Shakespeare, Storm und Ballett
Autor: Gerhild Ahnert
Bad Kissingen, Donnerstag, 11. Juli 2019
Eine größere historische Spannweite als im Programm des 35. Theaterrings der Stadt Bad Kissingen, dessen Programmheft jetzt ausliegt, war wohl nie als in seiner neuesten Auflage.
Theater ist ein lebendiges Guckloch in das Leben von Menschen früherer Zeiten und gleichermaßen ein Ort für die Auseinandersetzung mit unserer eigenen Zeit und ihren Problemen. Eine größere historische Spannweite als im Programm des 35. Theaterrings der Stadt Bad Kissingen, dessen Programmheft jetzt ausliegt, war wohl nie als in seiner neuesten Auflage. Von den nicht nur für die Geschichte Griechenlands, sondern ganz Europas so wesentlichen Perserkriegen um 500 vor Christus bis zum rechten Terror 2017 in Deutschland reicht das Spektrum der für die Spielzeit 2019/20 geplanten Stücke.
Das mutmaßlich älteste erhaltene europäische Theaterstück, Aischylos' "Die Perser", wurde 472 vor Christus uraufgeführt und handelt vom Sieg der Athener über die Perser in der Seeschlacht von Salamis. Das Theater Hof spielt es in der neuen Übersetzung des Büchner-Preisträgers Durs Grünbein und beabsichtigt zu zeigen, "wie gültig Aischylos eine (...) Analyse von Angst vor und Anziehung durch das Fremde beschrieben hat".
Ganz auf unseren Nägeln brennt uns die Bühnenversion von Fatih Akins 2018 für den Oscar vorgeschlagenem Kinofilm "Aus dem Nichts", einem Rachethriller, in dem eine Frau den Terrortod ihres Mannes und ihres Sohnes im rechten Terrorsumpf aufzuklären versucht. EURO-Studio Landgraf bringt ihn in prominenter Besetzung ins Kurtheater.
Auch "Maß für Maß" von William Shakespeare ist eine politische Komödie. Ein amtsmüder Herzog übergibt die Macht an einen ausgewiesenen Gutmenschen, der dieses Vertrauen missbraucht. Die Shakespeare Company Berlin hat sich gemeinsam mit dem Theater Basel dieses Klassikers über einen schwachen und einen allzu rigorosen Herrscher angenommen.
"Die Physiker"
Das Tournee-Theater Thespiskarren aus Hannover wird mit einem berühmten Stück gastieren, dessen Aktualität leider anhält: Die Bedrohung durch Atomwaffen ist aufgrund der Iran-USA-Krise auch in unseren Tagen wieder aktuell. Friedrich Dürrenmatt zeigt in seiner tiefschwarzen Nachkriegskomödie "Die Physiker", die eigentlich ein Thriller ist, wie sich die Hoffnung der Naturwissenschaftler auf ein Ausschöpfen der unermesslichen Energien im Atom durch den Abwurf der beiden Bomben auf Hiroshima und Nagasaki 1945 in Angst vor der totalen Zerstörung unserer Zivilisation verwandelten. Peter Bause als Möbius und seine Frau Hellena Büttner als Frau von Zahnd kommen mit dem Stück endlich einmal wieder zum Theaterring.
Auch in Theodor Storms Novelle "Der Schimmelreiter" geht es um die Versuche des Menschen, die Naturgewalten zu bändigen. Sein Protagonist Hauke Haien kämpft im Gefolge der Aufklärung und im Vertrauen auf die Möglichkeiten des Verstandes um eine Verbesserung der Schutzdeiche gegen die Nordseefluten. Christian Schidlowsky, der schon in "Jugend ohne Gott" und "Jagdszenen aus Niederbayern" gezeigt hat, dass er die gefährliche Dumpfheit geschlossener Gemeinschaften sichtbar machen und hochdramatisch gestalten kann, hat den Klassiker des 19. Jahrhunderts für das Theater Maßbach inszeniert.
Ein Großstadtkrimi
In die Riesenstadt Berlin mit ihrer schon Anfang des 20. Jahrhunderts vielschichtigen Bevölkerung führt das Schauspielensemble Hof mit Gerhart Hauptmanns gesellschaftskritischer Komödie "Die Ratten". In diesem "Großstadtkrimi" trifft in einer riesigen Mietskaserne nahe dem Alexanderplatz ein Konglomerat der Berliner Gesellschaft aufeinander (Münchner Residenztheater).