Druckartikel: Schlüssel zur Integration

Schlüssel zur Integration


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Mittwoch, 04. Februar 2015

Marietta Menz unterrichtet Deutsch als Zweitsprache und ist neue Beraterin Migration. Aus ihrer Sicht läuft die Aufnahme in die Klassen "mit offenen Kinderherzen und großem Interesse".
Zeigefinger aufs Heimatland: Migrationsbeauftragte Marietta Menz (rechts) unterrichtet in ihrem Förderkurs für die zweite Klasse der Sinnberg-Schule (von links vorne im Uhrzeigersinn) Luis aus Spanien, Malgoscha und Dominik aus Polen, Ricards, Veronika und Tatiana aus Russland sowie Hieu aus Vietnam. Foto: Ralf Ruppert


Seit einem Jahr lebt Luis in Bad Kissingen, trotzdem spricht er bereits gut Deutsch. "Ich komme aus Spanien, das liegt hier", sagt der Zweitklässler, während er auf den Globus deutet. Seine Mitschülerin Malgoscha kam vor fünf Monaten nach Bad Kissingen und kann auch schon einfache Sätze bilden und ihr Heimatland Polen aufschreiben. "Die Kinder lernen wahnsinnig schnell", staunt auch Förder-Lehrerin Mariette Menz über die Fortschritte ihres Kurses an der Sinnberg-Grundschule. Seit Beginn des Schuljahres ist Menz als Beraterin Migration für sämtliche Grund- und Mittelschulen im Landkreis zuständig.
"Die Stelle gibt es seit Mitte der 1990er Jahre in Bad Kissingen, bedingt durch den Zuzug der Spätaussiedler damals", berichtet Menz. Die Bad Neustädterin studierte Grundschul-Lehramt und Deutsch als Zweitsprache in Nürnberg. "In Würzburg wird dieser Studiengang leider nicht angeboten, deshalb gibt es in Unterfranken auch relativ wenige Lehrerinnen, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten."
Über die Beraterin Migration freut sich auch Schulamtsdirektor Josef Hammerl: "Diese Stelle ist gerade jetzt sehr bedeutsam", verweist er auf die aktuelle Flüchtlingswelle, durch die auf viele Schulen neue Herausforderungen zukommen: 106 Kinder von Asylbewerbern besuchen derzeit die Grund- und Mittelschulen im Landkreis. Allerdings ist Menz nicht nur für diese Flüchtlingskinder zuständig, sondern für alle Schüler mit Migrationshintergrund: Im Landkreis hatten zu Jahresbeginn 402 von 3083 Grund- und 274 von 1777 Mittelschülern ausländische Wurzeln. Aber nur bei 246 Grund- und 73 Mittelschülern wurde ein erhöhter Förderbedarf im Fach Deutsch gemeldet. "Dafür gibt es dann ein eigenes Budget", verweist Hammerl auf zusätzliche Lehrerstunden für die Integration.
"Viele Schulen haben wenig Erfahrung mit Migration", berichtet Hammerl. In solchen Fällen könne Mariette Menz ganz konkrete Tipps für den Unterricht geben. Ihre Erfahrungen sind dabei durchweg positiv: "Die Kinder nehmen ihre neuen Mitschüler mit offenen Kinderherzen und großem Interesse auf." Wichtig sei ihr dabei die Gleichbehandlung: "Jeder, der Förderung braucht, egal aus welchem Land er kommt, egal welche Probleme er hat, sollte Förderung bekommen", spricht sie sich gegen eine Unterscheidung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen aus: "So handhaben es auch die Schulen, und so sollte man es auch sehen."
Mit ihrem Amtsantritt hat sich auch der Zuständigkeitsbereich geändert: "Meine Vorgänger hatten auch noch den Landkreis Rhön-Grabfeld zu betreuen." Die Änderung sei mit Sicherheit der aktuellen Flüchtlingswelle geschuldet, vermutet Menz. Die Schwerpunkte bei der Betreuung von Flüchtlingskindern im Landkreis seien aktuell Oerlenbach, Hammelburg und Bad Brückenau, weil dort einfach der meiste Wohnraum zur Verfügung gestellt wird.

"Kinder sollen ankommen dürfen"

Etwa bis ins Jahr 2005 habe es hohe Zuzüge an Spät-Aussiedlern gegeben, vor allem in Bad Brückenau und Wildflecken. Danach gab es eine Delle, bis Mitte vergangenen Jahres die Flüchtlingswelle in den Landkreis schwappte. Für Menz stellt sich damit eine wichtige Aufgabe an den Schulen: "Die Kinder sollen hier ankommen dürfen. Sie sollen sich wohl fühlen und unsere Sprache lernen. Sie sollen ihren Begabungen entsprechend gefördert werden", fordert sie. Nur wer sich in einem Land akzeptiert und integriert fühle, lerne auch gerne die Landessprache. Menz hofft, dass auch der demographische Wandel im Landkreis dazu beiträgt, "dass möglichst viele Flüchtlingsfamilien hier bei uns bleiben und nicht weiter ziehen". Für die weiterführenden Schulen sei deshalb auch wichtig, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen.
"Pädagogisch sinnvoll ist es, die Kinder altersgerecht den Klassenstufen zuzuweisen", ist sich Mariette Menz einig mit Schulamtsleiter Josef Hammerl. Das sei die Regel im Landkreis, allerdings würden in Absprache mit Eltern und Lehrern manchmal Kinder auch einer Klassenstufe unter ihrem Alter zugewiesen: "So haben sie länger Zeit, unser Schulsystem kennen zu lernen und sich unsere Sprache anzueignen."