Druckartikel: Rhöner Rap kommt gefühlvoll bis provokant

Rhöner Rap kommt gefühlvoll bis provokant


Autor: Stephanie Elm

Kothen, Sonntag, 27. Dezember 2015

Depressionen, Rassismus, politische Missstände. Florian Roth rappt unter dem Pseudonym "B!Flow" zu vielen Themen. Angefangen hat der 22-Jährige damit, Gedichte über Handyklingeltöne zu rappen.
Seit fünf Jahren hat Florian Roth sein eigenes Mikro mit Mischpult.  Foto: Stephanie Elm


Es ist seine erste große Liebe und er ist ihr nun schon seit über zehn Jahren treu. Im Alter von neun Jahren ist er ihr verfallen und sie hat ihn nicht losgelassen: die Musik. Genauer: der Rap. Florian Roth ist leidenschaftlicher Rapper, das ist für ihn Kultur und Lebensgefühl. Seit dem Alter von 11 Jahren schreibt er selbst Gedichte, die er anfangs zu Handy-Klingeltönen rappte. Das ist nun lange her, der Kothener hat inzwischen neben eigenem Mikro und Mischpult auch Lebens- und Rap-Erfahrung.

Musikalische Vorbilder hat er jetzt keine mehr. Er ist sein eigener Chef, Songwriter und Lektor. Im Netz finden sich von ihm verschiedene Lieder, alle spiegeln seine innersten Gefühle wider. "Ich will mich nie verstellen." Florian Roth ist authentisch. Er ist der nette Junge von nebenan, dem die besten Ideen beim Rasenmähen kommen. Oder er ist der verliebte Teenager, der sowohl Liebes-, als auch Leidensraps dichtet. Er ist aber auch der sensible junge Mann, der Ungerechtigkeiten in der Welt verärgert abrappt.


Sensibilität hilft beim kreativ sein

"Meine Lieder entstehen aus Emotionen heraus", sagt er. Der Rap hilft ihm, Gefühle zu verarbeiten, auch die Depression, die ihn phasenweise seit 5 Jahren begleitet. "Musik ist die intimste Methode, Gefühle mitzuteilen." Seine Zuhörer lassen sich begeistern, "viele, viele Leute haben sich auch mir offenbart." Haben ihm rückgemeldet, dass er ihnen aus der Seele spricht. Es ist ihm ein "riesengroßes Anliegen, einen Beitrag zu leisten und die Leute zum Denken anzuregen". Roth will als Künstler auf Missstände aufmerksam machen. "Missstände sind nicht schön, aber real. Party-Songs können andere machen", meint er.

Seine große Sensibilität war ihm einst lästig. Inzwischen sieht sie Florian Roth als Bereicherung: "Ich kann mehr empfinden. Anders könnte ich solche Texte nicht schreiben", erklärt er. Seine persönliche Entwicklung spiegelt sich in seinen Liedern, auch die entwickeln sich. Über seine früheren Lieder muss der 22-Jährige manchmal schmunzeln, nennt sie "pubertäres Gesülze", steht aber dazu. Sein künstlerisches Werden hat er im Selbststudium realisiert. Roth hat viele Raps gehört und immer wieder geübt. "Üben, üben, üben und irgendwann kommt das Gefühl, dass die Worte melodisch fließen." Der "Flow"! Der Sprachfluss ist essenziell, und Teil seines Künstlernamens "B! Flow".


Joggen für guten Flow

Damit der Sprachfluss harmonisch ist, müssen zwar die Silben in den Zeilen stimmen, aber beim Reim darf man nicht so genau hinschauen. Hinhören schon eher, denn es kommt auf die Vokale an: "Dann gib mir deine Hand, komm wir zerbrechen diese Wand schon" (aus: Jeden Tag aufs Neue). Auch hier ist das richtige Gefühl wichtiger, als ein strenges Reimschema. Die richtige Betonung erfüllt die Texte mit Leben. Zu einem ordentlichen Flow gehört auch ordentlich Puste. Um sein Lungenvolumen zu trainieren, geht Florian Roth joggen und ins Fitness-Studio.

So vielseitig Florian Roths Gefühlsleben ist, so vielgestaltig präsentieren sich seine Lieder. Einige Themen liegen aber noch ungerappt im Hinterkopf. Über das Thema Flüchtlinge würde der Künstler gerne etwas schreiben. "Da gibt es viel zu sagen", findet er. Als Kind hat er "unterschwelligen Rassismus mitbekommen". Er saß als Freund von Deutschen und Ausländern "zwischen den Stühlen". Seinen besten Freund hat er in einem ehemaligen Flüchtlingsheim in Motten kennengelernt.

Einen Punkt gibt es, wo für ihn der Spaß aufhört. Dort, wo bewusst zu Gewalt aufgerufen und bewusst Schaden hervorgerufen wird, hat der Rap Grenzen. Roth hat aber kein Problem mit provokanten Texten. Rapper wählen bewusst eine provokante oder asoziale Sprache, um Aufmerksamkeit zu bekommen und authentisch zu wirken. Das Gefühls- und Seelenleben mancher Rapmusiker ist das Resultat von Armut, Gewalt in der Familie oder Existenzangst. Auch diese Gefühle sollen authentisch wiedergegeben werden, da helfen nur Worte, die aufrütteln. "Die provokanten Texte sind Absicht. Das heißt nicht, dass Rapper keine Werte haben", betont Roth. "Es gibt nur selten dumme Künstler." Von den Zuhörern wünscht sich Florian Roth, dass sie die Lieder zu Ende hören und nach der Intention des Rappers suchen.


Provokant aber gewaltfrei

In manchen Texten versucht Florian Roth, bewusst zu schocken."Es ist wichtig, offen über seine Gedanken zu sprechen", findet er. Seine Texte beruhen auf wahren Begebenheiten: "Die andern draußen hatten Spaß, find´ ich toll. Währenddessen dacht´ ich nach, ob ich wirklich springen soll. Und wär´n da keine Menschen, die mich lieben, traurig, doch dann glaub´ ich, hätt´ ich mich dafür entschieden." (aus: Schattenseiten). Verlustängste, Einsamkeit und Dankbarkeit sind drei von vielen Gefühlen, die seiner Meinung nach gerappt werden müssen. "Ich brauche kein Image." stellt Florian Roth klar. "Ich will Authentizität."


Kleines ABC für Rapmusik

Flow Man kann ihn im Takt sprechen (normal), doppelt, oder dreimal so schnell (Doubletime/ Trippletime) oder auch halb so schnell (Halftime). Wichtig ist, den Vortrag durch Betonungen oder Aussprache interessant zu gestalten. Ein Rap kann auch gesungen werden. Der Text beinhaltet eine schlichte Melodie. Quelle: Wikipedia

Reime Rapper dichten nicht auf das Geratewohl, sondern halten sich an eine Dichtungslehre. Oft handelt es sich um unreine Reime: "Ich hasse Intoleranz, jede Form von Rassismus, hass´ es, wenn man nicht tanzt, nur rumsteht in Diskos" (aus: Was ich hasse). Beim Doppelreim reimen sich mindestens die letzten zwei Silben: "Danke, Mama, du hast mir das Leben geschenkt, und es tut mir so leid, ich hab dich öfters mal gekränkt." (Aus: Mama)
Entsprechend reimen sich beim Dreiffachreim die letzten drei Silben: "Taten entstehen aus Willenskraft, da man nichts nur durch Chillen schafft." (aus: Kämpfermodus).