Schullandheime heute wichtiger denn je
Autor: Marion Eckert
Bischofsheim an der Rhön, Donnerstag, 02. Juni 2022
Das Schullandheimwerk Unterfranken feiert 50-jähriges Bestehen. Warum früher die Klassen 14 statt heute drei Tage da waren und was das für alle bedeutet.
Vor 50 Jahren wurde das Schullandheimwerk Unterfranken gegründet. Es waren visionäre Lehrkräfte, die sich am 28. Oktober 1972 im Schulamt Schweinfurt zusammen fanden, um neue und andere Ideen von Erziehung, Schulunterricht und Pädagogik umzusetzen. Unter dem Dach des Schullandheimwerks sind heute sechs Schullandheime beheimatet: Bauersberg, Hobbach (beide Schullandheim Hobbach-Bauersberg gGmbH), Leinach (Landkreis Würzburg), Rappershausen (Gemeinde Hendungen), Reichmannshausen (Landkreis Schweinfurt) und Schwanberg (Geistliches Zentrum Schwanberg e.V.).
"Die Schule als Werkstatt der Menschlichkeit sollte dem ganzheitlichen Gedanken Rechnung tragen", erklärt es die heutige Vorsitzende des Schullandheimwerks Unterfranken, Heike Makowsky. Die Gründer waren Heinrich Hubert, Albert Lippert, Arthur Höhl, Manfred Domes, Annemarie Wachsmuth, Walter Langenberger. Außerschulische Lernorte sollten den Lehrkräften und ihren Klassen neben dem Erlebnis von Gemeinschaft auch motivierende und nachhaltige Lernsituationen bieten. Ein fächerübergreifender, projektorientierter Unterricht sowie selbsttätiges, entdeckendes Lernen sollte leichter zu verwirklichen sein.
Grundlegende Veränderungen
Zur damaligen Zeit fuhren Lehrkräfte mit ihren Klassen 14 Tage ins Schullandheim. Das habe sich heute grundlegend geändert. "Drei Tage, mehr wird kaum mehr verreist", so Makowsky. Früher sei es darum gegangen, lernen als ganzheitlichen Auftrag zu verstehen. "Es ging darum, dass Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler auch im Alltäglichen zusammenwachsen". Daraus hätten sich viele Möglichkeiten ergeben, auf Erziehung Einfluss zu nehmen und zwar ganz anders als es nur in der Schule möglich war. Es wurde miteinander Alltag geteilt, gegessen, gewandert, musiziert und Naturerfahrungen gesammelt. "Es war eine Lebens- und Lerngemeinschaft und meist eine fruchtbare Zeit für alle."
Die Schullandheimaufenthalte waren keine Ferien, sondern eng mit dem Lehrplan verbunden. Doch der Lehrstoff konnte in einem ganz anderen Rahmen als in der Schule abgearbeitet werden. Im Laufe der Jahre habe jedes der Häuser eine andere Prägung entwickelt und andere Schwerpunkte gelegt, wie die Wasserschule und das Studienhaus "Geographie/Geologie" am Bauersberg, das Radfahren in Rappershausen oder Begegnung mit Behinderungen, Kultur und Geschichte, Spiritualität am Schwanberg. Durch diese thematische Schwerpunktsetzung in den einzelnen Häusern stehe inzwischen ein breit gefächertes vielfältiges Angebot an Modulen zur Verfügung, die von der Grundschule bis zum gymnasialen Oberstufe reichen.
"Nach Corona sind Schullandheim-Aufenthalte, Menschlichkeit im Lernen und vor allen Dingen ganzheitliches Lernen nötiger denn je", betonte Vorsitzende Makowsky. Aus ihrem Schulalltag an einer Brennpunktschule in Aschaffenburg berichtete sie von "gravierenden Defiziten in sozialen Bereichen der Schülerschaft". Die Unterhaltungselektronik nehme überhand, es mangele an Bewegung, an Tischmanieren, Alltagskompetenzen, wie die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln. Was sich auch verändert habe sei die komplette Gesellschaft und damit auch die Lehrerschaft. Es sei schwer junge Menschen für eine Mitgliedschaft und das Ehrenamt zu gewinnen. Die Konsumerwartung der Lehrkräfte, die in ein Schullandheim kommen, sei auch gestiegen. Zudem seien viele Lehrkräfte durch den Schulalltag absolut überlastet und ausgebrannt, dass sie möglichst viele Module beanspruchen, um ein bisschen Entlastung zu erfahren.
Es gelte auch sich an eine veränderte Schülerschaft anzupassen. Es werde zum Problem, dass die Aufenthalte immer kürzer werden, von ehemals 14 auf heute drei Tage reduziert, was auch betriebswirtschaftlich einen Mehraufwand darstelle, der sich kaum rechne. Dass die kürzeren Aufenthalte nicht auf die Lehrkräfte zurück zu führen sind, sondern auch auf Eltern, die ihre Kinder nicht so lange wegfahren lassen, die Angst haben vor den neuen Eindrücken und Gedanken, ihre Kinder bekommen könnten, wurde ebenfalls deutlich. Hier gelte es vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen neue Visionen zu entwickeln.
Schullandheime seien heute wichtiger denn je - zu dieser Erkenntnis kamen die Festgäste anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Schullandheimswerks Unterfranken. Natürlich seien die Herausforderungen heute andere als vor 50 Jahren, wo es darum ging neue pädagogische Möglichkeiten aus der Reformpädagogik zu etablieren.