Druckartikel: Schülerschwund an der Bad Kissinger Berufsschule gestoppt

Schülerschwund an der Bad Kissinger Berufsschule gestoppt


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Dienstag, 23. Sept. 2014

Nach sechs Jahren des Rückgangs bleibt die Zahl der Anmeldungen an der Berufsschule heuer konstant bei 1550. Immer mehr Azubis können sich ihre Lehrstelle aussuchen.
Fachlehrerin Karin Römmelt (von links) führt den angehenden Bäckerei-Fachverkäuferinnen Julia, Katja und Carina den Backofen in der Lehr-Backstube der Staatlichen Berufsschule vor. Fotos: Ralf Ruppert


Julia hat sich für eine Ausbildung zur Bäckerei-Fachverkäuferin entschieden. "Ich habe zwei Jahre lang bei ,Papperts' Praktikum gemacht und bin auch genommen worden", berichtet die 16-Jährige. "Und ich gleich mit", erzählt ihre Zwillingsschwester Katja. In der vergangenen Woche hatten sie nun ihren ersten Berufsschultag in Bad Kissingen - gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Bäckerei-Fach-Verkäuferinnen aus den Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld und insgesmt rund 1550 Berufsschülern aus fast ganz Deutschland.

"Am Boden angekommen"

"In den letzten sechs Jahren haben wir insgesamt 800 Schüler verloren", sagt Rudolf Hoffmann, Leiter der Staatlichen Berufsschule Bad Kissingen. Rund 2350 Schüler hatte die Schule 2008, umso mehr ist der 51-jährige Oberstudiendirektor froh, dass die Zahlen heuer nicht noch weiter sanken: "Jetzt sind wir am Boden angekommen."
Rund 1550 Schüler sind aktuell gemeldet. "Da kommen noch einige Nachzügler, und Umschüler kommen das ganze Jahr dazu", berichtet Hoffmann über die schwierige Planung. Allerdings sind nie alle gleichzeitig an der Schule: Je nachdem wie häufig die Berufe sind, gibt es ganz unterschiedliche Modelle. Die angehenden Kaufleute für Büro-Management beispielsweise kommen alle aus dem Landkreis Bad Kissingen und immer einen Tag in der Woche. Azubis im Bereich Einzelhandel ein bis zwei Tage in der Woche.
Dagegen werden die rund 100 Bestatter pro Ausbildungsjahrgang aus 14 Bundesländern (außer Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen) blockweise unterrichtet. Gleichzeitig seien also immer nur 400 bis 600 Berufsschüler im Haus. Lediglich die Schüler im Berufsgrundschuljahr der Zimmerer und Schreiner sowie der Hotelfachschule haben Vollzeit-Schule.
25 Ausbildungsberufe bietet die Berufsschule in Garitz an. Hoffmann stehen zur Betreuung knapp 70 Lehrkräfte auf 55 Vollzeit-Stellen zur Verfügung. "Wir sind sehr stark in den Dienstleistungs- und Handwerksberufen aufgestellt", beschreibt Hoffmann das Profil seiner Schule. Genau das ist das Problem: Beim einzigen Industrie-Berufsbild, dem Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuk-Technik", gibt es eher steigende Zahlen.

Image oft wichtiger als Geld

"Beim Nahrungsmittel-Handwerk und in der Gastronomie war der Einbruch am größten." Metzger, Bäcker und Köche werden also zur Mangelware. "Früher hatten wir drei Parallel-Klassen Köche, jetzt ist es noch eine." Aber auch bei anderen Branchen geht's abwärts: "Schreiner haben wir nur noch halb so viele wie vor zehn Jahren", berichtet Hoffmann. Auch die Maler- oder Frisör-Klassen seien nur noch einzügig.
"Oft sind die Arbeitszeiten ein Problem", verweist Hoffmann etwa auf Probleme bei Bäckereien und Gaststätten. Allerdings seien auch nicht immer ganze Branchen betroffen: "Auch die Attraktivität einzelner Betriebe ist sehr unterschiedlich." Und dann komme das Image eines Berufes hinzu: Obwohl Kfz-Mechatroniker eher schlecht verdienen, sei der Beruf immer noch begehrt.
"Seit drei Jahren gibt es mehr Lehrstellen als Bewerber, wir haben einen Wettbewerb um gute Leute", freut sich Hoffmann für die Jugendlichen. Und er ist sich sicher: "Die, die jetzt im Handwerk oder in der Dienstleistung anfangen, haben eine goldene Zukunft vor sich." Hoffmann ist sich sicher, dass schon alleine wegen des kleiner werdenden Nachwuchses die Löhne in diesen Branchen steigen werden.
"Die Situation für die Bewerber ist sehr positiv", sagt auch Berufsberater Thomas Schlereth vom Jobcenter Bad Kissingen. Viele könnten sich einen Ausbildungsplatz aussuchen, und: "Es gibt einen großen Wechselwillen an die Wirtschaftsschule oder die FOS." Selbst bei den 71 jungen Erwachsenen, die Ende August noch nichts hatten (siehe Info-Katsen), ist Schlereth optimistisch: "Bis Ende September bleiben höchstens noch ein oder zwei übrig, die wirklich auf der Straße sitzen."

Verträge Das Bundesinstitut für Berufsbildung fragt immer erst zum Jahresende ab, wie viele Auszubildenden in den Beruf starten. Deshalb gibt es für heuer noch keine endgültigen Zahlen. Im Bereich der Agentur für Arbeit Schweinfurt haben aber im Jahr 2013 insgesamt 3465 Azubis begonnen, im vergangenen Jahr waren es 3120.

Bewerber In der Statistik der Agentur für Arbeit tauchen nur die Jugendlichen auf, die sich dort melden. 3804 suchten im Jahr 2012 im Agenturbezirk Schweinfurt eine Lehrstelle, 2476 traten dann auch wirklich eine Ausbildung an, viele gingen auf weiterführende Schulen, 251 blieben unversorgt. 3556 suchten im Jahr 2013, 2265 gingen in Betriebe, 312 blieben unversorgt. Im vergangenen Jahr waren es 3381 Bewerber, von denen bis Ende August 2134 einen Ausbildungsvertrag hatten und 314 noch unversorgt waren.

Stellen Im Jahr 2012 meldeten die Betriebe 3531 Ausbildungsstellen, 726 blieben unbesetzt. 2013 waren es 3588, von denen 694 unbesetzt blieben, heuer wurden 3691 Stellen gemeldet, Ende August waren noch 839 unbesetzt.

Landkreis Im Landkreis Bad Kissingen waren Ende August 909 Ausbildungsstellen gemeldet und 249 unbesetzt. Bewerber gab es im August 793, darunter 71 noch unversorgte