Druckartikel: So sehr verändert der Biber die Landschaft

So sehr verändert der Biber die Landschaft


Autor: Heike Beudert

Großwenkheim, Montag, 30. Mai 2022

Großwenkheim ist ein Hotspot für die Vogelwelt im Landkreis. Was der Biber damit zu tun hat, erklären die Naturschützer.
Das Wannigtal gleich hinter Großwenkheim ist wild und ursprünglich geworden. Der Biber hat diese Veränderung bewirkt. Foto: Heike Beudert


Lautes Quaken erfüllt die Luft rund um den Großwenkheimer Bibersee. Nicht nur der Namensgeber für den See fühlt sich in dieser Umgebung wohl, sondern auch die Frösche, wie ihr Konzert belegt. Dabei ist dieses Natur-Idyll in einer Senke gerade einmal sechs Jahre alt. "Man kann sich kaum mehr vorstellen, dass hier früher Wiese war", sagt die Fachreferentin Naturschutz am Landratsamt Bad Kissingen, Doris Hupfer. Bereits zwei Jahre nach dessen Entstehen wiesen ehrenamtliche Umweltschützer an dem Gewässer 105 Vogelarten nach, die entweder dort brüteten, rasteten oder auf Futtersuche gingen.

"Der See ist ein Hotspot der Biodiversität", erklärt Doris Hupfer. Für die Vogelwelt gibt es nichts Vergleichbares im Landkreis Bad Kissingen, sagt Matthias Franz, der Biodiversitätsmanager am Landratsamt. Dass die Tierwelt, darunter ebenso Insekten und Amphibien, das Terrain so schnell erobert hat, liegt nach Auskunft von Doris Hupfer am Biber. Es sei belegt, dass Bibergewässer sich schneller naturnah entwickeln als vom Menschen renaturierte Bereiche. Aber auch die Topographie begünstigt die Entstehung dieser Naturlandschaft.

Der unermüdliche Nager formt seit 2016 rund um Großwenkheim die Landschaft nach seinen Bedürfnissen. Auch entlang der Wannig hat sich die Umgebung komplett verändert. Der kleine Bachlauf sieht heute zwischen Großwenkheim und Kleinwenkheim an einigen Stellen wieder ein bisschen so aus, wie es gewesen sein muss, als der Mensch noch nicht regulierend eingegriffen hatte. Hier entsteht gerade eine wilde, ursprünglich wirkende Auenlandschaft.

Dort, wo das Wasser aufgestaut wird, steigt der Wasserspiegel. Das führt dazu, dass entlang des Bachlaufs Bäume abgestorben sind, weil ihre Wurzeln die Nässe nicht vertragen. Die kahlen Äste ragen jetzt silbergrau in den Himmel. In der neu entstehenden Aue gibt es nach Auskunft von Matthias Franz wieder ganz andere Lebensgemeinschaften wie am Bibersee. Die abgestorbenen Bäume bieten Nistplätze für Höhlenbrüter. Doris Hupfer geht davon aus, dass schnell neue Bäume nachfolgen, Weiden beispielsweise. Die sind zum einen Lieblingsnahrung der Biber und haben die Fähigkeit, immer wieder neu auszutreiben.

In Großwenkheim werde der Natur durch den Biber wieder ein Stück ursprünglicher Landschaft zurück gegeben, sagen Doris Hupfer und Matthias Franz. Die Ackerfluren des hier beginnenden Grabfelds habe erst der Mensch gestaltet, in dem Entwässerungsmöglichkeiten geschaffen hat. Die Entwicklung komme nicht nur der Fauna zugute. Eine wichtige Rolle spielen sie bei der Wasserrückhaltung. Diese verbessere auch die Wasserqualität im Bezug auf Phosphor und Nitrat. Und auch die Grundwasserbildung werde gefördert.

Doch entstehen durch die neue Situation auch Konflikte. In Großwenkheim werde durchaus kontrovers über diese Entwicklung diskutiert, weiß Ortsreferent Arno Schlembach. Auch bei ihm schlagen zwei Herzen in einer Brust. Zum einen sieht er, wie sich die Tierwelt entfaltet, zum anderen versteht er die Bauern, die sich um ihre Felder sorgen. "Die Landwirtschaft muss damit klarkommen", sagt Schlembach.Man versuche, Rücksicht auf die Landwirte zu nehmen, erklärt Matthias Franz. Denn gerade rund um den Bibersee ist landwirtschaftliche Fläche verloren gegangen oder hat die Bodenqualität verändert. Viele Flächen seien deshalb mittlerweile ins Vertragsnaturschutzprogramme aufgenommen, um die Bauern zu entschädigen.

Zwischen Großwenkheim und Kleinwenkheim hat der Naturschutz es etwas leichter, weil dort viele Wiesen bereits 1998 von der Stadt zu Renaturierungszwecken aufgekauft worden waren. Es gibt jedoch Befürchtungen, der dort verlaufende Radweg könne irgendwann einmal versumpfen. Matthias Franz und Doris Hupfer gehen davon aus, dass es nicht passieren wird. Aber an manchen Stellen sind es nur ein paar Schritte vom Radweg bis zu den durchtränkten Wiesen.

Einen Widerspruch sieht Arno Schlembach im Umgang mit den absterbenden Schwarzerlen entlang der Wannig. Dass dies in Kauf genommen wird, widerstrebe vielen Leuten im Ort. Andere sorgen sich um die Sicherheit, weil die kahlen Baumgerippe nicht entfernt werden. Mehr als 100 Bäume seien bereits verloren gegangen. "Der Biber darf alles kaputt machen", stellt Schlembach fest, während jeder alte Baum im Dorf geschützt wird und erhalten werden muss.

Doris Hupfer und Matthias Franz kennen die Bedenken. Zumindest für den Verlauf der Wannig entlang des Dorfrandes soll es jetzt eine Lösung geben. Wenn die entsprechende Vereinbarung mit der Stadt getroffen ist, können in diesem genau festgelegten Umgriff dann Biberburgen ohne vorherige Absprache mit der Unteren Naturschutzbehörde von den Bürgern entfernt werden.

Gerade für den Wannigverlauf zwischen Groß- und Kleinwenkheim gilt dagegen: Die Leute müssen sich an die Landschaft gewöhnen. Dazu gehört auch, dass die Aue nicht mehr aufgeräumt wirkt.