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Sanieren, hohe Energiekosten zahlen oder abreißen?


Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz

LKR Bad Kissingen, Mittwoch, 19. Oktober 2022

Eigenheimbesitzer wägen derzeit ab, ob sie hohe Energiekosten zahlen sollen oder besser in eine Sanierung investieren. Wir haben mit einem Experten für energiegerechtes Bauen und Gebäudetechnik darüber gesprochen.
Sanierung oder höhere Energiekosten? Vor dieser Frage stehen aktuell Eigenheimbesitzer.Foto: Bumann/Stock.adobe.com


Gehen in Deutschland bald die Lichter aus? Woher bekommen wir unsere Energie? Seit dem Krieg in der Ukraine und den gestiegenen Energiekosten wird nicht nur in der Politik heftig über diese Fragen debattiert. Auch viele Hausbesitzer machen sich Gedanken, wie ihr Gebäude weniger Energie verbraucht.

Zu wenig Handwerker, Mangel an Baumaterial

Das Problem: Es gibt nicht nur zu wenige Handwerker, sondern es besteht auch ein extremer Mangel an Baumaterial. "Das hat die Kosten für einen Neubau oder für eine Sanierung extrem nach oben getrieben", sagt Professor Volker Stockinger, der an der Technischen Hochschule Nürnberg Vorlesungen zu energiegerechtem Bauen und Gebäudetechnik hält. Volker Stockinger hat sich auf Siedlungs- und Quartierskonzepte spezialisiert. Derzeit begleitet er etwa das Energiekonzept des Lagarde-Campus in Bamberg, einem neuen Stadtteil, auf dem in Zukunft rund 2500 Menschen wohnen sollen.

Beispiel altes Einfamilienhaus

Volker Stockinger verdeutlicht das Problem der gestiegenen Energiekosten am Beispiel eines altes Einfamilienhauses. Wenn dieses im Jahr mehrere tausend Liter Öl verbraucht, seien dadurch früher Energiekosten von etwa 1000 oder 2000 Euro zusammengekommen. Mittlerweile könne die Rechnung auf 6000 Euro steigen.

"Es ist zu erwarten, dass Öl noch teurer wird." Fossile Energien würden sich wahrscheinlich auf einem deutlich höheren Preisniveau einpendeln. "Das hat dann zur Folge, dass man beim Beispiel des alten Hauses auch in Zukunft jedes Jahr Kosten von 6000 bis 8000 Euro hat. Da stellt sich die Frage, ob man in Gebäudedämmung investiert."

Amortisieren sich die Kosten?

Eigenheimbesitzer müssen zwischen den hohen Energiekosten und den hohen Investitionskosten abwägen. Dabei spielt auch das eigene Alter eine Rolle.

Bleiben wir beim Beispiel des alten Einfamilienhauses. Wenn man nicht auf den Standard eines Neubaus saniert, sondern auf einen guten energetischen Standard könne man seine Energiekosten etwa halbieren. Dies umfasst zum Beispiel die Fenster auszutauschen und eine Dach- und Fassadendämmung vorzunehmen, sagt Volker Stockinger.

Wer jedes Jahr 3000 oder 4000 Euro Energiekosten spare, habe die Investitionskosten in zwanzig bis dreißig Jahren amortisiert.

"Nehmen wir an: Mama und Papa sind in ihren 30er oder 40er Jahren und sie wollen in dem Haus noch dreißig Jahre leben. Dann lohnt es sich, in eine Sanierung zu investieren. Aber für einen Rentner, der 80 Jahre ist und dann noch sein Haus sanieren soll, für den amortisieren sich die Kosten in seiner restlichen Lebenszeit nicht mehr."

Dämmmaßnahmen, erneuerbare Energien

Um bei einem Gebäude die Energiekosten zu senken, sollten zwei Faktoren berücksichtigt werden: "Das eine ist die Energieeinsparung durch Dämmmaßnahmen, das andere der Einsatz von erneuerbaren Energien."

Wärmepumpe einbauen

Wärmepumpen gelten als die klimafreundliche Heizung der Zukunft. Sie nutzen als Wärmequelle beispielsweise die Erde. Wer auf eine Wärmepumpe umsteigen will, muss einplanen, dass das Gebäude dazu bestimmte energietechnische Voraussetzungen erfüllen muss.

Vorlauftemperatur

"Bei einer hohen Vorlauftemperatur kann man keine Wärmepumpen einsetzen", macht Volker Stockinger deutlich. Als Vorlauftemperatur bezeichnet man die Temperatur, auf die in einem Heizungssystem der Wärmeträger, also meist das Heizwasser, erwärmt wird, bevor es beim eigentlichen Heizkörper ankommt. Ältere Heizsysteme benötigen eine höhere Vorlauftemperatur und haben damit einen höheren Energieaufwand.

Niedertemperatur-ready machen

Eine Wärmepumpe funktioniere gut, wenn die Vorlauftemperatur des Heizwassers in den Heizkörpern oder in der Fußbodenheizung möglichst niedrig sei, sagt Volker Stockinger. Das Stichwort lautet "niedertemperatur-ready".

Der erste Schritt sei daher, niedrige Vorlauftemperaturen zu erreichen und im zweiten Schritt eine Wärmequelle einzusetzen. Das müsse man bei den Investitionskosten beachten. "Wenn man den Fußboden rausreißt und für die Fußbodenheizung hohe Investitionskosten auf sich nimmt, um dann ein paar tausend Euro zu sparen, amortisiert sich das nicht."

Wenn man einen Heizkörper austausche, kann man einen doppelten Effekt erreichen. Man verbraucht weniger Energie und kommt in die Lage, erneuerbare Energien zu verwenden.

Sanieren oder abreißen?

Manche Menschen stehen vor der Frage: Sanieren oder abreißen? "Wenn ich ein Gebäude abreiße und neu baue ist es insgesamt immer teurer, als wenn ich es nur energetisch saniere", sagt Stockinger. Vorausgesetzt man konzentriere sich auf die Einsparung von Energie und ändere nicht die Grundrisse, die Statik oder baue noch weitere Gebäudeteile dazu.

"Für die eingesetzten Materialien in einem Haus wurde bereits sehr viel Energie eingesetzt." Aus gesamtenergetischer Sicht verschwende man diese Energie, wenn man ein altes Haus für ein neues gleichgroßes abreißt.