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Sieg-Heil-Rufe: Urteil gegen Zeitsoldaten


Autor: Benedikt Borst

Bad Kissingen, Dienstag, 14. April 2015

Ein 21-Jähriger Zeitsoldat ruft mit Kameraden in der Kaserne Hammelburg während einer Feier rechte Parolen. Was als schlechter Witz im Rausch begonnen hat, hat das Amtsgericht über Wochen beschäftigt. Gestern fiel das letzte Urteil.
Foto: Archiv


Zwei Mal musste die Verhandlung gegen einen 21-jährigen Bundeswehr-Soldaten unterbrochen werden. Gestern, rund sechs Wochen nach dem ersten Verhandlungstag, fiel das Urteil.

Der Mann wurde beschuldigt mit zwei weiteren Kameraden im Juli auf einer Geburtstagsfeier in der Hammelburger Kaserne bei "Sieg-Heil"-Rufen mitgemacht zu haben. Seine Kameraden sind in der Zwischenzeit rechtskräftig verurteilt worden. Gestern folgte ihnen auch der 21-Jährige, ein Zeitsoldat. Das Amtsgericht Bad Kissingen sah seine Schuld als erwiesen an und verurteilte ihn wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu je 50 Euro.

Im Juli 2014 lief eine private Geburtstagsfeier aus dem Ruder. Es floss reichlich Alkohol. Der Angeklagte und seine beiden Kameraden feierten zunächst an einem See und anschließend in einem Waschraum in der Kaserne. Fest steht, dass dort ein Sketch des Komikers Jonny Buchardt auf Youtube angesehen und nachgespielt wurde. Der Sketch war Teil eines Karnevalsauftritts von 1973. Dazu gehört eine Szene, in der Buchardt das Publikum narrt und auf seine Aufforderung Sieg als Antwort Heil rufen lässt. Das Video mehr als 1,1 Millionen mal geklickt.
Fest steht außerdem, dass aus dem Waschraum laute "Sieg-Heil"-Rufe von Soldaten zu hören waren. Das Gericht hatte gestern die Frage zu klären, ob der 21-Jährige wie seine beiden Kameraden ebenfalls aktiv die Parole gebrüllt hat. Die gestrige Verhandlung drehte sich um den Hauptzeugen, einer der beiden bereits verurteilten Soldaten. Der Mann war zu den beiden vorangegangenen Terminen nicht erschienen und auch gestern entstand in der Verhandlung der Eindruck, dass der junge Mann am liebsten irgendwo wäre, Hauptsache nicht im Zeugenstand. Nachdem seine Vernehmung beendet war, verließ er fluchtartig den Gerichtssaal.

Der Zeuge hatte seinen Kameraden in einer ersten internen Untersuchung der Bundeswehr kurz nach der Tat eindeutig belastet. In weiteren Vernehmungen ruderte er jedoch zurück und relativierte seine Aussagen. Vor Gericht versuchte er dann, die erste Vernehmung als betrunkenes Gerede darzustellen. Er behauptete, sich nicht konkret erinnern und schildern zu können, ob der Angeklagte an den Rufen beteiligt war. Mit der Aussage konnte der Mann aber weder die Staatsanwaltschaft noch die Richterin überzeugen.

Beide hielten ihm seine erste und sehr konkrete Aussage bei der Bundeswehr vor. "Ich finde, das klingt sehr detailreich und gar nicht, als ob sie vernebelt waren", sagte die Vorsitzende. "Ich bezweifle, dass sie die Wahrheit sagen." Dem Zeugen droht jetzt erneuter Ärger wegen uneidlicher Falschaussage.

Der Angeklagte äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Die Staatsanwaltschaft sah ihre Vorwürfe vor allem wegen der ersten Aussagen des Hauptzeugen als bewiesen an und forderte eine Geldstrafe von 65 Tagessätzen, die Verteidigung beantragte dagegen einen Freispruch. Es sei kein rechtes Gedankengut erkennbar. Und: "Im Ergebnis ist die Tat nicht nachzuweisen", hieß es. Die neue Aussage des Hauptzeugen sei glaubwürdig, weil dieser bereits verurteilt sei und keinen Grund mehr zum Lügen habe.

Die Richterin folgte dem nicht und stützte ihren Schuldspruch auf die Aussage aus den internen Ermittlung der Bundeswehr. "Sie waren an diesen "Sieg-Heil"-Rufen beteiligt", sagte sie. Sie schränkte aber ein, dass die Aktion dem Alkohol geschuldet sei. Dennoch: "Sie waren nicht auf neutralem Gelände, sondern in der Bundeswehr. Sie als Zeitsoldat hätten besondere Verantwortung gehabt, sich nicht zu beteiligen."

Neben der Geldstrafe hat der Angeklagte eine Disziplinarstrafe der Bundeswehr verbüßt. Aus dem Dienst entlassen jedoch wird er nicht. Ein entsprechender Antrag wurde bereits von der Bundeswehr abgelehnt.