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Rigoletto - überraschend aktuell


Autor: Gerhild Ahnert

Bad Kissingen, Freitag, 02. November 2018

"Rigoletto" stand beim Gastspiel des Opernensembles des Theaters Hof und der Hofer Symphoniker beim 34. Theaterring im Kurtheater auf dem Programm.
Überzeugendes Gastspiel des Opernensembles des Theaters Hof im Bad Kissinger Kurtheater. Thomas Ahnert


Als eine Reihe von Glücksfällen erwies sich das Gastspiel des Opernensembles des Theaters Hof und der Hofer Symphoniker beim 34. Theaterring im Kurtheater. Zum einen konnten die Hofer vor ausverkauftem Haus spielen. Dann hatte Dramaturg Thomas Schindler eine absolut schlüssige, modernisierte Fassung hergestellt. Und so reiste die Truppe mit einer Aufführung des 150 Jahre alten, von seinem Komponisten Giuseppe Verdi aber sicherheitshalber ins 16. Jahrhundert verlegten "Rigoletto" in Schindlers Fassung an, in der Regisseur Lothar Krause das tun konnte, was die eigentliche Aufgabe seines Berufsstandes ist: Er schürfte den eigentlichen Kern der Geschichte frei und zeigte, dass diese keineswegs altbacken ist. Und zwar nicht mit irgendwelchen selbstgefälligen, der Oper aufgesetzten Mätzchen: Er legte dar, dass die von ungezügeltem Testosteron gesteuerte Männerbande um den Herzog von Mantua, die in ihrer Selbstherrlichkeit Frauen ohne jegliche Skrupel zum Spielball ihrer sexuellen Gelüste macht, etwas ist, das wir kennen.

Ausstatterin Annette Mahlendorf hatte mit ihren Kostümen die Mafia der 1920er Jahre im Sinn, und vollkommen plausibel passten in diese "ehrenwerte Gesellschaft" der dauergeile Renaissance-Herzog als "Pate" und die ihn umschwirrenden, stets zu rohen Späßen und Gewalt bereiten Freunde und Handlanger. Italienisch-abergläubisch zucken sie zusammen bei einer Verfluchung, machen aber begeistert mit, wenn es darum geht, eine Frau zu erbeuten oder einen der ihren zu demütigen, wenn dem von einem lüsternen Macho aus ihren Reihen Hörner aufgesetzt worden sind. Willige Helfershelfer aus der Unterschicht wie der Kleinganove Sparafucile und seine wohlfeile Schwester Maddalena fügen sich ins absolut stimmige Bild dieser Herren mit Allmachtsillusionen. Wirkliche Liebe kann es nicht geben und wirklich Liebende wie Rigolettos vom Vater naiv gehaltene Tochter Gilda oder wirkliche Liebe wie seine zu seiner Tochter haben keinen Platz, wo es nur um Lustbefriedigung mit allen Mitteln geht. Rigoletto will da eigentlich wie ein gestandener Kerl mittun und fühlt sich trotz seiner körperlichen Behinderung stark genug für die Rache am übermächtigen Boss, will ihn umbringen lassen und scheitert kläglich.

Das alles passte zur Oper, ihrer Musik, den in dieser und den Arien dargestellten Handlung auf geradezu verblüffende Weise. Und wir wissen trotz #MeToo, dass daran auch im 21. Jahrhundert nichts überholt ist, denn eine Änderung zum Besseren funktioniert nur, wenn eine Gesellschaft jenseits jeder Scheinheiligkeit willens ist, die Rechte auch der machtlosesten Frauen zu schützen.

Unmittelbarer Kontakt

Die Hofer hatten ihre große Spielzeiteröffnungsinszenierung wieder für die kleine Bühne des Kurtheaters adaptiert, die Symphoniker spielten auf der Hinterbühne, das Bühnenbild mit dem eng von Wänden umstandenen Raum, in dem Rigoletto Gilda von der Öffentlichkeit, der Männerwelt, fernzuhalten sucht, reichte bis vor die erste Zuschauerreihe. Das sorgte für unmittelbaren Kontakt mit den Sängern, ließ diesen keine Chance, sich hinter dem Orchester zu verstecken. Und das hatten sie auch absolut nicht nötig. Vielmehr staunte man eins ums andere Mal, mit welcher Präzision sie ihre Parts sangen, welch tolle Stimmen sie mitbrachten, aber auch, mit welcher Intensität sie die in absolut schlüssiger Personenregie erarbeiteten Charakterstudien Verdis über die Rampe brachten. Gleiches galt auch bei dem auf die Männerstimmen abgespeckten Chor, der sich nahtlos einfügte in die Mafia-Macho-Männergesellschaft um den Duca. Ein Problem waren allerdings für viele im Publikum, die des Opern-Italienischen nicht so mächtig sind oder sich im Opernführer zu Hause oder im Programmheft vor Ort kundig gemacht hatten, die fehlenden Übertitel, vor allem im turbulenten ersten Teil, zumal die ja auch im Programm angekündigt waren.

Mitten im Geschehen

Dennoch war das Publikum von Anfang an mitten im Geschehen, kam begeisterter Zwischenapplaus für die durchweg sehr gut besetzten Solisten. Minseok Kim sang als Duca seinen Tenorpart sehr bewusst, sehr präzise und mit schöner, runder Stimme auch in den Höhen. Sein berühmtes "La donna è mobile" blieb auch aus dem Hintergrund präsent und das waren auch immer seine Parts in mehrstimmigen Arrangements. James Tolksdorf spielte und sang als Rigoletto sehr intensiv, gestaltete äußerst anrührend dessen Entsetzen und Wut über Gildas brutale Entführung, als er auf die Umschuld vortäuschende Männerbande trifft ("Cortigiani, vil razza dannata"). In der Rolle der Gilda war Lubov Skrebets eine in jeder Hinsicht überzeugende naive, noch jugendliche Frau, die zwischen der Wucht des ersten Verliebtseins ("T"amo" und "Caro nome") und dem vom Vater eingeforderten Gehorsam keinen Halt im Leben mehr findet. Das Schlussduett der Sterbenden mit ihrem Vater, in dem sie gefasst in den Tod geht, während er zerstört am Boden zurückbleibt, geriet auch aufgrund der wunderbar geführten Stimmen der beiden Protagonisten zum großen emotionalen Höhepunkt der Oper.

Auch die anderen Sänger, allen voran Rainer Mesecke als windiger Sparafucile und Stefanie Rhaue als seine Schwester Maddalena, aber auch die Sänger der Rollen des Grafen von Monterone (Igor Storozhenko), Marulla (Thilo Andersson), Matteo Borsa (Markus Gruber) und des Grafen von Ceprano (Daniel Milos) überzeugten und erstaunten ihr Publikum sowohl stimmlich als auch in ihrer Bühnenpräsenz. Mit zwei Monitoren auf der Vorbühne musste der Dirigent GMD Walter E. Gugenbauer mit den hinter ihm agierenden Sängern in Kontakt bleiben, was ausgezeichnet gelang und vergessen machte, dass die großartig aufspielenden Hofer Symphoniker sehr weit vom Zuschauerraum entfernt saßen. Sie begleiteten die Interpreten sehr einfühlsam und wussten auch das eindrucksvolle Bühnengewitter im Schlussakt intensiv zu Gehör zu bringen. Mit einer klugen, absolut schlüssigen Regie und erstaunlichen musikalischen Leistungen überzeugte das Theater aus einmal mehr die Zuhörer im Kurtheater.

Die bedankten sich mit eher fränkisch-verhaltenen Bravos für die fulminante Leistung, brachten aber mit immer neu aufbrausendem Applaus und rhythmischem Klatschen ihre Begeisterung zu eindrucksvollem Gehör und die Hofer Truppe immer wieder auf die Bühne nach diesem Opernabend.