Roman Borisov erklimmt KlavierOlymp
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Montag, 10. Oktober 2022
Der Sieger beweist bedingungslosen Gestaltungswillen und besticht durch seine natürliche und stimmige Bühnenpräsenz.Und wie kamen die Konzerte zum Jubiläum bei den Veranstaltern an?
Die Würfel sind gefallen, das Ergebnis des Kissinger KlavierOlymps 2022 steht fest. Die Jury vergab den 1. Preis an Roman Borisov (19), der vor einem halben Jahr aus Russland kam und seitdem an der Berliner Musikhochschule "Hanns Eisler" bei Eldar Nebolsin studiert. Der 19-jährige Pianist überzeugte die Jury mit seinen hochmusikalischen, intuitiven und gleichzeitig strukturbewussten Interpretationen bei Werken von Lowell Liebermann, Ludwig van Beethoven, Serge Rachmaninoff, Johannes Brahms und Sergej Prokofjew. Dabei bewies er bedingungslosen Gestaltungswillen und bestach durch seine natürliche und stimmige Bühnenpräsenz.
Tony Siqi Yun aus Kanada wurde der zweite Preis zuerkannt. Die Jury beeindruckte seine glasklare, virtuose Gestaltungskraft. Der dritte Preis wurde an den 25-jährigen Ariel Lanyi aus Israel überreicht. Den Publikumspreis erhielt Tony Siqi Yun. Weitere Pianisten des Wettbewerbs waren Lukas Sternath (Österreich), Suah Ye (Südkorea) und Lauren Zhang (USA).
Hoch qualifiziertes Teilnehmerfeld
Der Kissinger KlavierOlymp konnte in diesem Jahr seine 20. Auflage feiern - wer hätte 2003, bei der Gründung - damit gerechnet, dass sich das zarte Pflänzchen so lange halten und dabei so gut verwurzeln könnte. Und dem Anlass angemessen war das Teilnehmerfeld ausgesprochen hoch qualifiziert. Noch nie hatte es die Jury mit sechs jungen Pianistinnen und Pianisten zu tun, die in ihren künstlerischen Leistungen so dicht beieinander lagen. Entsprechend intensiv, letztlich aber einvernehmlich, war die Bewertungsdebatte.
Die fünf Mitglieder der Jury waren Thomas Ahnert (Musikkritiker der Saale-Zeitung, Dramaturg und Mitbegründer des KlavierOlymps), Manuel Brug (Musikkritiker der Welt), Ulrich Hauschild (Kulturmanager), Sonia Simmenauer (Geschäftsführerin Impresariat Simmenauer) und Alexander Steinbeis, der Intendant des Kissinger Sommers. Der hatte auch die sechs Teilnehmer ausgesucht und eingeladen.
Schon vor einigen Jahren war die Regelung eingeführt worden, dass alle Teilnehmer eine Sonate von Beethoven oder Mozart und ein Werk nach 1950 spielen müssen.
Interessen haben sich verschoben
Da jetzt alle jungen Leute Beethoven spielen müssen (Mozart wird wegen seiner interpretatorischen Schwierigkeit gerne gemieden), können sie sich über ihn nicht mehr profilieren und suchen sich Komponisten, die nur selten zu hören sind. Und das sind vor allem Vertreter der Moderne. Plötzlich tauchten Namen wie George Benjamin, Lowell Liebermann, Unsuk-Chin, Luciano Berio oder György Ligeti auf. Dafür ist die "vollfette" Romantik auf dem Rückzug - mit Ausnahme von Franz Liszt und seinen raffinierten Phantasien und Paraphrasen. Und ein Name tauchte in diesem Jahr erstmals überhaupt nicht auf: Frédéric Chopin. Die Interessen haben sich verschoben.
Beim traditionellen Abschlusskonzert am Sonntagabend können sich alle sechs Teilnehmer - jeder bekommt 20 Minuten - von ihrer besten Seite zeigen. Sie wissen, dass sich da das Ergebnis noch einmal verschieben kann und das hat es immer wieder einmal gegeben. Die einen spielen ein Werk, das ihnen in ihrem Solorecital besonders gut gelungen ist - oder gerade nicht. Die anderen wollen eine weitere Facette zeigen und entscheiden sich für Zusätzliches. Zur Freude des Publikums spielten die drei, die sich für Wiederholungen entschieden hatten, genau die Werke, mit denen sie bereits gepunktet hatten. Und das ist ja auch durchaus ein Zeichen von Zuversicht.