Für Frauen, die in ihrem häuslichen Umfeld Gewalt erfahren, gibt es Hilfe in Frauenhäusern und bei speziellen Beratungsstellen - auch wenn es immer noch viel zu wenige sind. Doch auch gewalttätige Männer brauchen Unterstützung. Diese Männer sind oft in einem Kreislauf der Gewalt gefangen: Dem gewalttätigen Handeln folgt die Versöhnung, die jedoch häufig mit einer Angst der Partnerin einhergeht, dass es wieder zu gewalttätigem Handeln des Mannes kommen kann - was sich leider häufig bewahrheitet. Verbreitete gesellschaftliche Meinung ist es, dass diese Männer für ihr gewalttätiges Handeln bestraft werden müssten. Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen aber, dass Bestrafung den Kreislauf der Gewalt nur zeitweise unterbricht. Der Grund dafür: Die Männer die gewalttätig handeln, verstehen sich und ihre Verhaltensweisen selbst nicht gut genug, um sie zu verändern.
Lässt sich dieser Kreislauf dauerhaft durchbrechen?
Männer, die gewalttätig gegenüber ihren Partnerinnen oder Kindern werden, brauchen Unterstützung, um sich selbst besser zu verstehen. Das ist wichtig, damit sie ihre aggressiven Gefühle besser steuern und gewaltfreie Formen der Kommunikation lernen können. Genau diese Ziele verfolgt der Verein Männer contra Gewalt nun schon seit fast 20 Jahren. Was auch wenig bekannt ist: Männer, die gewalttätig handeln, haben in ihrer Kindheit oft selbst Gewalt erfahren.
Das entschuldigt aber nicht alles.
Richtig. Wenn man sich mit den Männern auf den Weg macht, damit diese ihr gewalttätiges Handeln besser verstehen können, heißt das nicht, dass gewalttätiges Handeln gebilligt wird: Es ist klar, dass die Männer die Verantwortung für Ausübung von Gewalt übernehmen müssen.
Wie erleben Sie die Männer, die zu Ihnen kommen?
Viele Männer sind schuldbewusst und wissen nicht, wie sie ihrer Partnerin wieder auf gleicher Höhe in die Augen schauen können. Sie leiden unter der Distanz, die sie durch ihr gewalttätiges Verhalten selbst herbeigeführt haben, und wissen keinen Weg, wie sie das Vertrauen und die Zuneigung ihrer Partnerin wiedergewinnen können. Andere Männer geben sich cool und versuchen, ihr gewalttätiges Verhalten zu verharmlosen. Manche schieben auch die Verantwortung auf die Frau ab. Bei der Partnerin führt das oft zu einer Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst vor neuer Gewalt. Sie müssen wissen: Die Männer sind ja nicht nur gewalttätig. Wenn es ein gutes Einvernehmen gibt, geben die oft "ihr letztes Hemd", sind zuvorkommend und liebenswürdig.
Ganz anonym: Welche Geschichte eines Mannes, den Sie begleitet haben, hat Sie am meisten berührt?
Da denke ich an einen Mann, der als Kind in einer Gruppe älterer Jugendlicher dabei war, die einen Brand gelegt hatte. Er war damals nur Mitläufer gewesen, etwa sieben oder acht Jahre alt. Die Polizei kam auch zu ihm nach Hause. Sein Vater verprügelte ihn heftig, als er das mitbekommen hat. In der Erinnerung an diesen Vorfall sagte der Mann: "Mein Vater hat ganz recht gehabt, dass er mich verprügelt hat. Die Prügel hatte ich verdient". Mein Kollege fragte ihn, wie es ihm als Kind dabei ergangen war. Da wurde der Mann ganz still, fing an zu weinen. Er konnte in diesem Augenblick Zugang finden zu den Gefühlen von Verlassenheit und Angst, die die Prügel seines Vaters bei ihm auslösten.
Wie ging die Geschichte weiter?
Im Verlauf der weiteren Gruppenarbeit konnte dieser Mann immer mehr die andere Seite seines eigenen gewalttätigen Handelns wahrnehmen: Er konnte verstehen, dass er Gefühlen von Schwäche, Beschämung und Zurückweisung dadurch begegnete, dass er gewalttätig wurde. Dieses Verstehen war der erste Schritt, diesen Gefühlen nicht auszuweichen, sondern sie zuzulassen - und die Erfahrung zu machen, dass genau dadurch neue Nähe entstehen kann.
Was raten Sie Männern, denen dämmert, dass sie ein Problem mit Gewalt haben könnten?
Sie sollten sich zuerst klarmachen, dass die gewalttätige Seite nur eine Seite von ihnen ist. Jeder gewalttätige Mann hat auch noch andere, positive Eigenschaften. Wenn man zum Beispiel einen Tag anschaut, nimmt das gewalttätige Handeln nur einen relativ geringen Teil der Zeit ein. Was nicht heißt, dass man die Wirkungen, die das gewalttätige Handeln auf die Mitmenschen der näheren Umgebung hat, unterschätzen sollte. Als nächstes sollten man sich klarmachen, dass man dem gewalttätigen Handeln nicht ausgeliefert ist: Es gibt Möglichkeiten, mit fachlicher Unterstützung Wege zu gewaltfreier Kommunikation zu erarbeiten. Viele Männer machen die Erfahrung, dass ihre Partnerinnen ihnen erst nicht glauben, dass sie ihre Kommunikationskompetenz wirklich verbessern möchten. Aber wenn es mit Beharrlichkeit betrieben wird, führt das häufig zu einer neuen Vertrauensbasis. Das könnte dazu motivieren, sich Hilfe zu holen.
Die Fragen stellte Ulrike Müller.
Hier finden Betroffene Hilfe:
Ansprechpartner Für Männer gibt es kaum Anlaufstationen, wenn sie Gewalt als Lösungsmöglichkeit für Konflikte mit ihrer Partnerin sehen. Sie setzen damit immer wieder ihre Beziehung und ihre berufliche Existenz aufs Spiel. Aus dieser Erkenntnis heraus haben sich Männer, in deren beruflichem Feld Männergewalt immer wieder auftaucht, zusammengefunden und im Jahr 2001 den Schweinfurter Verein "Männer contra Gewalt e.V." gegründet.
Kontakt Zum Verein gehören Ärzte, Psychotherapeuten, Polizisten, Rechtsanwälte und andere Männer, die gegen Männergewalt etwas tun wollen. Männer, die gewalttätig geworden sind, können gerne Kontakt aufnehmen. Tel.: 0700/ 6060 6011, Internet: www.maenner-contra-gewalt.de. Auf der Website gibt es auch ein Kontaktformular, um eine E-Mail zu schreiben.
1984 Fälle häuslicher Gewalt registrierte die Polizei im Jahr 2018 in Unterfranken. 695 davon passierten im Bereich Main-Rhön. Die Dunkelziffer ist deutlich höher.
1612 Frauen wurden im Jahr 2018 in Unterfranken Opfer von häuslicher Gewalt. In 372 Fällen traf die Gewalt auch Männer. Das geht aus der Polizeistatistik hervor.
1618 Männer führt die Polizei als Tatverdächtige bei häuslicher Gewalt im Jahr 2018 in Unterfranken an. Im selben Zeitraum wurden 366 Frauen gewalttätig.
36 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt geschah in unmittelbarer Anwesenheit von Kindern. Diese Zahl erhob die Polizei im Jahr 2018 für ganz Unterfranken.