Schwanger - was jetzt?
Autor: Carmen Schmitt
Bad Kissingen, Mittwoch, 01. März 2017
Schwangere Frauen, die sich nicht sicher sind, ob sie das Kind bekommen möchten, können sich bei einer Beratungsstelle helfen lassen.
Ein Strich zu viel. Positiv. Und negativ. Kathrin* (*Name von der Redaktion geändert) und ihr Mann haben gerade gebaut. Jeden Monat stottert das Paar die Schulden bei der Bank ab. Zwei Kinder hat die 34-Jährige schon auf die Welt gebracht. Kommt bald das dritte? Geplant war es nicht. Was jetzt? Frauen wie Kathrin bekommen Hilfe von Harald Bohne und Renate Happ-Simon. Als Sozialpädagogen beraten sie werdende Mütter und solche, die es nicht werden wollen. Objektiv und vertraulich.
Im vergangenen Jahr sind 52 Frauen zur Schwangerenberatung des Landkreises Bad Kissingen gekommen, die über eine Abtreibung nachgedacht haben. "Konfliktberatung" heißt das Gespräch, das hinter der verschlossenen Tür im Erdgeschoss des Gesundheitsamtes stattfindet. Anonym. Hauptsächlich kommen Frauen aber zur "Allgemeinen Schwangerenberatung" zu Renate Happ-Simon und Harald Bohne. Dann wollen sie rechtliche oder finanzielle Fragen mit den Sozialarbeitern klären - so wie 168 schwangere Frauen im Jahr 2016.
Missverständnisse verhindern
Wäre das Team krankheitsbedingt gerade personell nicht so ausgedünnt, würde es sich außerdem um das Thema Sexualpädagogik kümmern und im Unterricht mit Schülern Aufklärungsarbeit leisten. Damit es beim Thema Verhütung erst gar nicht zu Missverständnissen und Unklarheiten kommt, sagt Renate Happ-Simon. Und trotzdem: "Intellekt schützt nicht vor Verhütungsfehlern."Die Klienten der Berater kommen aus allen Schichten: "von ,Arbeitslosengeld II' bis in die gehobene Ebene". Von 13 bis 48 Jahre, Frauen jeden Alters fragen nach Hilfe. Die Beratung beginnt für die meisten von ihnen mit einem Telefonat. Für eine Konfliktberatung bekommen die Frauen schnell einen Termin. Manchmal noch am selben Tag. Ärzte schicken die Schwangeren zur Beratungsstelle, manchmal auch das Jobcenter oder das Jugendamt. Sorgerecht, Unterhalt, Elterngeld - Anfragen mit rechtlichen Gründen haben stark zugenommen, meint Renate Happ-Simon. Sie und ihr Kollege helfen auch bei Anträgen und vermitteln Unterstützung - wie die aus der Landesstiftung "Hilfe für Mutter und Kind". Geht es um eine mögliche Abtreibung, kommen die meisten Frauen nicht alleine: Jede dritte Frau hat ihren Partner dabei. Viele haben eine Freundin, die Schwester oder die Mutter an ihrer Seite. Manche kommen allein.
Ohne erhobenem Zeigefinger
"Der Druck kommt bei jedem von einer anderen Seite", sagt Harald Bohne. Seit 1990 arbeitet der Sozialpädagoge in der Schwangerenberatung. "Wir wollen den Frauen helfen, sich selber zu beleuchten." Schwangere, die unsicher sind, ob sie das Kind bekommen wollen, sollen bei der Beratung in keine Richtung gelenkt werden, erklärt Harald Bohne. Darüber reden müssen sie aber. Wer abtreiben will, muss zuvor ein Beratungsgespräch führen. Das schreibt der Paragraph 219 im Strafgesetzbuch vor. "In ein, zwei Stunden können wir keine therapeutische Beratung bieten, aber auf sie eingehen." Ohne erhobenem Zeigefinger, ohne moralisch zu werden und - ergebnisoffen. "Es ist wichtig, dass wir wahrnehmen, was das Gegenüber fühlt. Wir fragen nach, spüren uns hinein und spiegeln. Unser Denken ist außen vor", sagt Renate Happ-Simon. Die Frauen kommen aus ganz verschiedenen Gründen, erzählt Harald Bohne. Verschuldet, falscher Zeitpunkt, falscher Vater - zu alt, zu jung. So wie Julia*. Sie war 18 Jahre alt und gerade in der Ausbildung als sie schwanger wurde. Ungewollt.
Als sie zu Harald Bohne in die Beratung kam, war ihm schnell klar: Julia will das Kind, ihr Umfeld nicht. Besonders die Schwiegermutter in spe war dagegen, dass Julia das Kind ihres Sohnes zur Welt bringt. Dem drohten die Eltern an, dass sie ihn und sein Auto nicht weiter finanzieren werden und er von zu Hause ausziehen muss, sollte Julia nicht abtreiben, erzählt der Sozialarbeiter.
Harald Bohne will, dass sich die Frauen darüber Gedanken machen, wie es danach sein wird. Nach einer Abtreibung. Bei einigen steht der Entschluss schon vor dem Gespräch mit den Schwangerenberatern fest. Andere fühlen sich hilflos, erzählt der Sozialpädagoge, sie haben sich den Kopf zerbrochen, sind unentschlossen. Manche Frauen sehen die beiden nur einmal. Andere kommen wieder. Um den Abbruch zu verarbeiten.
Andere Wertevorstellungen
Eine besondere Herausforderung für die beiden Berater sind Gespräche mit Flüchtlingsfrauen. Andere Kulturkreise, fremde Sprachen - 22 Frauen, die ihre Heimat verlassen hatten, saßen im vergangenen Jahr im Beratungszimmer auf dem schmalen Sessel. Dergleiche, auf dem alle sitzen: "Wir müssen andere Wertevorstellungen tolerieren", sagt Renate Happ-Simon. Manchmal hilft ein Dolmetscher bei der Verständigung.Julia hat ihr Kind bekommen. Gegen den Willen der Schwiegermutter. Ob Kathrin ihr drittes Kind zur Welt gebracht hat, erfahren die Sozialarbeiter nicht. "In den meisten Fällen wissen wir nicht, wie sich die Frauen entschieden haben", sagt Harald Bohne. Wir wollen helfen, dass es der Seele mit der Entscheidung gut geht."
Gesundheitsamt Die Berater im Bad Kissinger Gesundheitsamt sind unter 0971/716 50 erreichbar. Weitere Informationen unter www.schwanger-in-badkissingen.de.
Diakonie Das Diakonische Werk Schweinfurt bietet Beratung auch in Bad Kissingen. Kontakt unter 09721/236 38, Infos unter www.diakonie-schweinfurt.de.
Pro Familia Die Beratungsstelle von Pro Familia in Schweinfurt ist unter 09721/759 94 55 zu erreichen. Auf www.profamilia.de/schweinfurt sind mehr Informationen abrufbar.
Katholische Frauen Termine beim Sozialdienst katholischer Frauen gibt es unter 09721/209 583. Infos unter www.skf-schweinfurt.de