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Skurril, schrill und frech


Autor: Sigismund von Dobschütz

Bad Kissingen, Sonntag, 04. Oktober 2015

Die "Lästerschwästern" zogen im Kurtheater über das aktuelle Zeitgeschehen her und ließen auch das Publikum nicht ungeschoren.
Starke Mimik und freche Dialoge lieferten die "Lästerschwästern" beim Kissinger Kabarettherbst.  Fotos: Sigismund von Dobschütz


Vor den beiden "Lästerschwästern" ist niemand sicher: Bayerisch-kraftvoll und wortgewaltig mokierten sich die Münchnerin Dorothea Anzinger und Martina Wick-Laudahn aus Oberbayern über das aktuelle Zeitgeschehen, ließen aber auch das Publikum nicht ungeschoren und zogen gern über sich selbst her. Ihr zweistündiges Programm "Schicht im Schacht! Jetzt nehmen wir's persönlich!", die zweite Veranstaltung im 17.

Kissinger Kabarettherbst, wurde im fast ausverkauften Kurtheater begeistert aufgenommen.


Heiße Wortgefechte

Skurril und manchmal schrill, oft doppeldeutig und frech liefern sich die beiden Freundinnen auf der Bühne heiße Wortgefechte und machen sich, begleitet von starker Mimik und wirkungsvollen Denkpausen, über Themen her, die die Deutschen bewegen.
Freilich waren nicht alle Programmnummern neu, da beide Kabarettistinnen nur nebenberuflich auf der Bühne stehen. Doch entweder war das Thema noch immer aktuell oder es gelang den beiden Freundinnen, durch Einbau neuer Textpassagen den aktuellen Bezug herzustellen. So reichte der Themenbogen von der sich seit Jahren wiederholenden Griechenland-Krise über den gebeutelten Euro bis zum Flüchtlingsdrama heutiger Tage.


Stacheldraht ums Dorf

Als oberbayerische Stammtischbrüder machten sie sich Sorgen über die Flut der Flüchtlinge, wollten gar ihr Dorf durch Nato-Stacheldrahtzaun sichern, allenfalls "die Flüchtlinge vor den Flüchtlingen" aufnehmen. Denn eines blieb für sie klar: "Bayern bleibt bayerisch!" Allerdings hatten sie schon die Asylanten Mustafa und Ali aufgenommen, deren Verwandlung in echte Bayern nur noch eine Kleinigkeit schien: "Das mit dem Schweinefleisch kriegen wir auch noch hin." Immerhin war die Rollenverteilung schon geklärt: "Ali, hol uns mal ein Bier."
Integration war für Martina Wick-Laudahn auch eine willkommene Ausrede, als sie, die mit modernen Medien eigentlich sonst nichts anzufangen wusste, auf der Internet-Seite "www.thai-loverboy.com" eine Bestellung abgeben wollte. Dabei handele es sich keinesfalls um einen Callboy, sondern lediglich um einen "Liebhaber auf Zeit", den sie zugleich mit der deutschen Kultur vertraut machen wolle. Die scheinbar unverzichtbaren "Social Networks" waren dagegen Sache ihrer Freundin Dorothea Anzinger, die gleich bei Programmbeginn über Facebook den Kontakt zum Publikum suchte. Während sie vergeblich auf digitale Freundschaften wartete, bevorzugte die bodenständige Martina lieber analoge Kontaktaufnahme zu einem Herrn in der ersten Reihe.
Vor allem die Frotzeleien zwischen den beiden Freundinnen kamen beim Publikum gut an. Gab Dorothea Anzinger die moderne, allen Neuerungen und Modetrends aufgeschlossene Frau, setzte Martina Wick-Laudahn den konservativen Gegenpart. So meckerte sie über Dorotheas "Power-Armband aus Mondgestein", es scheine ihr eher aus dem Kaugummi-Automaten zu kommen.


Pointen und feine Ironie

Wer Spaß an Pointen und feiner Ironie hatte, kam bei den "Lästerschwästern" voll auf seine Kosten. Das galt auch für die herbeiapplaudierte Zugabe. Als Zwillingsföten im Mutterleib eng aneinandergeschmiegt, kommentieren beide Frauen, was draußen wohl auf sie zukommen mag: Kaum geboren, hat man gleich einen Haufen Schulden, soll für Griechenland bezahlen, wird in der Kita früh gefördert, um nach dem schnellen G8-Abitur gleich den "Brutkasten-Bachelor" zu machen. Macht es, da ohnehin nur lieblos im Reagenzglas gezeugt, überhaupt noch Sinn, geboren zu werden? Oder sollte man nicht doch noch eine Warterunde einlegen? Wenigstens solange, bis "Mama Merkel" nicht mehr Bundeskanzlerin ist?