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Selbstverteidigungskurs für Frauen: Trittfest gegen Angreifer


Autor: Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Freitag, 21. März 2014

Beim Schutz gegen Gewaltbereite spielt die Körpersprache eine mindestens genauso große Rolle wie der richtige Befreiungsgriff. Diesen müssen Frauen eher bei Bekannten als bei Fremden anwenden.
Beim Schutz gegen Gewaltbereite spielt die Körpersprache eine mindestens genauso große Rolle wie der richtige Befreiungsgriff. Foto: Carmen Schmitt


Laut wurde es erst in den letzten zehn Minuten. Abwechselnd droschen acht Frauen auf die Polster ein. Mit der Faust, dem Fuß und einem Schrei. Keine Gnade für das blaue und das rote Schlagschild. Zunächst zögerten die Damen, wollten nicht so recht zuhauen. Nach ein paar Schlägen und Tritten kamen sie auf den Geschmack: "Das ist richtiger Aggressionsabbau", sagt Bianka Friedrich und lacht. Der Angriff, den die Frauen proben, kann im Ernstfall ihr Leben retten. Auf dem Weg zur Selbstverteidigung ist der Körpereinsatz aber der letzte Schritt, meint Andreas Haberzettl, der den Selbstverteidigungskurs für Frauen leitet. Attacken können schon mit der richtigen Ausstrahlung vermieden werden.

Die graue Maus trifft es eher

Der "Weiße Ring" macht sich dafür stark, dass Straftaten erst gar nicht passieren. Heute ruft der gemeinnützige Verein zum Internationalen Tag der Kriminalitätsopfer auf. "Der Täter sucht sich jemanden aus, mit dem er leicht fertig wird", sagt Roland Schmied von der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle in Schweinfurt. Die sprichwörtliche "graue Maus" passe eher in dieses Schema, als eine Frau mit offensivem Auftreten. Der Kriminaloberkommissar gibt Kurse zur "verhaltensorientierten Prävention" von Übergriffen. Er klärt darüber auf, wie Menschen allein mit ihrer Präsentation und ihrem Verhalten einem Angriff entgehen können. "Frauen können im Parkhaus die Plätze benutzen, die heller sind und näher am Ausgang liegen." Auch für den Heimweg hat er Tipps: "Die Bequemlichkeit führt uns oft auf den einfachsten Weg, auch wenn der nicht der sicherste ist." Die Beleuchtung spiele eine große Rolle, erklärt Roland Schmied. "Mir wäre es lieber, die Leute hätten eine Taschenlampe dabei, als ein Pfefferspray." Er rät, bestimmte Handlungen in den Alltag einfließen zu lassen. Sein Handy dabei haben und einen Umweg mit besserem Licht wählen. "Man darf aber nicht paranoid werden."

Wenig Überfälle im Landkreis

"Die Fälle sind sehr selten", sagt Stefan Haschke, der Leiter der Bad Kissinger Polizeiinspektion. Im vergangenen Jahr zählten die Beamten im Landkreis zehn sexuelle Nötigungen, bei denen Frauen angegangen wurden. Darunter war ein Überfall. Meistens passieren die Übergriffe innerhalb von Beziehungen, erklärt Haschke. "Gewalt gibt es häufig im bekannten Umfeld. Täter und Opfer kennen sich." Zufallstäter sind Ausnahmen. "Deshalb ist das Ausweichen so wichtig", sagt Andreas Haberzettl. "Die Situation mit Freunden oder Bekannten lösen, bevor sie eskaliert." Der 53-Jährige steht in seinem weißen Karateanzug vor den acht Frauen. Ein Grundprinzip für die Selbstverteidigung: "Aus der Angriffslinie gehen. Der Kraft des Gegners ausweichen." In Zweiergruppen spielen die Mädchen und Frauen einen Konflikt nach. Sie schlüpfen in die Rolle des Opfers und des Angreifers. Um dem Täter überhaupt etwas entgegen setzen zu können, sei die Atmung von großer Bedeutung, ebenso wie ein fester Stand: "Nur wer atmen kann, kann auch reagieren." Vor Schreck bleibt vielen sprichwörtlich die Luft weg, erklärt der Trainer.

Mutter und Tochter wehren sich

Haberzettel will an den Kursabenden auch an der Körperwahrnehmung der Teilnehmer arbeiten. "Die nimmt bei der Computerarbeit immer mehr ab." Bianka Friedrich spürt den Unterschied: "Mir ist vor allem das Atmen viel bewusster geworden und dass ich erst dann reagieren kann, wenn ich Bodenhaftung habe." Sie hat sich zusammen mit ihrer Tochter zu dem Selbstverteidigungskurs angemeldet. Ihr Mann wollte, dass die Tochter mitmacht, um sich wehren zu können. Liane Penno will ihre Körperbeherrschung verbessern. Die Zwölfjährige fühlt sich schon nach dem zweiten Abend sicherer als vorher.

So wird man stärker

"Sollte eine Frau nicht ausweichen können und es kommt doch zum Kontakt, muss sie alles dafür tun, um loszukommen." Und das möglichst schnell: "Meistens hat sie nur eine Chance." Dann gilt es, alle Kraft zu mobilisieren. "Arme, Rumpf und Beine, ihr müsst den Körper als Einheit einsetzen", sagt Andreas Haberzettl. "Dann seid ihr viel stärker."




Kommentar von Carmen Scmitt: Gebt Acht auf eure Juwelen!


Die Wurzel der Dunkelziffer ist alkoholgetränkt. Bei Schnaps und Schoppen sitzen die Hände lockerer und der Anstand geht schnell Baden. Was für den einen ein Spaß, wird von der anderen Seite bestenfalls als solcher verbucht. Doch die Grenzen verschwimmen oft im biertrüben Blick. Ob Klapps oder Knuff: Wer zu eilig Körperkontakt sucht, riskiert einiges. Ist das vermeintlich schwache Geschlecht nicht so recht angetan von den Annäherungsversuchen, weiß es sich durchaus zu wehren. Die Trittkraft der Damen ist in ähnlichem Maß ausgeprägt wie die der Männer. Ob die geistige Betäubung durch Bier und Whisky dann auch als Schmerzstiller funktioniert?