So kommt der Hirsch über die Autobahn
Autor: Matthias Litzlfelder
Oberthulba, Dienstag, 30. Juli 2019
Sie zerschneiden Waldgebiete und verhindern den genetischen Austausch: Autobahnen sind für Wildtiere oft unüberwindbare Barrieren. Hier setzen Grünbrücken an. Fünf gibt es aktuell in Franken. Weitere sollen hinzukommen.
Für die Wölfin war es ein tödliches Hindernis. Das junge Tier, das heuer im März auf dem Mittelstreifen der A 73 bei Möhrendorf nördlich von Erlangen leblos gefunden wurde, wollte auf seinem Streifzug die Autobahn überqueren. Das versuchen jedes Jahr viele Wildtiere - oftmals lassen sie dabei ihr Leben.
Es ist nicht nur der Wolf, der gerne auf Wanderschaft geht. Vor allem das Rotwild, also Hirsche, nutzen jahrhundertealte Routen. Etwa zwischen Rhön und Spessart.
Seit 2012 können sie dabei an einer Stelle im Landkreis Bad Kissingen gefahrlos die A 7 überqueren. Die Grünbrücke Neuwirtshauser Forst bei Oberthulba wurde eigens aus diesem Anlass gebaut. Sie ist eine von fünf solcher Brücken in Franken. Vier befinden sich in Unterfranken, eine in Oberfranken (siehe Karte).
Genetischer Austausch
"Wir haben dort sehr hohe Rotwildbestände", sagt Daniel Zippert, Leiter des Forstbetriebs Hammelburg der Bayerischen Staatsforsten, über den Standort der Grünbrücke Neuwirtshauser Forst. "Im Gegensatz zum Reh ist der Hirsch kein Territorialtier." Dabei geht es bei so einer Brücke nicht nur darum, Unfälle mit Wild zu vermeiden oder den Verlust am Bestand geringer zu halten. "Für alle Wildtiere, die sich zu Fuß fortbewegen, ist der genetische Austausch wichtig", sagt Zippert.
Peter Reichelt hat diese Brücke von Anfang an betreut. Der Angestellte im Sachbereich Landschaftsplanung bei der Autobahndirektion Nordbayern ist alle zwei Monate mal hier, um an den sechs an Pfosten auf der Brücke verteilten Wildkameras die Speicherkarten zu wechseln. Jeweils 32 Gigabyte Speicherplatz, das reicht für 50 bis 200 Auslösungen. Meist queren die Tiere bei Nacht die Autobahn, manchmal stolzieren sie aber auch am Tag darüber.
"Da reibt sich die Wildkatze"
Wer sich der 50 Meter breiten Brücke vom Wald aus nähert, ist überrascht, wie uneben die Fläche ist. "Die Senken sind gewollt", sagt Reichelt. Ebenso die Totholzhaufen, Wacholderbüsche oder kleinen Kieferntriebe im Boden. Schließlich soll alles natürlich sein. Der Rasen ist trocken, ein sogenannter nährstoffarmer Magerrasen. Ein Habichtskraut ist zu sehen, ebenso ein Gewöhnlicher Natternkopf. "Die Saatgutmischung auf der Brücke ist so gewählt, dass ein hoher Kräuteranteil dabei ist. Das ist für das Wild interessant", erklärt der Grünbrückenexperte.
An einem kleinen Holzpfosten bleibt Reichelt stehen. "Da reibt sich die Wildkatze", berichtet er. Schon zwei, drei Monate nach ihrem Bau sei die Brücke von den Wildtieren gut angenommen worden. Rehe, Wildschweine, Dachse, Füchse, Marder oder Hasen - immer wieder lösen die versetzt angeordneten Kameras aus und dokumentieren den Wildwechsel.