit greifen. Bischof Hofmann lud zum 17. Mai 2014 nach Retzbach ein, wenn sich Bayern erneut der Gottesmutter anvertraue. Am Ende der Liturgie zeichnete er zusammen mit Wallfahrtspfarrer Gerold Postler Pilger aus, die zum 25. oder 40. Mal dabei waren. Der erste Tag klang mit einem geselligen Miteinander aus, in das sich Bischof und Wallfahrtspfarrer mischten.
Vom Pilgern angesteckt
Unter den "Silbernen" Jubilaren (25 Jahre) war Renate Hemmerich (Oerlenbach). Ihr Ehemann, der schon 40 Mal dabei war, hatte sie 1985 ermutigt, den Weg zu probieren. "Das wirkte wie ein Virus. Seitdem mache ich mit", sagt Hemmerich. Ähnliches gilt für Michaela Schmitt (Rottershausen). Seit 1986 setzte sie nur wegen der Kinder zwei Mal aus: "Retzbach gibt mir so viel: Ich tanke für ein Jahr Kraft im Unterwegssein in so großer Gemeinschaft. Das Wallfahren übernahm ich von meiner Mutter, die jetzt zum 44. Mal mitmachte." Früh aufstehen hieß es am nächsten Tag zum Morgengottesdienst um 6 Uhr. Nach dem Frühstück brachen 174 Fußpilger zum Rückweg auf gleicher Route auf. Um 20 Uhr erreichten sie Oerlenbach, um in einer Lichterprozession, begleitet von Pater Roja (Bad Kissingen), Angehörigen und Bewohnern, in die Kirche einzuziehen und mit einem "Großer Gott wir loben dich" für gesunde Rückkehr zu danken.
Geehrte Pilger
25. Mal (Wallfahrtskreuz): Renate Hemmerich (Oerlenbach), Michaela Schmitt (Rottershausen), Ingrid Beck (Holzhausen) und Josef Gräupner (Hain)
40. Mal (Ehrenbild): Kurt Federau (Oerlenbach/Tettnang) und Walter Breitenbach (Kronungen)