Rollator-Kurs: Sicher auf vier Rädern
Autor: Carmen Schmitt
Maßbach, Dienstag, 08. November 2016
Bei einem Kurs für Rollator-Fahrer sollen Senioren lernen, wie sie ihr Gefährt am bestenbenutzen. Edgar Kast gibtTipps und macht Mut.
Hochziehen und weg von der Bremse. Anna Hub ruckelt über die Kokosmatte. Das nächste Hindernis auf dem Parcours: Gummivorleger. Dann das gelbe Holzbrett. Die Hände immer an den weichen Kunststoffgriffen. Scharfe Rechtskurve. Ab ins Ziel. Geschafft. Die 76-Jährige ist noch Neuling. Gerade mal ein Jahr ist sie "Rolli-Fahrer". Während der Reha bekam sie ihren Rollator, erzählt die Frau aus Maßbach. Standard-Modell. Farbe: silber; Gewicht: neun Kilo; 60 Zentimeter breit, Gehstockhalterung vorne rechts. Sie ist an diesem Nachmittag ins "Haus der Vereine" nach Maßbach gekommen, weil sie sich sicherer fühlen will, wenn sie auf ihren vier Rädern unterwegs ist. Ein ehemaliger Polizist will ihr und sieben anderen Senioren dabei helfen, selbstbewusst mobil zu bleiben.
Normalerweise grübeln geduldige Geister hier über dem richtigen Zug. Wo Schachspieler brüten, hat Edgar Kast heute den Beamer angeschmissen. Überschrift der Power-Point-Präsentation: "Sicherheit mit dem Rollator". Draußen sind drei Gehwagen geparkt. An der Straße ein Aufsteller mit der Aufschrift "Rollator-Kurs". Drinnen sitzen sieben Frauen und ein Mann um einen Tisch. Theoriestunde. Edgar Kast hält einen ausgelatschten Cord-Schlappen hoch: "Wer von euch ist mit solchen Schuhen unterwegs?", fragt er in die Runde. Die Kurs-Teilnehmer blicken an sich herunter. Vorsichtshalber hatten sich einige von ihnen heute für Winterstiefel entschieden. "Wir brauchen festes Schuhwerk, sonst ist die Rutschgefahr sehr hoch. Wir wollen ja nicht stürzen", sagt Edgar Kast, der selber nicht auf eine Gehhilfe angewiesen ist. Rollator-Fahrern will er erklären, wie sie sich im Straßenverkehr richtig verhalten und warum sie mutig sein sollten.
Herausforderungen im Alltag
Hohe Bordsteinkanten, parkende Autos, Hügel und unebenes Gelände - im Alltag stoßen Senioren mit ihren fahrbaren Gehhilfen immer wieder auf Hindernisse und Herausforderungen. Schmerzen an der Schulter, Probleme mit der Hüfte, die Augen werden schlechter und die Ohren auch nicht besser: "Im Alter schleichen sich Defizite ein", sagt Edgar Kast. Dennoch, der Rollator gibt Sicherheit: "Auch wenn einem mal ein bisschen schwindelig ist", sagt Kurs-Teilnehmerin Renate Schüler, 76-Jahre. Sie will bei Edgar Kast lernen, wie sie mit ihrem Gefährt noch besser umgehen kann. Für sie und die anderen Teilnehmer hat er ein Kurs-Programm entwickelt, mit dem er sensibilisieren will. Vor der Pensionierung hat Edgar Kast als Polizist gearbeitet. Seit 40 Jahren engagiert er sich in der Geschäftsführung der Kreisverkehrswacht Bad Kissingen. Die Sicherheit im Straßenverkehr ist seine Berufung. Sein Tipp an die Maßbacher Senioren-Runde: "Plant genug Zeit ein, seid nicht hektisch und: Fragt nach Hilfe! Seid nicht zu stolz. Gerade die Jüngeren helfen gern."
Für mehr Mobilität
Seit einigen Jahren tourt er durch den Landkreis und betreibt Verkehrserziehung für Senioren. Was er damit erreichen will? "Die Leute sollen rausgehen, mobil sein - sehen, dass es noch etwas anderes gibt", sagt Edgar Kast. Ältere Menschen gehören zur Gesellschaft, damit sie die mitgestalten können, müssen sie mobil bleiben, meint er. "Geht raus mit euren Rollis!" Auf zum Praxistest.
Rollator fürs Gelände
An die Rollis und los: In Zweierreihen lassen sich die Rentner über das Kopfsteinpflaster schütteln. Alle außer einer. Helga Schüllers Rollator hat extrabreite Räder. Das will jeder einmal ausprobieren: Geschmeidig gleiten sie über den holprigen Belag des Ortskerns. "Den mit den größeren Reifen werde ich mir auch holen", sagt Conrad Weipert, 88 Jahre und seit zwei Jahren Rollator-Fahrer. Am Ende der Ausfahrt werden sich die meisten auf ihrem Wunschzettel den "Cross-Rolli" von Helga Schüller notiert haben. Sie hat den Kurs angeleiert. "Seit ich selber einen Rollator habe, habe ich gesehen wie schwer sich die Leute tun."Vorbei an dem Tante-Emma-Laden und über den Dorfplatz: "Helle Kleidung, vielleicht sogar eine Warnweste", rät Edgar Kast den Senioren. Und: "Auf der Straße darf ein Rollator-Fahrer nicht fahren. Auch wir müssen die Verkehrsregeln beachten." Doch selbst wenn die Herrschaften alles richtig machen, meint Edgar Kast, es braucht mehr, damit sie heil auf der anderen Straßenseite ankommen. Und dafür hat er Matthias Albert dabei.
Rollator-Check: Bremsen defekt
"Meistens sind es die Bremsen", sagt er. Matthias Albert ist Orthopädie-Techniker und macht den Sicherheitstest. Sein zweiter Blick fällt auf die Gummigriffe und Räder. "Es ist extrem wichtig, dass alles funktioniert, sonst kommt es im schlimmsten Fall vielleicht zu einem Sturz", sagt der Techniker. Bei seinem Rollator-Check wird er die Hälfte aller Bremsen bemängeln. Auch wichtig: die richtige Einstellung. Nicht zu hoch, nicht zu tief - "kein gebückter Gang: wir wollen Rücken und Schulter schließlich nicht belasten". Matthias Albert hat nicht nur Werkzeug, sondern auch einige der neuesten Modelle dabei: luftbereift, vollgummibereift, Trommelbremse, Ultraleichtgewichte von einem schwedischen Hersteller - zwischen 100 und 600 Euro kosten die Rollatoren, die es gerade auf dem Markt gibt. Ohne Sonderausstattung. Und überhaupt: "Der Trend geht zum Zweitwagen", meint Edgar Kast. Einer für drinnen, einer für draußen. "Es wird bunt", sagt Matthias Albert. "Neue Materialien, neue Farben - der Rollator wird fast zum Accessoire."Auf ein paar Metern hat Edgar Kast in dem schmalen Flur in dem Maßbacher Vereinshaus den Hindernislauf aufgebaut. Rote Verkehrshütchen begrenzen den Parcours. Anna Hub ist erleichtert: "Ich habe meinen Rollator immer gehoben, aber das geht ja viel einfacher." Hochziehen und weg von der Bremse.